Abwertungsangst führt zu beginnende Kapitalflucht wohlhabender Chinesen

Und so bestätigen sich diese Beobachtungen mit ein wenig zeitlicher Verzögerung nun auch, denn wohlhabende Chinesen scheinen abermals damit begonnen zu haben, hohe Kapitalbeträge außer Landes zu bringen.

Ausgerechnet sich vielerorts breit machende Furcht vor einer anhaltenden Abwertung des Yuans/Renminbis gegenüber dem US-Dollar verstärken diese Entwicklung noch. Da auch im sino-amerikanischen Handelskrieg das letzte Wort noch lange nicht gesprochen zu sein scheint, setzt sich die Kapitalflucht aus Festlandchina zu einem denkbar kritischen Zeitpunkt fort.

Phase-1-Deal scheint vergessen: Die Sojabohnen kommen aus Brasilien

Neue Daten von den Rohstoff- und Containerschiffmärkten samt einer Veröffentlichung von Satellitenbildern gaben über die vergangenen Wochen darüber Aufschluss, dass chinesische Importkonzerne in Staatseigentum wieder damit begonnen haben, Sojabohnen mit vollen Händen aus Brasilien – und nicht aus den USA – einzuführen.

Da über die letzten Wochen kaum mehr Fracht dieser Art die amerikanischen Seehäfen an der Westküste der Vereinigten Staaten in Richtung Chinas verlassen hat, muss damit gerechnet werden, dass die Pekinger Staatsführung sich einmal mehr nicht – wie im Phase-1-Abkommen mit Washington stipuliert – an seine eingegangenen Verpflichtungen halten wird.

Inzwischen beginnt sich abzuzeichnen, dass der Handelskrieg zwischen den beiden Ländern sich sehr wahrscheinlich noch verschärfen wird. Verwundern würde es aus dem Blickwinkel der aktuellen Situation gewiss nicht, wenn die Washingtoner Regierung schon demnächst weitere Strafzölle auf die Einfuhr von chinesischen Produkten in die USA verhängen würde.

Kein Verhandlungsspielraum auf dem Schwarzmarkt

Zurück zum wieder aufflackernden Kapitalabzug aus China. Aktuell dürfen Festlandchinesen offiziell nicht mehr als 50.000 US-Dollar pro Jahr pro Person im Austausch für den Verkauf der heimischen Währung erwerben. Nicht selten schließen sich Mitglieder von chinesischen Familien angesichts der bestehenden Kapitalkontrollen zusammen, wenn Investitionen im Ausland geplant sind, um diese Obergrenzen zu umgehen.

Häufig geschieht es auch, dass chinesische Urlauber ausländische Devisen wie den US-Dollar oder den Euro von ihren Reisen mit nach Hause bringen, um in diesen Währungen zu sparen. Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie steht Chinesen diese Option allerdings nicht mehr offen.

Schwarzmarkt-Währungshändler in Shanghai veranschlagen den Kauf eines US-Dollars indes bereits auf 7,20 Yuan/Renminbi, wie die japanische Finanzzeitung Nikkei Asian Review berichtet. Wenn Chinesen US-Dollars kaufen wollten gäbe es unter Bezugnahme auf diese Händler keinen Verhandlungsspielraum mehr.

Verwiesen darauf, dass die offizielle Wechselkursquote an besagtem Tag bei nur 7,06 Yuan/Renminbi pro US-Dollar gelegen habe, scheint aus Sicht der Schwarzmarkthändler keine Rolle mehr zu spielen. Der Offshore-Yuan hatte im Mai erstmals wieder sein ehedem ausgebildetes Tief bei rund 7,20 Yuan/Renminbi pro US-Dollar erreicht.

US-Dollar-Konten in Hongkong verhelfen das Kapital ins Ausland zu transferieren

Wohlhabende Chinesen eröffnen beispielsweise mehr und mehr US-Dollar-Konten in Hongkong, um Kapital ins Ausland zu transferieren. Anlagen in Form von Immobilien im Ausland stehen hier mittlerweile auch wieder hoch im Kurs. Hilfe bieten ihren Landesleuten hierbei zahlreiche chinesische Brokerfirmen und spezialisierte Investmentfirmen im überseeischen Ausland.

Nicht nur Russen tummeln sich seit Jahren auf der Mittelmeerinsel Zypern, sondern auch immer mehr Chinesen scheinen sowohl Malta als auch Zypern als neue Kapitaltransfer- und Anlagehäfen für sich entdeckt zu haben, wie Nikkei Asian Review weiter berichtet. Im ersten Quartal des laufenden Jahres stand vielen Chinesen dieser Weg aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs und damit verbundener Reiseverbote nicht offen, weshalb sich die Kapitaltransfers laut der französischen Bank Natixis im zweiten Halbjahr deutlich beschleunigen werden.

