Bis zur vergangenen Woche hatten sich die Entwicklungen in Osteuropa und rund um die Ukraine deutlich verschärft, nachdem klar wurde, dass die Moskauer Staatsführung und Russlands Staatspräsident Wladimir Putin der NATO und den USA nicht klein beigeben würden, sondern vielmehr auf jenen dem Westen zuvor eigens in den Sand gezogenen „roten Linien“ zu beharren.

Wer ist der eigentliche Aggressor?

Zuerst ist da einmal der womögliche Truppenaufmarsch der Ukraine am Rande der Donbass-Region zu erwähnen, vor dem die Moskauer Führung gewarnt hat, der in westlichen Medien jedoch nicht nur kein Echo fand, sondern vielmehr mit dem Vorwurf des Truppenaufmarschs von russischen Militärkräften unweit der ukrainischen Ostgrenze beantwortet wurde.

Beruft sich der Moskauer Kreml darauf, dass es sich mittlerweile um rund die Hälfte der ukrainischen Armee, heißt also bis zu 125.000 Soldaten, mit dem Ziel eines potenziellen Rückeroberungsversuchs des von der Ukraine abtrünnigen Ostteils des Landes handeln soll, welche Kiew in der Region zusammengezogen habe, heißt es in westlichen Medien nun schon wieder seit vielen Wochen, dass Russland eine Invasion in der Ukraine planen würde.

Ferner wird die Kiewer Regierung bereits seit der Amtszeit von Präsident Donald Trump in einem zunehmenden Ausmaß mit amerikanischen Waffensystemen beliefert, wodurch das militärische Kräfteverhältnis in der Region mittel- bis langfristig zulasten der Russischen Föderation und der Separatisten in der Donbass-Region verschoben werden könnte.

Als dann innerhalb der NATO auch noch offen darüber sinniert wurde, womöglich Nuklearraketen im Osten Europas zu stationieren und westliche Truppen in die Ukraine zu verlegen, schienen im Moskauer Kreml alle Alarmlampen angegangen zu sein.

Erst vor Kurzem hieß es in einem Bericht auf der Seite der IB Times, dass in der Donbass-Region auf Seiten der ukrainischen Kampfverbände inzwischen amerikanische Anti-Panzer-Abwehrraketen des Typs Javelin zum Einsatz kommen würden.

Die eigens in Betracht gezogenen Pläne der NATO und der USA scheinen durch die westliche Presse als eine Art präventive „Abwehrreaktion“ in Bezug auf eine möglicherweise drohende Invasion der Russischen Föderation in der Ukraine, die seitens des Moskauer Kremls in den letzten Monaten wiederholt dementiert worden ist, verschleiert worden zu sein.

Es stellt sich wie immer die Frage, wer von beiden Seiten der tatsächliche Aggressor sein mag, was in der vergangenen Woche in der medialen Verlautbarung gipfelte, die Russische Föderation im Fall einer militärischen Intervention in der Ukraine vom Informationssystem SWIFT abkoppeln zu wollen.

SWIFT-Abkopplung: Russland ist vorbereitet

Über den Verlauf der vergangenen Jahre hatte ich mehrfach darüber berichtet, dass Russland bereits vor geraumer Zeit ein eigenes Interbanken-Informationsnetzwerk ähnlicher Art entwickelt hat, um auf ein solches Drohszenario adäquat vorbereitet zu sein.

Bezug auf eine Reihe von Testläufen in der Vergangenheit nehmend, funktioniere dieses System laut der russischen Regierung einwandfrei, weshalb abzuwarten bleibt, ob es angesichts einer sich durch den Westen angedrohten Verschärfung der bis dato bestehenden Wirtschaftssanktionen gegenüber der Russischen Föderation zu einer solch dramatischen Eskalationsverschärfung tatsächlich kommen wird oder nicht.

