Kurz gesagt, gibt es auf Frankfurt nichts Neues. Die Industrie in Deutschland kühlt weiter ab. Die Autoren des Berichts halten jedoch krampfhaft an Ihren „Formulierungsverrenkungen“ fest, indem sie erklären, dass die stärker auf die Binnenwirtschaft ausgerichteten Branchen hingegen „wohl weiterhin für Auftrieb“ sorgten.

Man beachte dabei die Unsicherheit, die sich im Wörtchen „wohl“ ausdrückt. Dennoch beurteilten die Unternehmen in konsumnahen Dienstleistungsbereichen ihre Geschäftslage als ausgesprochen günstig. Auch die Umsätze im Einzelhandel und die gute Stimmung der Verbraucher deuten darauf hin, dass die Konsumfreude bis zuletzt ungetrübt war.

Auch die positive Lage in der Bauwirtschaft wird wieder hervorgehoben.

Faktenlage in der Industrie

Der Auftragseingang der deutschen Industrie verschlechterte sich im August 2019 erneut. Gegenüber dem Vormonatsstand sank er in saisonbereinigter Rechnung spürbar. In den Monaten Juli und August ging er zusammengenommen gegenüber dem Durchschnitt der Frühjahrsmonate sogar noch stärker zurück. Dabei fehlten vor allem Großaufträge, die in der Regel recht unregelmäßig eingehen.

Am stärksten betroffen waren dabei die Konsumgüterhersteller (– 3¼ %) und die Investitionsgüterproduzenten (– 1¼ %) sowie die Vorleistungsgüterbranche (– ¾ %).

Nach Branchen aufgeschlüsselt gingen die wertmäßigen Industrieumsätze auf breiter Front zurück.

Tröstend merkt die Bundesbank an, dass zwar die nominalen Warenausfuhren im August 2019 gegenüber dem Vormonat saisonbereinigt kräftig sanken, sie in den Monaten Juli und August zusammengenommen hingegen leicht zulegten.

Probleme bereitet auch die stark rückläufige Warenausfuhr in die Eurozone. Das wäre hinsichtlich einer wünschenswerten Reduktion des TARGET2-Saldos der Bundesbank durchaus positiv zu werten, wenn nicht die Wareneinfuhren rückläufig wären, was sie mittlerweile leider sind. Deshalb verharrt das TARGET2-Saldo der Bundesbank bei über 900 Milliarden Euro.

Faktenlage in der Bauwirtschaft

Die von den Autoren des Monatsberichts in ihrer Einleitung als „gut“ beschriebene Lage in der Bauwirtschaft relativieren sie im weiteren Text. Demnach verringerte sich die Produktion im Baugewerbe im August 2019 gegenüber dem Vormonat saisonbereinigt kräftig (–1½ %).

Auch in den ersten zwei Monaten des Sommerquartals schwächte sie sich gegenüber dem Frühjahrsstand zusammengenommen leicht ab. Ausschlaggebend dafür war ein deutlicher Aktivitätsrückgang im Bauhauptgewerbe. Allerdings expandierte die Bauleistung im Ausbaugewerbe und der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe stieg im Juli 2019 – bis dahin liegen Angaben vor – gegenüber dem Vorquartal an (+ ½ %).

Dass die Baukonjunktur grundsätzlich weiter gut ist, signalisieren laut Bundesbank auch die Umfragen des ifo Instituts. Wörtlich schreibt das Institut:

Im Bauhauptgewerbe ist der Geschäftsklimaindikator gestiegen. Dies war auf optimistischere Erwartungen der Baufirmen zurückzuführen. Die Unternehmen schätzten ihre Lage immer noch sehr gut ein, aber nicht mehr ganz so gut wie im Vormonat.

Zugegebenermaßen macht mir diese Formulierung leichte Probleme und sie ist schwer interpretierbar, da offensichtlich widersprüchlich. Was soll´s, so kann jeder rauslesen oder hineininterpretieren, was er gerne möchte.

Alles gut, oder? Hält die Bauwirtschaft so lange durch, bis sich die Industrie erholt?

So gesehen ist alles gut, oder etwa nicht? Die Bundesbank bleibt vorsichtig und erklärt, dass sich das Geschäftsklima in vielen weniger auf den Konsum ausgerichteten Dienstleistungsbranchen spürbar eintrübte und die Frühindikatoren gegenwärtig wenig Anzeichen für eine nachhaltige Belebung der Ausfuhren und eine Stabilisierung in der Industrie liefern.

Damit nimmt die Gefahr zu, dass sich ihr Abwärtssog in stärkerem Maß auf die eher binnenwirtschaftlich orientierten Branchen überträgt. Hiermit spricht die Bundesbank eine Befürchtung aus, die ich schon lange hege: Hält die Bauwirtschaft so lange durch, bis sich die Industrie erholt?

Da die Industrierezession nicht nur auf die üblichen Konjunkturzyklen zurückzuführen ist, sondern sich immer mehr eine systemische Krise abzeichnet, ist die Gefahr groß, dass die Bauwirtschaft über kurz oder lang in den Abwärtssog gezogen wird.

Nicht übersehen sollte man in dem Zusammenhang folgenden Hinweis des ifo Instituts:

Im Verarbeitenden Gewerbe kennt das Geschäftsklima nur eine Richtung: abwärts. Die Unternehmen waren erneut weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften. Ihre Erwartungen für die kommenden Monate blieben pessimistisch. Die aktuelle Nachfrageentwicklung und die Produktionspläne versprechen keine Besserung in den kommenden Monaten.

Fazit

Der aktuelle Monatsbericht unterscheidet sich kaum vom letzten. Die Industrie in Deutschland schrumpft weiter. Die Hoffnungen liegen auf der Binnenwirtschaft, die noch einigermaßen läuft.

Erforderliche Weichenstellungen aus der Politik sind weiterhin nicht erkennbar. Ob es die Industrie in Deutschland schafft - oder die global aktiven Unternehmen es weiterhin vorziehen, neue Produktionsstätten im Ausland zu errichten (ich berichtete mehrmals), wird die Zukunft zeigen.

Hier geht es zum zitierten Bundesbankbericht

 

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