Über den Verlauf der vergangenen zwei Jahre hat der Yuan/Renminbi gegenüber dem US-Dollar um mehr als zehn Prozent nachgegeben. Chinesische Brokerfirmen weisen darauf hin, dass ihre Kunden ausländische Währungen halten müssten, um den eigenen Wohlstand aufrechtzuerhalten.

Einige Wechselstuben können Dollar-Nachfrage nicht mehr bedienen

Laut Meldungen der vergangenen Wochen sei momentan vor allem der Andrang auf die örtlichen Wechselstuben in Hongkong besonders groß. Viele dieser offiziellen Wechselstuben sähen sich inzwischen nicht mehr dazu in der Lage, die unter wechselwilligen Kunden herrschende Nachfrage nach US-Dollars zu befriedigen.

Finanziell gut gestellte Hongkonger haben längst schon damit begonnen im Angesicht der aktuellen politischen Entwicklungen Gelder ins Ausland – und hier allen voran Offshore-Oasen – zu transferieren. Viele Hongkonger verlören das Vertrauen in das aktuelle System, weshalb es vielen der Betroffenen mehr als recht sei, über Optionen für Kapitaltransfers ins Ausland zu verfügen.

Hongkong hat mehrere Schlachtfelder

Das im vergangenen Monat seitens des Nationalen Volkskongresses Chinas verabschiedete Sicherheitsgesetz für Hongkong nährt in vielen Hongkonger Bürgern die Furcht vor einer Aushöhlung der justizrechtlichen Unabhängigkeit Hongkongs von Festlandchina, so wie diese im ehedem geschlossenen Vertrag zwischen der einstigen Kolonialmacht Großbritannien und der Volksrepublik China festgelegt worden ist.

Trotz des Ausbruchs von neuen Lokalepidemien sind die Straßenproteste, die mitunter auch in Gewalt ausarten, in Hongkong abermals aufgeflammt. In den Vereinigten Staaten wurde indes ein Sanktionsgesetz auf den Weg gebracht. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass Hongkong schon vor dem Coronavirus-Ausbruch in eine Rezession geschlittert war.

Da neben dem heimischen Tourismus nun auch der Einzelhandel Hongkongs angesichts des Coronavirus-bedingten Lockdowns schwer angeschlagen ist, hat sich die Rezession noch massiv verschlimmert.

Rapide Beschleunigung des (Kapital)abzugs befürchtet

Noch lässt sich der Kapitaltransfer aus Festlandchina und Hongkong als überschaubar bezeichnen, doch sowohl Nikkei Asian Review als auch Bloomberg nehmen Bezug auf Broker vor Ort, die vor einer rapiden Beschleunigung dieser Entwicklung in den kommenden Quartalen warnen. Bei Bloomberg heißt es, dass die Konteneinlagen unter Hongkonger Banken im Monat April auf neue Rekordhochs geklettert seien. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser neuen Gelder dürfte von Kunden aus Festlandchina stammen.

Ferner verlassen immer mehr gut ausgebildete Hongkonger ihre Stadt, um ins Ausland zu gehen. Zu groß scheint die Furcht zu sein, dass die Pekinger Regierung Hongkong angesichts des zuletzt verabschiedeten Sicherheitsgesetzes unter ihre Fittiche nehmen wird. Ende Mai hatte die britische Regierung in Aussicht gestellt, bis zu drei Millionen Hongkongern den Weg zu einer britischen Staatsbürgerschaft zu ebnen, was in Peking zu Empörung und Zorn geführt hat.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Ich habe das Augenmerk meiner Berichterstattung zu Beginn der laufenden Woche einmal ganz bewusst auf die in Fernost-Asien vor sich gehenden Geschehnisse, einschließlich Hongkongs, gelegt. Der Ausblick auf einen sich intensivierenden Kapitalabzug aus China und Hongkong samt einem sich ankündigenden Brain Drain sollte angesichts der bereits im März von mir beschriebenen Lage an den Eurodollar-Märkten wohl niemand unterschätzen.

Hier befindet sich die Achillesferse Chinas, worum die Amerikaner selbstverständlich wissen. Aus meinem persönlichen Blickwinkel besteht kein Zweifel daran, dass US-Präsident Donald Trump diesen Trumpf ausspielen wird, falls seine Regierung es irgendwann für angemessen und notwendig halten sollte. Werfen Sie aus diesem Grunde weiterhin ein aufmerksames Auge auf die außenpolitischen Entwicklungen in dieser Region. Denn hier könnte in nicht allzu ferner Zeit der nächste laute Knall ertönen.

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