Dirk Müller ging in seinem gestrigen Beitrag bereits auf die jüngsten Interview-Aussagen des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, ein, um sich mit dessen Ausführungen kritisch auseinanderzusetzen.

Inzwischen scheint angesichts der damit verbundenen Forderungen von Herrn Kretschmann auch die deutsche Mainstream-Presse wach zu werden, etwa dann, wenn Focus-Herausgeber Helmut Markwort zu diesem Thema wie folgt titelte:

Vielleicht nicht von ungefähr und nicht völlig aus heiterem Himmel, beginnen sich in der vor allem unter Briten und Deutschen beliebten Urlaubsnation Spanien recht ähnliche Tendenzen abzuzeichen.

Spanisches „Mobilisierungs- und Sicherheitsgesetz“ würde Verfassungsrechte temporär aushebeln

So berichtete die renommierte spanische Tageszeitung El Pais vor wenigen Tagen über ein äußerst alarmierendes Szenario, in dessen Zuge die spanische Zentralregierung in der Hauptstadt Madrid über die potenzielle Verabschiedung eines nationalen „Mobilisierungs- und Sicherheitsgesetzes“ sinnieren würde.

Sollte es tatsächlich jemals zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes kommen, sähen sich die Bürger und Bürgerinnen des Landes fortan dazu gezwungen, im Fall eines Ausbruchs von möglichen Zukunftskrisen oder Notsituationen, welche die öffentliche Gesundheit des Landes betreffen, „temporär“ auf deren Verfassungs- und Freiheitsrechte zu verzichten.

Aus dem Rückspiegel der Ereignisse heraus betrachtet, ist es im bisherigen Verlauf der Coronavirus-Pandemie mancherorts schon genau hierzu gekommen. In Deutschland steht beispielsweise das durch die Mitglieder des Bundestags verabschiedete und zeitlich verlängerte Infektionsschutzgesetz inzwischen in übergeordneter Form über dem nationalen Grundgesetz.

Öffentliche Gesundheit würde zur Frage der „Nationalen Sicherheit“

Mit Blick auf Spanien ist es nun zu ersten Vorschlägen in Bezug auf die Ausarbeitung eines nationalen „Mobilisierungs- und Sicherheitsgesetzes“ gekommen. In diesem Zuge würden in der Zukunft alle die öffentliche Gesundheit potenziell betreffenden Fragen auf die Ebene der „Nationalen Sicherheit“ des Landes verlagert, wie es in dem Bericht von El Pais heißt.

In einzelnen Auszügen übersetzt, wird in dem Bericht von El Pais darüber berichtet, dass sich jeder volljährige Bürger und jede volljährige Bürgerin Spaniens dazu verpflichtet sähen, den durch die zuständigen Regierungsbehörden eingeforderten Individualobligationen unter Bezug auf die Richtlinien des Nationalen Sicherheitsrats Folge zu leisten, sie zu erfüllen und ihnen nachzukommen.   

Dies gelte vor allem dann, wenn es in Spanien zukünftig zur Ausrufung eines Krisenzustands kommen sollte. In einem solchen Fall müssten alle Bürger und Bürgerinnen des Landes den behördlichen Anordnungen und Anweisungen ohne Ausnahme Folge leisten. Die im Bericht von El Pais getätigten Ausführungen bleiben inhaltlich zwar relativ vage, doch es lässt sich damit rechnen, dass Regierungsbehörden im Fall der Verabschiedung eines solchen Gesetzes in der Zukunft wohl nichts mehr grundsätzlich verboten wäre.

Diese Vermutung bezieht sich insbesondere auf eine potenziell massive Verankerung des (staatlichen) Einflusses der zuständigen Regierungsbehörden auf das Privatleben der Bürger und Bürgerinnen des Landes in der möglichen Ausarbeitung des zuvor erwähnten Gesetzes.

Staatliche Eingriffe in das Privatleben – und die temporäre Aussetzung von Grundrechten – würden durch die Verabschiedung eines solchen Gesetzes also legitimiert. Wann immer es in der Zukunft zum Ausbruch einer nationalen Krise in Spanien kommen sollte, sähen sich die Behörden des Landes dazu ermächtigt, de facto zu machen, was sie wollen, was aus heutiger Sicht selbstverständlich nur dann gelten würde, falls es auch tatsächlich zur Verabschiedung des zuvor erwähnten Gesetzes kommen sollte.

