In den vergangenen Wochen und Monaten seit Beginn des Jahres hat sich die Euphorie über die neue Wirtschaftspolitik Japans erheblich abgekühlt und ist einer gewissen Ernüchterung gewichen. Der Nikkei, der 2013 noch um 53% zulegte (ein nominaler Zuwachs wie er seit 1972 nicht mehr gesehen wurde) und damit alle anderen weltweiten Leitindizes ausstach, hat seit Beginn des Jahres um mehr als 8% nachgegeben und ist damit zusammen mit dem Hang Seng Index in Hong Kong der am schlechtesten performende Aktienmarkt dieses Jahr.

 

Erst hoch, dann runter

 

War zur traditionellen Jahresendzeremonie des letzten Handelstages im vergangenen Jahr noch überraschend Premierminister Abe persönlich erschienen, um mit dem Brustton der Überzeugung medienwirksam und vor laufenden Kameras zu verkünden, dass auch im Jahr 2014 Japan ein „Buy“ sei, konnte der aufmerksame Beobachter schon an seiner Tonlage erkennen, dass er sich wohl eher aus Verzweiflung so kampfeslustig gab, denn aus Überzeugung.

Für den aufmerksamen Beobachter nicht überraschend rauschte denn auch der Nikkei während der ersten Handelstage 2014 in den Keller und hat sich seitdem nicht mehr erholt.

 

Umsätze sinken

 

Die bisher gelaufenen IPOs (Börsengänge) an der Tokioter Börse liefen allesamt ernüchternd bis desaströs ab: Hitachi Maxell und Japan Display (stellt die Displays für Apples iPhone her) verbuchten Wertverluste am ersten Handelstag von bis zu 15% unter IPO-Preis und haben sich von dort auch nicht mehr erholt. Neue ETFs wurden seit Jahresanfang nur von nationalen ETF-Providern aufgelegt, der internationale ETF-Anbietermarkt hält sich von Tokio derzeit fern. Alle ETFs, die seit Januar aufgelegt wurden, haben eine unterdurchschnittliche Entwicklung in der Kapitalakkumulation hingelegt. Das Gesamthandelsvolumen am Kassamarkt der TSE (Börse Tokio), welches 2013 in der Spitze noch über 6 Billionen Yen am Tag verzeichnete und im Jahresdurchschnitt bei etwa 4 Billionen Yen am Tag lag, kommt seit Januar mit viel Glück über die 2 Billionen Yen / Tag Marke.

Die Zusammenlegung der Osaka Securities Exchange und der Tokyo Stock Exchange zur Japan Exchange Group und die damit verbunden Kosteneinsparungen haben nicht dazu geführt, dass mehr Handelsvolumen oder eine größere Zahl an IPOs kreiert wurde.

 

 

Der Markt tendiert seitwärts und alle Kriegsrhetorik bringt ihn nicht wieder signifikant nach oben

 

 

Die Handelsbilanz Japans ist durch seitwärts tendierende Exportzahlen aber (durch die politisch gewollte Entwertung des Yen) explodierende Importpreise (besonders bei Rohöl) in einem desaströsen Zustand: seit Mitter der 1980er Jahre hatte Japan kein Leistungsbilanzdefizit mehr – das heißt durch den kompletten Zeitraum der als „verlorene zwei Dekaden“ bezeichneten 1990er und 2000er Jahre hatte Japan durchweg eine positive Außenbilanz – seitdem Premierminister Abe seine Reformen durchgebracht hat, haben wir eine negative Außenbilanz, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben. Analysten gehen im Anschluss von einer Umkehrung der Kapitalbilanz aus (d.h. es fließt mehr Geld aus Japan, als nach Japan kommt), und zwar schon gegen Ende 2014 bzw. zu Beginn 2015.

 

Aber es kommt schlimmer:

 

Im Paket der durch Premierminister Abe eingeleiteten Reformen befand sich seit Anfang an eine Erhöhung der Umsatzsteuer von derzeit 5% auf 8% ab dem 1. April 2014. Die letzte Mehrwertsteuererhöhung (von 3% auf 5%) fand im Jahre 1997 statt und löste eine Kaufzurückhaltung beim Konsumenten aus, wie sie nicht vorhergesehen war. Die derzeit geplante Steuererhöhung dürfte schlimmere Konsequenzen haben und zwar aus zwei Gründen: erstens findet diesmal eine prozentual höhere Steuererhöhung statt, nämlich um 3%, statt um nur 2%, wie im Jahre 1997 und zweitens hat sich das allgemeine Einkommensniveau in Japan seit 1997 dramatisch verschlechtert. Der durchschnittliche Bruttolohn ist unter 4 Millionen Yen (entspricht unter 30.000 Euro zum derzeitigen Kurs) gefallen, die Zahl der prekär Beschäftigten hat besonders unter den Jugendlichen bis 35 Jahre erschreckende Ausmaße angenommen (ein Drittel aller Japaner zwischen 25 und 35 Jahren arbeiten in prekären Verhältnissen), die Zahl der Obdachlosen (welche nicht offiziell statistisch geführt werden) hat in einem Maße zugenommen, dass man jetzt auch in den Nobelgegenden Tokios Obdachlose sieht, die in Pappkartons schlafen und sich durch Mülltonnen wühlen, selbst die Freudenhäuser in den einschlägigen Gegenden Tokios bieten jetzt angeblich Rabatte an.

 

Der Knock-Out für Abenomics

 

Die Mehrwertsteuererhöhung, welche ab 1. April in kraft treten wird, wird Abenomics den entscheidenden Schlag verpassen.

Vergeblich hat sich Abe seit Monaten darum bemüht, den Arbeitgebern in Japan Lohnerhöhungen für ihre Beschäftigten abzuringen. Einige zeigten sich generös und erhöhten die Brutto-Monatslöhne um sage und schreibe 0,5% oder in absoluten Zahlen etwa 2.000 Yen (entspricht 14 Euro). Davon kann man sich in Tokio etwa 4 BigMacs kaufen. Aus Verzweiflung will die Regierung Abe jetzt eine sogenannte Blacklist erstellen, auf der alle Firmen benannt werden sollen, die keine Lohnerhöhungen für ihre Beschäftigten durchführen. So etwas kommt Erpressermethoden der Mafia gleich. Aber hier sehen wir, mit welcher Verzweiflung die japanische Regierung plötzlich merkt, dass der schöne Plan eventuell nicht aufgehen wird.

 

Gold gefragt

 

Zu allem Überfluss fand im vergangenen Monat ein regelrechter Ausverkauf an physischem Gold in ganz Japan statt. Vor dem größten und ältesten Edemetallhändler Japans, Tanaka Kikinzoku, bildeten sich lange Menschenschlangen, die teilweise bis zu drei Stunden und mehr auf Einlass warteten, um ihre Yen gegen Edelmetall zu tauschen. Tanaka deutete bereits an, dass der Monat März 2014 in ihrer 120jährigen Geschichte derjenige Monat mit dem bei weitem höchsten Umsatzvolumen gewesen sei.

Es scheint, als dämmerte jetzt auch dem japanischen Ottonormalbürger, dass Abenomics keine gute Idee war.

Die nächsten Monate dürften spannend werden.

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