meinen letzten Newsletter habe ich am 21.02.22 rausgeschickt, zu einem Zeitpunkt, als ich mir absolut sicher war, dass der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine nur eine Drohkulisse ist und Putin niemals in das Land einmarschieren würde. Wie gut, dass ich darauf keine Wetten abgeschlossen habe.

Umso angenehmer, dass alle von Euch, die sich darauf in der Kommentarspalte meines Blogs zu Wort gemeldet haben, bei aller Kritik und Kontroverse niemals mit Hetze oder Beleidigungen vorgingen, sondern immer mit Argumenten diskutierten. Dafür möchte ich Euch an dieser Stelle mal von Herzen danken. Ihr seid das geilste soziale Netzwerk der Welt. 

Und heute wird es also mal wieder Zeit für meine neusten Gedankengänge. Und natürlich beschäftige auch ich mich mit der Situation, die dieser Krieg hervorgebracht hat. Vor allem, weil wir wissen, dass ein Krieg am Ende nur Verlierer kennt.

Also zumindest, wenn man zur ukrainischen Zivilbevölkerung gehört. Menschen, deren einziges Verbrechen darin besteht, in der Ukraine geboren worden zu sein. Niemand hat sich vorher ausgesucht, wo er zur Welt kommen möchte. Und diejenigen, die zufällig in der Ukraine das Licht des Lebens erblickt haben, müssen jetzt um ihr Leben fürchten. Und warum? Weil ein Wladimir Putin ausrastet.

John Lennon sagte mal: „Wir werden von Wahnsinnigen regiert“. Aber woher kannte John Lennon eigentlich Wladimir Putin?

Die ukrainische Zivilbevölkerung jedenfalls gehört definitiv zu den Verlierern dieses Krieges. Guckt man sich ein wenig außerhalb der ukrainischen Landesgrenzen um, sieht die Sache allerdings schon ein bisschen anders aus. Gucken wir zum Beispiel mal nach… Deutschland.

An einem Sonntag sagt der deutsche Bundeskanzler im deutschen Bundestag, dass er 100 Milliarden in die deutsche Bundeswehr investieren wird. Euro, nicht Rubel.
Und am nächsten Tag, am Montag, haben um 9 Uhr die Börsen geöffnet, und eine Minute später, um 09:01, was meint Ihr, ist da wohl mit den Aktienkursen der Rüstungsindustrie passiert? Also wenn so Verlierer aussehen, dann ist der FC Bayern München eine Ansammlung von Trauerklößen.

Aber wir müssen wieder wehrhaft werden, denn zur Erinnerung: Die NATO ist in fast allen Bereichen nur fünfmal stärker als Russland. Das ist natürlich viel zu wenig. Außer bei den Atomwaffen, da ist Gleichstand.

Aber ich habe nicht gehört, dass Deutschland 100 Milliarden in die Entwicklung der Atombombe investieren will. Das hat der Bundeskanzler nicht gesagt. Ich habe vor und zurückgespult.  

Nein, es geht darum, dass wir Deutschen bei unseren Militärausgaben weltweit nur auf Platz 7 stehen. Von allen Ländern auf der Welt reichen unsere Militärausgaben nur für Platz 7. Und der 7. Platz reicht nun mal nicht für die Teilnahme an der Champions League. Da hat der Bundeskanzler extra noch mal bei Bayern München nachgefragt.

Mit 100 Milliarden wären wir auf Platz 3. Und das berechtigt für die direkte Qualifikation. Dabei war die Höhe unserer Militärausgaben nie das Problem. Das Problem war, wie wir diese Ausgaben eingesetzt haben. Und wenn wir daran nichts ändern, können wir sogar 150 Milliarden in die Bundeswehr pumpen, alles was wir dann erreichen ist, dass eben noch mehr Gewehre um die Ecke schießen.

 

 

Aber dafür hatten die Abgeordneten im deutschen Bundestag keine Zeit. Geschlossen haben sie sich von ihren Sitzen erhoben und Standing Ovation geklatscht. Das war eine Stimmung, von der hat mir mein Opa erzählt, dass ihm sein Opa davon erzählt hat.

Keine Waffen in Kriegsgebiete“ – drauf geschissen! Hätte nur noch gefehlt, dass sie zu singen anfangen: „Wir wolln unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben.“ Aber dann wäre der Beckenbauer aufgestanden, und Bayern München hätte gesagt: „Setz dich Franz, du warst nicht gemeint.“  

Aber eine Stimmung ist seitdem bei uns im Land. Von einem zum anderen Tag war Militarismus plötzlich wieder völlig OK. Und endlich können wir auch wieder einen Helden verehren: Wolodymyr Selenskyj.

So liebt das der Deutsche: Einer ist der Schuft, und der andere ist der Held. Wie aus den ganz einfach gestrickten Märchen für Kinder. Aber es ist doch immer wieder erstaunlich, wie viele Deutsche noch bis ins hohe Alter einfach gestrickt sind. Guckt man sich allerdings die Einschaltquoten für Volksmusik an, ist auch das keine Überraschung.  