Befristung der Maßnahmen wären fraglich & Protest zwecklos

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass in einem solchen Fall schon eine Gesundheitskrise nach Art von Corona oder eine ähnliche Entwicklung ausreichen würde, um die Verfassungs- und Freiheitsrechte zeitlich außer Kraft zu setzen. Die sich automatisch in diesem Kontext stellende Frage lautet: Wie lange wäre es der Madrider Regierung erlaubt, die Verfassungs- und Freiheitsrechte der Bürger und Bürgerinnen des Landes außer Kraft zu setzen?

Wahrscheinlich läge diese kardinale Entscheidung ab diesem Zeitpunkt voll und ganz im jeweiligen Ermessen der Regierungsbehörden, sodass gerichtliche Eingaben und Protest jeder Art unter aller Voraussicht schon von vornherein völlig sinn- und zwecklos wären.    

Über Gesundheitskrisen hinaus gibt es zudem nur wenige oder überhaupt keine Faktoren, mittels deren Einsatzes sich klare Grenzen dafür festlegen ließen, was für ein Ereignis aus rechtlicher Perspektive eine solche Krise heraufbeschwören, geschweige denn darstellen würde.

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie ließ sich die Beobachtung machen, dass es bereits eine Reihe von Ländern in Europa gegeben hat, und darüber hinaus auch im Ahornland Kanada, in denen Regierungsbeamte in wesentlichen Dingen und Abläufen bereits weitreichende Befugnisse für sich in Anspruch genommen haben, um die dortigen Bürger und Bürgerinnen zu teils schwerwiegenden Anpassungen an bestimmte Handlungsvorgaben zu zwingen.

Jede Form des Eigentums kann außer Kraft gesetzt werden – Entschädigung wird versichert

Aus aktueller Sicht erweckt es den Eindruck, als ob sich Spanien nicht nur als Vorreiter gibt, sondern ein solches Szenario fortan dauerhaft gesetzlich zu verankern gedenkt. Jeder Einzelne sollte sich in einer ruhigen Minute einmal Gedanken darüber machen, wie weit Vorschläge dieser Art, über die zuletzt auch Herr Kretschmann öffentlich gesprochen hat, tatsächlich gehen, und welche gesellschaftlichen Konsequenzen mit einem solchen Vorgehen verbunden wären.

Im Bericht von El Pais heißt es beispielsweise weiter, dass – gesetzt den Fall der offiziellen Ausrufung eines nationalen Krisenzustands durch die spanische Regierung – es automatisch zu einer „Situation von Interesse aus Sicht der Nationalen Sicherheit des Landes“ ( so die voraussichtliche gesetzliche Bezeichnung) kommen würde, worauf Regierungsbehörden unter anderem auch mittels schwerwiegenden Interventionen und einer provisorischen Besetzung oder Beschlagnahmung jeder Form von Eigentum reagieren könnten.

Darüber hinaus könnte es zu einer Verabschiedung von offiziellen Anordnungen kommen, in deren Zuge jede Art von Aktivität unterbunden würde – auch unter Strafandrohung. Die Befürworter einer solchen Gesetzgebung unternehmen zurzeit den Versuch, der spanischen Öffentlichkeit zu versichern, dass es im Fall von solchen Extremszenarien schlussendlich zu finanziellen „Entschädigungen“ durch die Madrider Regierung zugunsten der Betroffenen kommen würde.

Freiheitliche Grundordnung ist nicht kompatibel

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass jeder in politischer Verantwortung stehenden Regierung in der Zukunft weitreichende, ja eigentlich schon uneingeschränkte Befugnisse zufielen, falls es auf Grundlage der Ausrufung einer nationalen Krisensituation zu einem solchen Szenario kommen sollte.

Jedermann braucht sich einfach nur einmal die mehr als hitzig geführten Diskussionen über den Erlass von Vorschriften zum Tragen von Gesichtsmasken im Freien – und somit an der frischen Luft – in Erinnerung zu rufen. Der aufkommende Widerstand gegen Vorschriften dieser Art scheint unter Berücksichtigung von inzwischen veröffentlichten Studien nicht nur verständlich, sondern auch nachvollziehbar zu sein.