Biden rudert zurück…

Jedenfalls war es am Mittwoch letzter Woche zu einem virtuellen Gipfel-Gespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und Wladimir Putin gekommen, wonach Joe Biden offiziell bekannt gegeben hatte, von einer potenziellen Entsendung amerikanischer Truppen in die Ukraine Abstand nehmen zu wollen.

Solche Überlegungen, so Joe Biden, „liegen nicht auf dem Tisch“. Ferner teilte Joe Biden mit, dass die Ukraine kein Mitglied der NATO sei, weshalb die Kiewer Regierung auch nicht über irgendwelche Sicherheitsgarantien seitens der Vereinigten Staaten oder anderen NATO-Mitgliedsländern verfüge.

Da es sich im Fall der Ukraine nicht um ein NATO-Mitglied handele, bestünde seitens der NATO hinsichtlich der Ukraine auch keine Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Paktes.

Diese Aussagen von Joe Biden hörten sich in manchen Punkten doch recht stark nach einem Zurückrudern an, was nach dem im August zu beobachtenden Afghanistan-Debakel der USA und der NATO weder in Kiew noch im taiwanesischen Taipeh mit Wohlwollen vernommen worden sein dürfte.

…und mahnte gleichzeitig

Nichtsdestotrotz warnte Joe Biden sein russisches Pendant Wladimir Putin davor, mit eigenen Truppen in den Osten der Ukraine einzufallen. Sollte es hierzu kommen, so würden die USA und deren westliche Partner nicht davor zurückschrecken, die (Wirtschafts-)Sanktionen gegen die Russische Föderation auf eine ganz massive Weise zu verschärfen.

Gleichzeitig werde es in einem solchen Fall zu einer Entsendung von mehr NATO-Truppen an die Ostflanke des militärischen Nationenpaktes, somit in Länder, die direkt an Russland angrenzten, kommen. Ferner würden die amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine dann gewiss auch noch einmal erhöht und ausgeweitet.

Seitens Wladimir Putins hieß es hierzu, dass der Moskauer Kreml mit der Washingtoner Regierung in einem Dialog bleiben wolle, um jene sich zuletzt ausweitenden Spannungen abzubauen. Nichtsdestotrotz beharrt Wladimir Putin seinerseits auf der Forderung nach einer verbindlichen Abgabe von Garantien durch die NATO.

Putin: Keine weitere NATO-Osterweiterung

Die NATO müsse sich, so Wladimir Putin, verbindlich darauf festlegen, in Europa oder dem Kaukasus nicht mehr weiter nach Osten bis an Russlands Staatsgrenzen zu expandieren. Eine Stationierung von westlichen Raketen in der Ukraine seien aus russischer Sicht ein absolutes Tabu.

Einmal mehr wies Wladimir Putin Berichte in westlichen Medien über eine bevorstehende Invasion des russischen Militärs in der Ukraine weit von sich, derlei Berichte als „reine Provokation“ bezeichnend.

Am Montag letzter Woche hatte selbst der amerikanische CIA-Direktor William Burns offen zugegeben, dass die US-Geheimdienste nicht mit einer geplanten Invasion der Russischen Föderation in der Ukraine rechneten.

Die Nachrichtenagentur Associated Press nahm in der letzten Woche Bezug auf eine namentlich nicht genannte Quelle, laut der hochrangige Vertreter des amerikanischen Außenministeriums gegenüber der Kiewer Regierung inzwischen mitgeteilt haben sollen, dass es innerhalb der nächsten zehn Jahre sehr wahrscheinlich nicht zur Aufnahme der Ukraine in das NATO-Bündnis kommen werde.

Politische Beobachter interpretierten diese Meldung in Form eines Deeskalationsversuchs in Bezug auf die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation über die Entwicklungen in der Ukraine.

Ukraine reagiert kontrovers

Vielmehr nahm Associated Press ebenfalls Bezug auf Offizielle der Biden-Administration, die mitgeteilt hätten, in der Zukunft mehr politischen Druck auf die Ukraine ausüben zu wollen, um den Separatisten in der ostukrainischen Donbass-Region einen Status der Autonomie zu verleihen.