Nicht, dass wir uns missverstehen: Unser aller erstes Ziel muss sein, dass die Waffen schweigen und das Morden ein Ende nimmt. Und Putin ist der Aggressor. Da gibt es nichts zu relativieren. Und die Ukraine verdient selbstverständlich unsere Solidarität, und hat selbstverständlich das Recht, sich zu verteidigen. Aber ist es vielleicht trotzdem, oder vielleicht sogar genau deswegen in diesen Tagen erlaubt, auch das Verhalten der Verteidiger in diesem Krieg mal ein klitzekleines bisschen kritisch zu hinterfragen? Vielleicht grade aus Solidarität?

Zugegeben, ich sitz bequem in Deutschland im Sessel, mir fliegen hier keine Bomben um die Ohren. Ich habe keine ukrainischen Verwandten und keine Ahnung von ukrainischer Kultur. Aber gilt genau das nicht auch für alle Deutschen, die zurzeit völlig kritiklos der Meinung sind, dass Selenskyj ein Held ist?

Und zwar alleine ja schon deswegen, weil er mal ein Schauspieler war. Der letzte Schauspieler, der Präsident war, war Ronald Reagan. Boah, war das ein Held!  

Aber Selenskyj war ja auch Satiriker. Und darauf wird ja immer wieder gerne hingewiesen. Vor allem von Satirikern. Denn Satiriker sind automatisch Helden! Dabei gehe ich jede Wette ein: Würde man in Deutschland alle Satirikerinnen und Satiriker bitten, fünf Kolleginnen und Kollegen zu benennen, die sie für Arschlöcher halten, es würden automatisch allen antworten: „Nur fünf?“  
Und das Schönste: Wenn dann alle ihre fünf Satire-Arschlöcher genannt hätten – jede Wette: Es wären immer andere fünf.

Aber wenn Selenskyj selber Satiriker ist, dann dürfte er doch nichts dagegen haben, im Gegenteil vielleicht doch sogar begrüßen, wenn man ihn ein bisschen satirisch unter die Lupe nimmt.

 

 

Und z. B. darauf hinweist, dass Selenskyj vor dem Krieg in der Ukraine politisch auf dem absteigenden Ast war. In Umfragen kam er grade mal noch auf 20 % der Stimmen. Gut, für die SPD würd’s reichen.

Aber wenn es heißt, Putin würde mit diesem Krieg auch von innenpolitischer Unbeliebtheit ablenken, dann ist das für Wolodymyr Selenskyj ebenfalls nicht ganz unzutreffend. Und für Joe Biden. Und Emmanuel Macron. Erwähnte ich schon Olaf Scholz?  

In den zwei Jahren zwischen seinem Wahlsieg und heute hat Selenskyj an der Regierung so tolle Sachen gemacht, wie z B: Die ukrainische Zentralbank und die Generalstaatsanwaltschaft ihm zu unterstellen. Also Gewaltenteilung für Anfänger. 
Und nicht genug bis gar nichts gegen Korruption zu unternehmen. Und warum nicht? Weil Wolodymyr Selenskyj durch solche Maßnahmen in seinem Umfeld exakt genauso eine Oligarchen Clique bei Laune halten will, wie der große Onkel Putin im Osten.

Wolodymyr und Wladimir, wie ich Dir, und so du mir.

Noch vor gut einem Jahr, im Februar 2021 hat das Europäische Parlament dem Selenskyj eine Liste vorgelegt, mit rund 150 Defiziten, die die Ukraine beheben muss, um in die EU aufgenommen zu werden. 150 Defizite. Nur der Vatikan hat mehr. 

Das einzige Defizit, das darin nicht aufgeführt wurde, ist das, darauf zu verzichten, die Atombombe bauen zu wollen. Das ist ja dieser völlig absurde Vorwurf, den die Russen der Ukraine machen: Die Ukraine wolle Atombomben bauen. Das ist natürlich hanebüchener Schwachsinn.

Also, wenn man davon absieht, dass die Ukraine genau das vor einem Jahr genau so angekündigt hat. Also im April 2021, da hieß es aus der Ukraine: „Wenn wir nicht in die NATO kommen, bauen wir eben selber die Atombombe“. 
Da betritt Kurt Tucholskys Satz „Satire darf alles“ eine ganz neue Dimension.  

Nur zur Erinnerung: Die Ukraine hat noch aus Sowjetzeiten Know-how und Infrastruktur, um Atombomben bauen zu können. Und im April 2021 haut unser Comedy Kollege aus Kiew einen Kracher raus, da fällt sogar Mario Barth nichts Originelles mehr ein. Also für Marion Barth kein Unterschied.  

Und das, obwohl Selenskyj genau wusste, dass die NATO die Ukraine gar nicht aufnehmen kann, solange sein Land nicht die Kriterien für eine Aufnahme erfüllt. Kriterien wie z B: Keinen Bürgerkrieg auf dem eigenen Staatsterritorium haben.  
Artikel 10 des Nato-Vertrags besagt: „Das neue Mitglied muss in der Lage sein, zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen.“ Zur Sicherheit. Nicht zu Unsicherheit.