Sollte es in Spanien allerdings zu einer Gesetzesverabschiedung – zu welchem Zeitpunkt auch immer – kommen, könnten Regierungsbehörden aufmüpfige Bürger und Bürgerinnen in der Zukunft als „militarisierte“, „extremistische“ oder „fanatische“ Individuen betrachten, gegen die es vorzugehen und die es unter Umständen einzusperren gilt.

Was haben solche politischen Pläne überhaupt noch mit unserer seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gültigen Rechtsordnung und der freiheitlichen Grundordnung der westlichen Nationen zu tun?  

In den Ausführungen von El Pais wird Bezug auf Artikel 30 der spanischen Landesverfassung genommen, in dem es heißt, dass die Bürger und Bürgerinnen des Landes dem individuellen Recht und der individuellen Pflicht unterlägen, das spanische Heimatland zu verteidigen.

Verteidigung der Heimat – auch juristische Personen nicht ausgeschlossen!

Es haben somit nicht nur alle Bürger und Bürgerinnen des Landes das individuelle Recht und die individuelle Pflicht, diesem Verfassungsgrundsatz Folge zu leisten, sondern vielmehr sind auch Unternehmen und juristische Personen hiervon keineswegs ausgenommen.

Danach gelte es, in Krisenfällen und Notsituationen mit den Behörden der Regierung zu kooperieren und zusammenzuarbeiten, um solche Krisen- und Notsituationen, gegebenenfalls auch unter Aufwendung von persönlichen und materiellen Leistungen, zu bekämpfen und zu überwinden.

In Artikel 30 der spanischen Landesverfassung ist auch die allgemeine Wehrpflicht, die sich in Spanien seit dem Jahr 2001 ausgesetzt sieht, geregelt. Auf den Paragraph 2 dieses Artikels, in dem die militärischen Verpflichtungen der Bürger und Bürgerinnen zur Landesverteidigung festgelegt sind, scheint das geplante Gesetz jedoch nur bedingt Bezug zu nehmen.

Vielmehr rückt hier Paragraph 4 dieses Artikels in den Fokus, dessen Inhalt die individuellen Pflichten der Bürger und Bürgerinnen des Landes im Fall eines Ausbruchs von Katastrophen, schwerwiegenden Gefahren oder öffentlichen Notsituationen und Unglücken regelt.  

Kritiker des möglicherweise auf den Weg zu bringenden Gesetzes sind der Ansicht, dass die Medien im Fall eines Ausbruchs von solch potenziellen Notsituationen sich dazu verpflichtet sähen, zumindest zeitweise in Einklang mit der vorgegebenen Staatsräson zu berichten oder sich temporär dieser Staatsräson unterzuordnen.

Große Medien als Organ der Staatspropaganda & Abstimmung mit den Füßen

Es stellt sich automatisch die Frage, inwiefern es sich bei einer solchen Berichterstattung überhaupt noch um eine freie Berichterstattung handeln würde - ganz zu schweigen von einer kritischen Berichterstattung. Große Medien würden in einem solchen Fall lediglich zu einem verlängerten Arm der offiziellen Staatspropaganda degradiert werden.

Doch wie ließen sich zukünftige Krisen meistern und überwinden, wenn es nur noch eine offiziell vorgeschriebene Denk- und Handlungsanweisung seitens der staatlichen Stellen geben würde?

Insbesondere in Krisen- und Notzeiten braucht es einen verstärkten Diskurs und facettenreiche Debatten, um sich auf die womöglich bestmögliche Gangart im Hinblick auf eine Bewältigung von solchen Krisen und Notsituationen gesellschaftlich zu einigen.

Hat nicht das abschreckende Beispiel des DDR-Staats gezeigt, dass sich „Konsens“ nicht von Top-Down (und somit von oben) verordnen lässt? Wenn dem so wäre, weswegen wurde dann eine Mauer gebaut, die West- und Ostberlin und die ehemaligen beiden deutschen Staaten und ihre Bevölkerungen über fast drei Jahrzehnte voneinander separierte?

