Erdogan möge seine Politik unter Beachtung des internationalen Rechts betreiben, kommentierte die Vorsitzende der PASOK, Fofi Genimata den Ausgang des Referendums. Die Hoffnung, dass Erdogan seine neue Macht für gute Taten einsetzen würde, äußerte Stavros Theodorakis als Parteivorsitzender von To Potami. Die Regierung selbst äußerte sich nur über „Kreise der Regierung“. Diese schickten eine Erklärung an die einheimische Presse. „Wir beobachten aufmerksam und interessiert die Entwicklungen in unserem Nachbarland und die Ergebnisse des Referendums. Die Entscheidungen des türkischen Volks für dessen Zukunft müssen respektiert werden. Wir stützen die Stabilität und Demokratie im Nachbarland. Wir hoffen auf eine Türkei, die zum Dialog und unserer Zusammenarbeit auf Basis des gegenseitigen Respekts beiträgt“, heißt es darin.

Es ist nicht so, dass es den griechischen Regierungsvertretern an einer detaillierteren Meinung fehlen würde. Sie haben aber offensichtlich Angst, diese direkt zu äußern.

Der zypriotische Regierungssprecher Nikos Christodoulides betonte, dass seine Regierung das Ergebnis des Referendums mit großer Vorsicht beobachten würde, fügte aber zu, dass „wir Geduld brauchen, um ein komplettes  Bild für eine sichere Einschätzung zu gewinnen“.

Anders als sein griechischer Amtskollege analysierte Christodoulides das Ergebnis zumindest in groben Zügen. „Die Türkei ist ein geteiltes Land“, meinte er, „mit dem „Ja“ Ergebnis, welches in den drei größten Städten kein Echo fand. Die Unterstützer des „Nein“ zweifeln bereits das Ergebnis an und in den (türkisch) besetzten Gebieten Zyperns wurde die Verfassungsänderung abgelehnt“. Christodoulides meinte, dass die nun in der Türkei vorherrschende „einzigartige Situation unter anderen aufgrund der Äußerungen von AKP-Unterstützern zu erwarten war“.

Zypern: Furcht vor weiterer Eskalation

Auch die Parteisprecher und Parteivorsitzenden der Inselrepublik zeigten sich redseliger als ihre griechischen Kollegen. Das Statement der zentristischen DIKO betont die Furcht vor einer weiteren Eskalation. „Die Tatsache, dass Erdogan knapp die Zustimmung zur Verfassungsreform erlangen konnte, gibt ernsten Anlass zur Vermutung, dass die türkische Haltung gegenüber Zypern und der EU schärfer wird“.

Aus der sozialdemokratischen EDEK stammt die Einschätzung, dass „Erdogan seine Forderungen in provozierender Weise sowohl gegenüber Zypern als auch in der Ägäis“ verstärken wird. Die konservative EU-Parlamentarierin und Vorsitzende der Solidaritätsbewegung sagte, „alle die denken, der Sultan, der er nun ist, Erdogan der Prächtige, würde künftig eine zivilisierte Haltung gegenüber Zypern und dem Griechentum zeigen, unterliegen einer schweren Täuschung.“

Provokationen oder gar einen bewaffneten Zwischenfall fürchten auch die griechischen Analysten. Dr. Constantinos Filis vom griechischen Institut für internationale Beziehungen schließt in einem Interview für die griechische Ausgabe der Huffington Post nicht aus, dass es einen bewaffneten Zwischenfall in der Ägäis geben könnte, er sieht die Probleme Erdogans und daher dessen Fokus jedoch eher in der Kurdenregion und Syrien.

Orthodoxer Bischof fordert von Erdogan Abkehr vom Islam

Eine ganz andere Reaktion auf Erdogans Machtpolitik kam von einem prominenten Kirchenvertreter. Der erzkonservative Bischof Serafim von Piräus schrieb einen insgesamt 37 Seiten langen Brief an den türkischen Staatspräsidenten. Darin fordert er ihn auf, dem Islam abzuschwören und zum wahren Glauben zu finden. Mit dem russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin stünde, so seine Exzellenz Serafim, dem türkischen Staatspräsidenten ein passender Taufpate bereit. Vor den Osterwünschen, mit denen Serafim sein Schreiben schließt, hat der Bischof eine Warnung gesetzt. Er droht, dass Erdogan samt Familie und Volk in der Hölle schmoren werde, wenn er sich und die Türken nicht taufen lassen würde.

Auch hier kommt aus Zypern ein anderes Echo. Der ebenfalls erzkonservative Erzbischof der Inselrepublik Chrysostomos begrüßt das Ergebnis des Referendums. Er freut sich, dass Erdogan nun wegen seiner immer größeren aber auch zerbrechlicheren Machtfülle mit immer schnelleren Schritten zu seinem Abstieg und Ende eilen würde.

Hinsichtlich der in den letzten Wochen oft geäußerten Befürchtung, dass Erdogan vermehrt Flüchtlinge nach Europa schicken könnte, zeigen die täglichen Bulletins des griechischen Immigrationsministeriums bislang keine sehr hohen Zahlen. An keinem der Wahlkampftage kamen mehr als knapp 290 Personen über das Meer nach Griechenland. Es gab auch Tage, an denen kein einziger Neuankömmling vermeldet wurde. Im Sommer 2015 waren es täglich Tausende. Insofern scheint zumindest der vielzitierte und kritisierte Pakt der EU mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage noch zu halten.

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