Zu einem solchen Schritt hatte sich die Kiewer Regierung bereits im Jahr 2014 unter Berücksichtigung des Minsker Abkommens bereit gezeigt. Wie kaum anders zu erwarten, lassen sich die Reaktion in der Ukraine auf das zwischen Joe Biden und Wladimir Putin stattgefundene Gespräch trotz allem als höchst kontrovers bezeichnen.

So forderte beispielsweise der ehemalige Chef der ukrainischen Sicherheitsdienste, Igor Smeshko, den Aufbau eines weitläufigen Atomraketenarsenals in der Ukraine, um im Krieg mit der Russischen Föderation siegreich sein zu können. In einem Interview gegenüber dem Sender Ukraine 24TV kritisierte Igor Smeshko das Ausbleiben von Unterstützung durch „die angeblichen Freunde der Ukraine aus dem Westen“.

Ohne eine solche Unterstützung werde es dem eigenen Land nicht möglich sein, sich gegen die Aggressionen der Russischen Föderation zur Wehr zu setzen. Würde sein Land über das drittgrößte Atomarsenal der Welt, mehr als eine Millionen Soldaten unter Waffen sowie eine strategisch einsetzbare Luftwaffe verfügen, so Igor Smeshko, würde es der Ukraine ohne eine Unterstützung des Westens möglich sein, sich selbst adäquat zu verteidigen.

Ich überlasse es jedermann selbst, darüber nachzudenken, was Waffensysteme dieser Art in den Händen der Kiewer Regierung anrichten könnten. Ganz andere Töne stimmte hingegen der ukrainische Staatspräsident Wolodymir Zelensky nach dem Gespräch zwischen Wladimir Putin und Joe Biden an.

Zelensky schließt Referendum nicht mehr aus

Am vergangenen Freitag hatte Zelensky unter Bezugnahme auf einen Bericht des russischen Senders RT.com gegenüber dem Kiewer Fernsehsender 1+1 erklärt, dass er ein abzuhaltendes Referendum über den zukünftigen Status der beiden abtrünnigen Republiken Donetsk und Lugansk im Osten der Ukraine nicht mehr ausschließen wolle.

Auch gegenüber auf einer Aufnahme von direkten Gesprächen zwischen den Staatsführungen der Ukraine und der Russischen Föderation habe sich Zelensky aufgeschlossen gezeigt. Zuvor hatte Zelensky ein Telefongespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geführt.

Er wolle, so Zelensky, das Abhalten eines Volksreferendums über den zukünftigen Status der Donbass-Regionen als auch unter Umständen der Halbinsel Krim nicht mehr ausschließen, um jenen mit der Russischen Föderation anhaltenden Krieg auf eine solche Weise vielleicht zu beenden. Laut Zelensky gäbe es für eine Aufnahme von direkten Gesprächen zwischen ihm und Wladimir Putin einige Unterstützung seitens der europäischen Partner als auch der USA.

Auch in den USA sind die Reaktionen gespalten

Auch in den Vereinigten Staaten wurde das Gespräch zwischen Joe Biden und Wladimir Putin erwartungsgemäß kontrovers diskutiert. „Rote Medien“ nutzten die sich daran anschließende Erklärung von Joe Biden, um das Weiße Haus und den US-Präsidenten frontal zu attackieren.

So nahm beispielsweise der Sender FoxNews Bezug auf Aussagen von Larry Kudlow, dem obersten Wirtschaftsberater der Trump-Administration. Danach habe Wladimir Putin alles bekommen, was dieser sich insgeheim gewünscht und erhofft habe.

Auf der Seite von USNews hieß es, dass amerikanische Regierungsoffizielle vorgeschlagen hätten, die Biden-Administration mehr politischen Druck auf die ukrainische Regierung ausüben zu lassen, um den abtrünnigen Donbass-Republiken zukünftigen einen Autonomie-Status innerhalb der Ukraine zu gewähren. Interpretiert wurden diese Entwicklungen in „roten Medien“ ganz im Sinne einer Niederlage Joe Bidens, die zuvor bereits zu erwarten gewesen wäre.

