Es ist schon ein Kreuz mit dem steten Quell der immer wieder ganz zufällig an die Oberfläche der Suppe treibenden „Beeinflussern“ und Welthelden. Zum Glück macht die vor allem in Deutschland beliebte aktuelle Form des Weltuntergangs gerade für ein paar Wochen Pause. Auch Panik nutzt sich eben ab. So kann sich jeder wieder um seine eigenen Probleme kümmern. Die EU um den Brexit und die SPD darum, als erste Partei ohne Reste eines eigenen Programmes dahinzuscheiden.

Kölner Stadtverwaltung: Vorschläge aus Kinderzeitschrift sollen auf schnellstem Wege umgesetzt werden

Der Vorschlag des jungen Antragsstellers in Köln, der es sicher wirklich gut meinte und sich für die Sache interessierte, bestand laut eigenem Bekunden aus einer Idee, die er in der Kinderzeitschrift „Geolino“ gelesen hatte (Express: https://bit.ly/2YwNJFs). Laut Rheinischer Post kam das bei den Entscheidern derart gut an, dass es hieß:

(Rheinische Post) „Der Ausschuss überwies die Bürgereingabe des Zehnjährigen an die Stadtverwaltung - und fügte die Bitte an, die Vorschläge „auf schnellstem Weg umzusetzen“.

Wie hieß es noch beim Mauerfall? „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.

Ob man sich die Mühe macht, darüber nachzudenken, wer genau die Belohnungen bezahlt, ist nicht überliefert. Das übernimmt sicher - ganz kostenlos - „der Staat“. Wie gesagt, es ist eine Freude, wenn Kinder erstens lesen, sich zweitens Gedanken und dann noch die Mühe machen, sich Gehör zu verschaffen und einen ordentlichen Brief zu verfassen.

Es wäre allerdings auch schön, dies abseits von anekdotischen Darstellungen nicht zu überhöhen und so darzustellen, als wäre man bei Problemlösungen auf Kinderzeitschriften angewiesen. Beim Kölner Stadtrat mag das freilich anders sein. Wir freuen uns schon auf den nächsten Brief, der sich mit der Frage von Opportunismus, Vorteilsnahme, Lobbyismus und Korruption beschäftigt. Aber dazu müsste es so etwas natürlich erst einmal geben.

Von Heiligsprechungen und politisch unkorrekter Straßenkunst

Der Rest der Republik erfreut sich unterdessen am dieses Mal von innen forcierten Morgenthau-Plan und beschäftigt sich in der Freizeit und am Arbeitsplatz damit, wie man simultan zur De-Industrialisierung am besten andersdenkende Nachbarn anschwärzen kann, um die gesinnungskorrekte Meinungsfreiheit durchzusetzen und so die beste aller Demokratien zu retten.

Mancher Kirchenangestellte erklärt derweil im Sommerloch den einen oder anderen zum nächsten Jesus. Schade, dass selten jemand darauf kommt, Altenpfleger, Müllwerker oder Straßenbauarbeiter zu Jesussen zu erklären. Aber im aktuellen Stadium zählen nicht 60 Stunden auf der ITS, es zählt nur noch das Event.

Das belegt auch eindrucksvoll der letzte evangelische Kirchentag, in dessen Umfeld Abbilder primärer Geschlechtsmerkmale aufs Straßenpflaster gemalt wurden. Angeregt wurde die Malerei in entsprechenden Workshops (siehe dazu in den Stuttgarter Nachrichten https://bit.ly/2Yf6IZV).

Der treue Genosse erkennt sofort mit kritischem Blick die Inkonsistenz, die bei den jungen Genossen und Genossinnen noch herrscht. So ist bei den religiös motivierten Kreidekünstlern die propagierte Geschlechtslosigkeit offenbar noch nicht ausreichend verankert. Es gilt zukünftig, die zahlreichen Seminare besser mit den aktuellen Genderthesen und einem Aufguss des Populär-Konstruktivismus abzugleichen. Zugegebenermaßen klingt der Titel „Wir malen eine Spielart von unendlich vielen gesellschaftliche Konstrukten auf den Asphalt“ nicht sonderlich griffig, aber daran kann man ja arbeiten. Ketzer, pardon, Hetzer wurden übrigens seitens der Barmherzigen aktiv ausgeladen.