Und anstatt daran zu arbeiten, sagt der Selenskyj: „Hey ich bin Komiker, wollt Ihr mal nen guten Witz hören? Wir bauen die Atombombe.“  
Wobei er selber das gar nicht gesagt hat, sondern er hat es sagen lassen. Und zwar den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk.

Ihr wisst schon, der Mann, der sich seit Wochen als Gast in einem fremden Land mit diplomatischem Geschick und Fingerspitzengefühl in geradezu vorbildlicher Höflichkeit und Zurückhaltung übt.

OK, ab und zu mischt er sich ausnahmsweise auch schon mal in manischer Übergriffigkeit in innerdeutsche Angelegenheiten ein. Was Diplomaten laut Wiener Übereinkommen für diplomatische Beziehungen von 1961 nicht erlaubt ist.  
Oder er bezeichnet den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, SPD-Politiker Michael Roth schon mal als Arschloch.

Was Diplomaten nicht nur laut Wiener Übereinkommen, sondern grundsätzlich nicht erlaubt ist. Ich glaube, Melnyk ist ukrainisch und heißt übersetzt: „Elefant im Porzellanladen". Der ja übrigens auch ja gar keinen Hehl daraus macht, ukrainische Nazis aus dem 2. Weltkrieg zu verehren, oder ähnliche Gesinnungsbrüder von heute.

Das ist schon komisch. Bis vor Kurzem galt noch: Wenn jemand sich im Netz auch nur einmal missverständlich ausdrückt, oder vor 20 Jahren einmal missverständlich ausgedrückt hatte, dann geht der Shitstorm los. Wo sind diese Shitstormtruppen eigentlich, wenn man sie mal braucht? Wahrscheinlich springen die nur bei Missverständnissen an. Wenn jemand unmissverständlich seine Menschenverachtung äußert, kapiert das die Cancel Culture anscheinend gar nicht. Vielleicht, weil der Melnyk keine Dreadlocks trägt. Wie gesagt, 150 Defizite muss die Ukraine beheben. Melnyk ist eins davon.

 

 

Jedenfalls: Seit seinem Amtsantritt hatte Selenskyj zwei Jahre Zeit, sich was zu überlegen, wie man das Problem in Donbas lösen kann, damit Frieden herrscht und nicht Krieg. Und als Ergebnis erzählt Selenskyj jetzt: „Wenn wir fallen, fallen auch die baltischen Staaten, und dann will Putin bis zur Berliner Mauer weitermachen." Und jetzt weiß ich nicht, wer sich traut, es dem Selenskyj zu sagen, aber lieber Kollege, nur mal zur Info: Es gibt keine Berliner Mauer mehr.

Man wirft Putin ja vor, er würde in einer Blase leben, und die Realität verkennen. Aber in welcher Realität lebt denn eigentlich Selenskyj? In welcher Realität lebt ein Staatschef, der von der NATO fordert, sie solle Flugverbotszonen über der Ukraine errichten. Bei allem Verständnis für seine verzweifelte Lage, aber das heißt nichts Anderes als: „Hey, ich habe keine diplomatische Lösung hinbekommen, deswegen fände ich jetzt einen globalen Atomkrieg ganz nett.“  

Ich sag‘s mal so: Wenn sich früher auf dem Schulhof zwei Typen geprügelt haben, haben wir doch nicht eingegriffen. Wir haben drum rumgestanden und zugeguckt. Und den Schwächeren angefeuert. Aber nicht zu sehr, weil wir es uns ja mit dem Stärkeren nicht verscherzen wollten. Und genau so …machen wir es ja grade auch.

Nur, mit dem Unterschied, dass Putin und Selenskyj beide es vermeiden, direkt miteinander zu kämpfen. Schade, dass Klitschko nicht ukrainischer Staatschef geworden ist. Der gegen Putin im Ring. Das hätte ich gerne gesehen. Wäre vermutlich genau so spannend wie Will Smith gegen Oliver Pocher.

Und apropos: Alle Männer zwischen 18 und 60 dürfen die Ukraine nicht verlassen, und müssen stattdessen kämpfen. Müssen! Hat mal jemand gefragt, was mit den Männern passiert, die sich weigern? Hat mal irgendjemand gefragt, was zurzeit mit ukrainischen Kriegsdienstverweigerern passiert? Also, wenn Herr Selenskyj ein Held ist, dann kann er die Frage doch sicher beantworten.  

Oder vielleicht könnte irgendein deutscher TV-Journalist diese Frage mal Botschafter Melnyk stellen. Der Mann hat inzwischen so eine penetrante Talk-Show-Präsenz. Man sehnt sich schon nach Karl Lauterbach zurück.

Aber was haben Selenskyj und Putin gemeinsam? Das, was alle Regierungschefs im Krieg machen: Sie schicken andere vor zum Blutvergießen.  
Unter dem Motto: Wenn die Fahne weht, steckt der Verstand in der Trompete. Und wisst Ihr woher dieses Sprichwort stammt? Aus der Ukraine. Da bekommt der Begriff "Ironie der Geschichte" eine ganz neue Bedeutung.

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