Auch Larry Kudlow warnte davor, dass Joe Biden sich den politischen Forderungen von Wladimir Putin vollumfänglich gebeugt habe.

Bereits im Monat Juli hieß es auf der Seite von msn.com unter Bezugnahme auf eine Publikation des Washington Examiner, dass die Administration von Joe Biden Wladimir Putin unter Berücksichtigung einer Aufgabe des eigenen Widerstandes gegen eine zukünftige Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ein multi-milliarden-teures US-Dollar-Geschenk gemacht habe.

Wie dem auch sei, jetzt, da Annalena Baerbock das Amt der deutschen Außenministerin übernommen hat, könnte eine Inbetriebnahme dieses Mega-Projekts noch aufgrund von diametral gegenläufigen Ideologiesichtweisen oder schlichtweg eigenen Unvermögens gar in deutschen Landen scheitern.

Dass es keineswegs leicht zu sein scheint, es den europäischen Partnern der USA Recht zu machen, zeigen beispielsweise auch die sich an Joe Bidens und Wladimir Putins Gespräch anschließenden Reaktionen unter einer Reihe von europäischen NATO-Partnerländern der Vereinigten Staaten.

Hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow noch vor Kurzem verkündet, dass die Beziehungen zwischen seinem Land und der NATO nicht schlecht seien, weil es schlichtweg keine Beziehungen zwischen Russland und der NATO mehr gäbe, so hatte eine durch Joe Biden schon bald in Aussicht gestellte Wiederbelebung der Gespräche zwischen den Spitzen der NATO-Führung und Russlands für Entsetzen in einigen osteuropäischen Ländern gesorgt.

Baltische Staaten haben ihre ganz eigene Sicht

In einem Bericht auf der Seite von Bloomberg hieß es hierzu, dass es insbesondere seitens der baltischen Staaten, somit also Estland, Lettland und Litauen, herbe Kritik an solchen Plänen gehagelt habe.

Dies mag unter anderem der Tatsache geschuldet sein, dass den kleineren NATO-Partnern keine Teilnahme an diesen Gesprächen – entgegen den großen Partnerländern in Westeuropa – gewährt werden solle.

Die estnische Premierministern Kaja Kallas kritisierte, dass die Russische Föderation keinen Einfluss darauf ausüben dürfe, welche Staaten innerhalb der NATO den Ton angäben. Laut Kaja Kallas sei es Wunsch und Ziel des Moskauer Kremls, den europäischen Kontinent in verschiedene Einflusssphären zu spalten.

Anhand der eigenen Historie erinnere sich Estland nur zu gut daran, auf welche Weise solche Versuche der Manipulation und Einflussnahme in der Vergangenheit vonstattengegangen seien.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Egal, aus welchem Blickwinkel die Dinge und Entwicklungen auch betrachtet und beurteilt werden mögen, so zeigt es sich, dass eine Entspannung der Situation in Osteuropa und der Ukraine dringend notwendig ist, um nicht Gefahr eines Krieges zu laufen. Noch deutet nicht allzu viel darauf hin, als wäre der Westen trotz einer medial aufgebauschten Drohkulisse tatsächlich auf den Ausbruch eines militärischen Konflikts an den westrussischen Grenzen scharf.

Vielmehr steht zu erwarten, dass Nationen wie die Ukraine oder unter Umständen auch Georgien über den Verlauf der nächsten Jahre durch die USA und den Westen auf massive Weise weiter aufgerüstet werden, um dort andere Kräfteverhältnisse herzustellen.

Auch im Moskauer Kreml wird man sich hierüber unter aller Voraussicht bewusst sein, so dass abzuwarten bleibt, ob die Moskauer Staatsführung die inzwischen eingeforderten Garantien seitens des Westens erhalten wird – oder ob Russland die Situation in der Region seinerseits noch stärker eskalieren wird, um diese Garantien zu bekommen.

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