Ist das Surrealismus oder Surrealität?

In einem Irrenhaus müsste man langsam darüber nachdenken, die Medikamentendosis zu erhöhen, bevor der Wahnsinn vollends aus dem Ruder läuft. So aber schaut man sich kiffende Opas in der Lindenstraße an, lässt sich von Tatort-Darstellern auf einfache Art und Weise und gerne kontextunabhängig Gut und Böse auseinanderdividieren und erklärt den andersdenkenden Rest der Welt zu nationalistischen Reinkarnationen des Gröfaz. Man darf gespannt sein, unter welcher Rubrik kommende Historiker diese deutsche Episode einmal einsortieren werden. Vielleicht lassen sie die Jahre auch einfach weg. Zu surreal.

Auch die Antwort auf die Frage, wie es soweit kommen konnte, bleibt den Geschichtsschreibern überlassen. Für eine zeitgenössische und sammelnswerte Interpretation des aktuellen Gesamtgefüges genügt der Blick in die Auslandspresse. Deren Beschreibung der Entwicklung in Deutschland liest sich nicht selten wie ein psychiatrisches Gutachten mit pessimistischem Ausblick. Hilflos schaut man auf den wegdriftenden Patienten und wie in billigen Arztserien schwebt der Satz „wir verlieren ihn“ im Raum.

„Bildungssystem“ – Wo nichts ist, kann nichts werden

Unterdessen pausiert immerhin die Rettung des Planeten. Grund sind die Sommerferien und die daraus resultierenden zahlreichen Urlaubsreisen. Die Herkulesaufgabe einer konsequenten, von zahlreichen Politikern und Lehrern unterstützten, Blaumacherei ist eben eine anstrengende Sache, auch Helden müssen sich erholen. In den Wochen des offiziell schulfreien Innehaltens während der Ferien kann man sich endlich wieder ganz entspannt über die viel zu knappe Zeit des verkürzten „G8“ Abiturs mokieren.

Schüler seien überfordert, wenn man statt neun Jahren nun noch acht Jahre Zeit bis zur Matura habe. Das mag stimmen, und generell darf man sich fragen, was die ganze Eile in der Schulzeit eigentlich soll. Abgesehen vom Übertünchen des Mangels an funktionierenden Schulen und Lehrern fällt einem hierzu nicht viel ein. Wichtiger als ein wofür auch immer „eingespartes“ Jahr sollten ohnehin die Inhalte des Abiturs sein.

Es machen immer mehr Menschen den Abflug…

Da derzeit über ein Verbot von Inlandsflügen und auch von intraeuropäischen Flügen sinniert wird soll auch die geliebte und hypermoderne Ikone der deutschen Infrastruktur an dieser Stelle erwähnt werden. Gemeint ist nicht allein der BER. Der darf mangels Fertigstellung im Wettbewerb der Peinlichkeiten nicht mitmachen. Vermutlich überspringt das Projekt gleich vollständig das Stadium der Nutzung und befindet sich bereits auf direktem Wege zum Sinnbild der Unfähigkeit und De-Industrialisierung.

Zum Thema Infrastruktur sei eher allgemein einiges angemerkt. Wer des Öfteren mit der Bahn fährt, sich den Zustand der Brücken, Autobahnen, Nebenstraßen und den Sanierungsbedarf des Abwassersystems anschaut, ja, wer sich einfach einmal nicht nur den aktuellen Zustand der Infrastruktur, sondern auch deren Entwicklung in den letzten 20 Jahren anschaut, dem vergeht so langsam auch das Schmunzeln über die britischen Verhältnisse.

Zum Thema Flugaufkommen hier eine Statistik des Flughafenbetreibers Fraport.

