Den ersten Teil zu diesem Beitrag vom Donnerstag, den 29.05.2014 finden Sie hier.

Bilanzierungsrichtlinien in Japan lassen viele Freiräume

Neben der Nichtsexistenz eines Corporate Governance Kodex in Japan und der passiven, ja apathischen Haltung japanischer Aktionäre scheitert eine konsequente Durchsetzung internationaler Standards in Sachen Unternehmensführung an der Rolle der Wirtschaftsprüfungsinstitute und dem Strafmaß, welches bei bilanzbuchhalterischen und anderen finanziellen Vergehen von den drei japanischen Aufsichtsbehörden (Securities and Exchange Surveillance Commission = SESC, Financial Services Authority = FSA und Japan Exchange Group Regulation = JPXR) verhängt wird. Es sollte eingangs erwähnt werden, daß Japan die internationalen Bilanzrichtlinien (International Financial Reporting Standards = IFRS) zwar anerkennt, aber eine Bilanzierung nach IFRS nach wie vor nicht verpflichtend ist. Japanische Firmen sind verpflichtet, nach J-GAAP (der japanischen Version des US-Standards „Generally Accepted Accounting Principles“) zu bilanzieren. Eine gleichzeitige Bilanzierung nach IFRS um japanische Firmen innerhalb ihrer internationalen Vergleichsgruppe, oder „Peer Group“, besser darstellen zu können, ist nicht verpflichtend. Bisher bilanzieren von den ca. 3.300 in Tokyo notierten Firmen exakt 17 gleichzeitig nach J-GAAP und IFRS, 22 weitere haben dies vor. Das ist zur Zeit gerade mal ein halbes Prozent aller börsennotierten Firmen.

Zu dieser Gruppe gehört unter anderem: Chugai Pharma, Softbank, Rakuten, Marubeni, Sojitz, Monex, SBI Holdings, Japan Tobacco und - Nippon Sheet Glass.

Nippon Sheet Glass war eine der vier Firmen in der neueren japanischen Unternehmensgeschichte mit einem nichtjapanischen Vorstandsvorsitzenden. Die anderen drei waren: Sony (Sir Howard Stringer), Nissan (Carlos Ghosn) und Olympus (Michael Woodford). Von diesen vier ist nur noch Carlos Ghosn bei Nissan im Amt. Bezeichnenderweise fiel Craig Naylor, der auf eine lange Karriere bei DuPont zurückblicken konnte, 2012 bei Nippon Sheet Glass einer ähnlichen Intrige zum Opfer wie Michael Woodford bei Olympus ein halbes Jahr zuvor: „fundamentale Kulturunterschiede“ wurden als offizieller Grund angegeben, um den „Aussenseiter“, der erst zwei Jahre zuvor aus dem Ruhestand geholt und zum CEO bei Nippon Sheet Glass gekürt wurde, zu entmachten. Inoffizieller Grund waren Diskrepanzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in Bezug auf Pläne zur Neukapitalisierung des Unternehmens.

Das Wirtschaftsprüfungsinstitut, welches jahrelang die Abschlußberichte von Olympus ratifizierte, war KPMG, eines der „Big Four“: Ernst & Young, KPMG, Deloitte und PricewaterhouseCoopers. KPMG gab an, jahrelang keine Unstimmigkeiten in der Bilanz von Olympus erkannt zu haben und auch im Fall der 600 Millionen US-Dollar „Beratungsgebühren“ für die Übernahme von drei Briefkästenfirmen durch Olympus (wodurch jahrelange Fehlspekulationen mit Devisen während der späten 1990er Jahre verdeckt werden sollten) wurden angeblich keine Unstimmigkeiten auf Seiten der Wirtschaftsprüfer entdeckt.

KPMG wurde von der FSA mit einer sogenannten „Business Improvement Order“ belegt, ging aber ansonsten straffrei aus. Dies legt einen grundlegenden Interessenskonflikt offen: der Kontrolleur – in diesem Falle der Wirtschaftsprüfer – wird vom zu Kontrollierenden bezahlt. Das System ist ähnlich dem sogenannten Rating-System, bei dem die grossen Rating-Agenturen (z.B. S&P, Moodys und Fitch) von den zu bewertenden Unternehmen bezahlt werden.

Im Unterschied zur europäischen und amerikanischen Investmentlandschaft, in der es zumindest ab und zu noch einmal zu einem Aufschrei kommt, ist ein solcher Interessenskonflikt den japanischen Medien jedoch kaum einen Artikel wert.