Die Antwort lautet: Weil die DDR ab einem bestimmten Zeitpunkt ansonsten wahrscheinlich über keine Bevölkerung mehr verfügt hätte. Wenn es den Menschen zu bunt wird, stimmen sie irgendwann einfach mit den Füßen ab. Auch hierin – im Fall der ehemaligen DDR in Form der Staatsflucht – spiegelt sich beispielsweise ein verstärkt aufkommender Widerstand unter der Bevölkerung gegen absurde Doktrinen der staatlichen Regierungsbehörden.

Kritiker der potenziellen Gesetzgebung sind unter Bezugnahme auf El Pais der Auffassung, dass in Spanien die Gefahr einer offiziellen Unterordnung der freien Medien unter die Doktrin der Staatsregierung drohen würde – ohne irgendetwas dagegen unternehmen zu können.

Denn alle Ereignisse, welche die Nationale Sicherheit des Landes betreffen, können de facto im Lichte eines Kriegszustandes bewertet werden – oder offiziell zu einem solchen Zustand durch die Regierung erklärt werden.

Medien würden zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet

Beispielsweise sollen die Gesetzespläne in Spanien vorsehen, die landesweiten Medien dazu zu verpflichten, in solch potenziellen Krisen- und Notsituationen mit den jeweils zuständigen Behörden der Regierung zusammenzuarbeiten.  

Doch auf welche Weise können Medien ihrer Aufgabe, neben der Exekutive, Legislative und Judikative als vierter Grundpfeiler von demokratischen Systemen zu fungieren, gerecht werden, wenn ihre Redaktionen sich in der Zukunft möglicherweise offiziell dazu verpflichtet sehen, mit den Regierungsbehörden „zusammenzuarbeiten“ anstatt auf kritische Weise über das alltägliche Regierungsgeschehen zu berichten?

Die eigentliche Aufgabe der Medien würde praktisch auf den Kopf gestellt. Seit Jahresbeginn legen zum Beispiel regelmäßig durchgeführte Umfragen in den Vereinigten Staaten Zeugnis darüber ab, auf welch rasante Weise die Glaubwürdigkeit der heimischen Medien von einem Rekordtief zum nächsten taumelt. In vielen Nationen Europas sieht dies keineswegs anders aus.

Spanien als Vorreiter für Resteuropa?

Um zu den Gesetzesplänen in Spanien zurückzukehren, so soll der finale Gesetzentwurf auch einen Passus enthalten, der verschiedene Maßnahmen ermöglichen würde, um die Entstehung von Engpässen und Produktknappheit im Fall eines Krisenausbruchs – nach Vorbild der aktuellen Corona-Krise – zu vermeiden.     
 
Um einer zukünftigen Krise besser zu begegnen, dürfe es keinesfalls mehr zu Engpässen oder Lieferschwierigkeiten in Bezug auf kritische Güter kommen. Unter Bezugnahme auf El Pais seien die aktuellen Gesetzespläne erstmals im Rahmen einer Ministerratssitzung am 22. Juni präsentiert und vorgestellt worden.  

Unter Kritikern besteht keinerlei Zweifel daran, dass – insofern es in Spanien tatsächlich zu einer Verabschiedung eines solchen Gesetzes, mittels dessen die Befugnisse der Regierung zukünftig massiv ausgeweitet würden, käme – auch andere europäische Staaten auf eine recht schnelle Weise diesem Beispiel folgen könnten, um in Spaniens Fußstapfen zu treten.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Vielerorts heißt es zurzeit bereits, dass die Gesellschaften besser und effizienter auf einen Ausbruch der nächsten Gesundheits- und Pandemiekrise vorbereitet sein müssten als dies in Bezug auf die Corona-Krise, die noch immer nicht vorbei ist, der Fall gewesen sei.

Warum wird jetzt bereits – unter Einbeziehung der Medien – in diese Richtung getrommelt? Schließlich verfügt niemand über eine Glaskugel, mittels der sich ein Blick in die Zukunft werfen lassen würde.

Warum kommt es zu einer Verstetigung des Schürens von nicht greifbaren Ängsten unter den Bevölkerungen? Um erfolgreich zu sein, braucht es keine Angst, sondern Mut! Machen Sie sich hierüber bitte Ihre eigenen Gedanken.

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