     

Im Begleittext heißt es:

(Luftverkehrsstatistik 2018) „Im Jahr 2018 legte die Zahl der Passagiere um 7,8 % auf über 69,5 Mio. zu. Das Jahresergebnis von 2017 konnte um rund 5,0 Mio. Fluggäste übertroffen werden. Dies

bedeutete nicht nur einen neuen Jahresspitzenwert, sondern auch einen neuen absoluten Rekordzuwachs in der Geschichte des Flughafens. Eine ausgeprägtere Wachstumsdynamik konnte zuletzt vor 23 Jahren im Jahr 1995 erzielt werden. Im gesamten Jahresverlauf konnten neue Monatshöchstwerte verkündet werden. (…)

Umfangreiche Angebotsaufstockungen im gesamten Jahreszeitraum bewirkten trotz hoher Basis dieses ungewöhnlich dynamische Wachstum im Jahr 2018. Sowohl das Angebot neuer Ziele wie auch Frequenzerhöhungen führten zu dieser Expansion der Nachfrage. Massive Angebotsverbesserungen betrafen vor allem die Verkehre mit den Regionen Süd-, Südost- und Osteuropa sowie Nordafrika.“

Ach, diese ärgerlichen Fakten. Aber zum Flughafen ging‘s bestimmt mit dem Rad.

Deutsche Bahn: Es stinkt ganz gewaltig

Nun aber kommt ja der kreative Klamottentauscher und wird das alles ändern. Alle in Bahn, Marsch Marsch! Und schon hört man nur noch von den ganz wichtigen Problemen, etwa wenn diejenigen, die den Flugverkehr auf die Schiene verlagern wollen (viel Spaß!), anmahnen, die Züge müssen dann auch schneller fahren und es müsse an Bord besseres W-LAN geben. Das scheinen die Politikplaner für das gefühlte Hauptproblem von Menschen zu halten, die täglich in der Bahn sitzen. Das W-LAN.

Sicherlich ist es eine gute Idee, bahnunabhängig über die üble Qualität der Datennetze in Deutschland nachdenken. Wobei es durchaus aufatmen lässt, wenn der eine oder andere Abgeordnete aus technischen Gründen mal nicht twittern kann. Schreiben Sie Ihre Tweets einfach auf kleine Zettel, die Sie dann im Mülleimer auf dem Bahnsteig veröffentlichen (Bitte Einwurfschlitz „Papier“ beachten).

Die meisten Bahnnutzer wären allerdings sicher in einem ersten Schritt damit zufrieden, wenn die Züge halbwegs pünktlich führen, man einen Sitzplatz ergattern könnte, die Türen funktionierten und die Kühlung und Heizung auch außerhalb der Spanne von 23 und 27 Grad arbeiten würden. Wenn es an den regionalen Bahnhöfen nicht stinken würde, könnte man einen Bonuspunkt für etwas eigentlich Selbstverständliches vergeben.

Harakiri ist auch keine Lösung

Abschließend soll es noch einmal um den schönen Urlaub gehen. Auch dieser kann genutzt werden, um einige vor den Ferien verloren gegangene Bildungsstunden wieder auszugleichen. Aus zeitgeistigen Gründen und auf Grund der guten Vereinbarkeit mit der derzeit boomenden Reisetätigkeit bietet sich die Aufarbeitung des Geschichts- und Gegenwartsbildes an.

Hilfreich können schon ein paar Wochen in Afrika oder Südostasien sein, die man für Gespräche mit Einheimischen und langjährigen (!) Entwicklungshelfern nutzt. Diese erfüllen zwar nicht das gerade modische Bild des oft minderjährigen Heilsbringers, dafür wissen sie wovon sie reden.

Ob dies gegen vermutlich psychisch bedingten Selbsthass hilft, darf jedoch ebenso bezweifelt werden, wie der Versuch, den Respekt anderer dadurch zu erlangen, dass man sich ständig selbst geißelt. Vielleicht aber reicht es ja neben Kopfschütteln noch für ein bisschen Mitleid.

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