 

Lächerliche Strafmaße

Als Folge aus dem Bilanzierungsskandal bei Olympus hätte der Firma eigentlich die Börsennotierung entzogen werden müssen. Der Börsenbetreiber entschied sich gegen ein sogenanntes Delisting, da die Firma weiterhin als „Going Concern“, also als im Betrieb befindlich eingestuft wurde und ein Delisting die verbleibende Olympus-Investorenbasis noch mehr geschädigt hätte. Stattdessen verhängte der Börsenbetreiber eine Strafzahlung von 10 Millionen Yen – umgerechnet ca. 100,000 Euro – für die Verletzung von Börsenregeln. Darüber hinaus verhängte die japanische Finanzaufsichtsbehörde FSA ein Strafgeld von 192 Millionen Yen (ca. 1,9 Millionen Euro).

Chuo Mitsui Asset Trust and Banking (mittlerweile zu Sumitomo Mitsui Trust Bank gehörend) wurde in einem Fall von Insiderhandel in Aktien des Energiedienstleisters Inpex im Jahre 2012 mit einer Strafzahlung von insgesamt 50.000 Yen, also ca. 500 Euro, belegt.

Chuo Mitsui Trust verdiente durch den Insiderhandel, in dem es vor einer geplanten Neuausgabe von Inpex-Aktien diese verkaufte, um sie nachher zu einem niedrigeren Preis wieder zurück zu kaufen, insgesamt 10 Millionen Yen (100.000 Euro). Die Begründung der Aufsichtsbehörde für die Verhängung eines verhältnismäßig lächerlichen Strafmaßes war, dass Inpex eine „Blue Chip-„, also eine hochliquide Aktie war. Der Portfoliomanager war sich zum Zeitpunkt des Insiderhandels keiner illegalen Aktivität bewußt und ist immer noch beim Unternehmen angestellt.

Ein prominenteres Opfer hierbei war Kenichi Watanabe, seinerzeit CEO des größten japanischen Wertpapierhändlers Nomura: Im Laufe der Ermittlungen wurde bekannt, dass die Insiderinformationen durch Nomura-Broker an die Portfoliomanager von Chuo Mitsui Trust weitergegeben wurden. Watanabe musste seinen Posten räumen und der Börsenbetreiber statuierte ein Exempel mit Bezug auf die Höhe der Strafzahlung: umgerechnet ca. 2 Millionen Euro musste Nomura als Strafe an die Tokyo Stock Exchange zahlen, das bis dahin höchste in Japan verhängte Strafmaß für Insiderhandel.

 

Pakistan besser als Japan

„Selbst Pakistan hat einen besseren Corporate Governance Code als Japan.“ sagt Nicholas Benes, Representative Director am Board Director Training Institute, einer japanischen gemeinnützigen Organisation bestehend aus CG Spezialisten, die sich zum Ziel gesetzt haben, japanische Unternehmen auch im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung ins 21. Jahrhundert zu bringen.

 

Am 23. Mai 2014 publizierte die Abteilung für „Economic Growth Policy“ der Regierungspartei LDP ein Strategiepapier, welches, sollte es in den entscheidenden Punkten in die Tat umgesetzt werden, einen Tsunami in Japans Unternehmenslandschaft hevorrufen dürfte. Hauptforderungen sind:

1. Die verbindliche Nivellierung eines „Comply or Explain“ Verhaltenskodex unter Federführung der Finanzaufischt FSA und des Börsenbetreibers JPX

2. Eine verbindliche Börsenregel zur Ernennung von mindestens zwei unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern (für börsennotierte Unternehmen)

3. Ein „Konzept, um Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder ob ihrer fachlichen Eignung zu beurteilen“

4. Eine im japanischen Konzernrecht verankerte Pflicht, mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, welches nie vorher mit der Zielfirma Beziehungen irgendeiner Art hatte

5. Die Forcierung der Abschaffung von Überkreuzbeteiligungen beziehungsweise die Pflicht zur öffentlichen Rechtfertigung auf individueller Firmenseite bei Beibehaltung dieser  Überkreuzbeteiligungen

Sollten diese Vorschläge – deren Abstimmung noch für die aktuelle Legislaturperiode angesetzt ist – angenommen werden, wäre das ein Schlag ins Gesicht der alles beherrschenden Industrielobby Keidanren und ein kleiner Sieg für „Abenomics“.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"