In Großbritannien beginnt sich ein Sturz von Regierungschefin Theresa May abzuzeichnen. Die aktuellen Parteirichtlinien der konservativen Tories sehen vor, dass es zu einem Votum über die Regierungsführung nur jeweils einmal innerhalb von zwölf Monaten kommen darf.

Premierministerin May überlebte ein gegen ihre Führung parlamentarisch eingebrachtes Misstrauensvotum im Dezember letzten Jahres knapp. Nun wollen die Tories ihre eigene Parteisatzung ändern, um ihre aufgrund des Brexit-Alptraums ungeliebte Regierungschefin aus dem Amt zu jagen.

Es soll in diesem Zuge in der Zukunft erlaubt sein, mindestens zwei Abstimmungsvoten über die Regierungsführung pro Jahr anzusetzen, falls dies notwendig werden sollte. Es würde sich hierbei um die Einbringung eines parteiinternen Misstrauensvotums handeln, an der nur Tory-Mitglieder teilnahmeberechtigt wären.

Sollte die parteiinterne Abstimmung gegen die amtierende Regierungsführung ausfallen, würde es den Tory-Mitgliedern in der Folge obliegen, einen neuen Regierungschef oder eine neue Regierungschefin zu ernennen. Die politische Opposition wie Labour oder Liberal Democrats (Lib Dems) wären von diesem Prozess ausgeschlossen.

Das Komitee 1922 der Tories befasst sich momentan mit der Frage, ob die parteiinternen Regeln geändert werden sollen, um unter den eigenen Mitgliedern eine neue Abstimmung über die politische Zukunft von Theresa May anzusetzen. In die Hände spielen würde den Tories, dass solch eine angestrebte Regeländerung nicht gegen die parteiinterne Satzung der Partei verstoßen würde.

Neue Studien und Umfragen deuten darauf hin, dass die Tories im Zuge der nächsten Wahlen bis zu weitere 41 Sitze im Unterhaus einbüßen würden. Gleichzeitig würden Labour, die Lib Dems und die SNP von dem Aderlass der Tories profitieren. Aktuelle Pläne des speziell einberufenen Tory-Komitees sehen vor, bereits sechs Monate nach einem Misstrauensvotum eine weitere Abstimmung abhalten zu dürfen.

Käme es zu einer Einigung und parteiinternen Satzungsänderung müsste sich Theresa May voraussichtlich kurz nach den Europa-Wahlen gegenüber den eigenen Parteimitgliedern ein weiteres Mal stellen und um ihr Amt bangen. Um das Abhalten von exzessiven Voten über die Regierungsarbeit im Turnus von allen sechs Monaten zu verhindern, müssten im Vorfeld eines parteiinternen Misstrauensvotums mindestens 94 Tory-Abgeordnete dafür gestimmt haben.

Trotz allem würde die Schwelle zur Einbringung eines Misstrauensvotums von momentan 48 Prozent aller Abgeordneten auf nur noch 30 Prozent sinken. Ein Komitee-Mitglied erklärte gegenüber dem britischen Telegraph, dass sich die politischen Positionen innerhalb der Partei über die Osterferien weiter verhärtet hätten.

Was den Tory-Abgeordneten bitter aufstößt, ist der kalte Wind, der vielen Parteimitgliedern im Angesicht der anstehenden Kommunalwahlen unter den Wählern ins Gesicht bläst. Aus diesem Grunde solle die parteiinterne Satzung geändert werden. Nochmals sei an dieser Stelle gesagt, dass es sich um ein rein parteiinternes Misstrauensvotum handeln würde.

Der Rest des Parlaments wäre hiervon ausgeschlossen. Verliert eine Regierungsführung im Zuge eines parlamentarischen Misstrauensvotums die Abstimmung, würde es im der Folge zu Neuwahlen im Land kommen. Den Hardlinern in der Tory-Partei stößt zudem bitter auf, dass Theresa May nun Labour-Chef Corbyn in die Verhandlungen über ein Brexit-Abkommen mit einbezogen hat.

Unter den meisten Tories ist Corbyn als absoluter und unbelehrbarer Sozialist verschrien, mit dem es zu keinen Kompromissen kommen dürfe. Sollten die Tories ihre Premierministerin im Zuge einer Satzungsänderung und darauffolgenden Abstimmung über Theresa Mays Zukunft aus dem Amt kegeln, könnte ein neu zu ernennender Premier den nun zwischen May und Corbyn ausgehandelten Brexit-Deal wieder einkassieren.

An dieser Stelle sei allerdings hinzugefügt, dass die Gespräche zwischen May und Corbyn bislang ohnehin nicht sonderlich gut voranzukommen scheinen. Deutlich wird, dass auf einen parteiinternen Sturz von Theresa May ein Hard-Brexiteer wie Boris Johnson im Amt des Premiers nachfolgen könnte. Wie dem auch sei, ein Brexit-Deal – gleich welcher Art – wird nach wie vor eine Mehrheit unter den Parlamentsabgeordneten benötigen, um in Kraft zu treten.

Die Fallstricke werden bereits jetzt deutlich sichtbar. Angenommen, Boris Johnson würde neuer Premierminister Großbritanniens werden, dann wäre durchaus damit zu rechnen, dass Labour-Chef Corbyn sich nicht lange bitten lassen würde, um ein Misstrauensvotum gegen Johnson ins Parlament einzubringen. Die Folgen ließen sich nicht abschätzen.

Es könnte der Fall sein, dass genügend Tory-Abgeordnete gegen die eigene Partei stimmen würden, um Johnson so schnell wie möglich loszuwerden. Unter den Tisch fallen darf im Angesicht solcher Spekulationen jedoch auch nicht, dass mehr als ein Drittel aller Labour-Abgeordneten ebenfalls für einen Ausstieg aus der Europäischen Union votiert.

Aus diesem Grunde könnte es auch der Fall sein, dass Labour einen Hardliner wie Johnson solange unterstützen würde, bis der Brexit endlich zur Realität geworden sein wird. Sollte es in diesem Zuge zu einem Hard Brexit – und dem Verlassen U.K.s ohne einen Deal – kommen, könnte sich Labour diese Entwicklung zum Anlass nehmen, um einen Hardliner wie Johnson per Misstrauensvotum aus dem Amt zu kegeln und in der Folge selbst politisch zu profitieren.

Für den Moment wurde Großbritannien seitens der EU ein Brexit-Aufschub bis zum 31. Oktober versprochen. Es ist also eine ganze Menge, was bis zu diesem Datum in U.K. noch geschehen könnte. Darauf deutet auch hin, dass die schottische Führung nun eine erneute Abstimmung über das Unabhängigkeitsvotum von U.K. abzuhalten gedenkt, um zukünftig Teil einer gemeinsamen Zollunion mit der EU zu bleiben.

Auch Jeremy Corbyn sinnt auf den Verbleib in einer gemeinsamen Zollunion. Allerdings will dies wiederum eine Mehrheit seiner eigenen Labour-Partei nicht – und die Tories schon gar nicht. Verflixt kompliziert, wie sich die Dinge auf der Insel gerade darstellen. Ob sich der Knoten irgendwann wird entwirren lassen, muss aus aktueller Sicht stark bezweifelt werden.   

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