Ende März bekräftigte der japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda den eingeschlagenen Kurs, die Rendite langfristiger Staatsanleihen zu deckeln. Auf höchstens 0,25 % sollen die Sätze steigen dürfen, darüber wolle man in gewohnter Manier mit unbegrenzten Anleihekäufen eingreifen.

Man wird folglich weiterhin Staatsanleihen, für die sich aufgrund der trostlosen Renditen kein echter Käufer findet, von der Notenbank erwerben lassen. Selbst wenn die monetären Abläufe etwas komplizierter sind, beschreibt die umgangssprachliche Formulierung „Geld drucken“ das Resultat zutreffend.

 

 

Ungedecktes Geld lässt sich in Zeiten des digitalen Buchgeldes problemlos und in beliebigem Ausmaß vermehren. Trotz einiger einschränkender Formulierungen seitens der Politik handelt es sich hierbei um eine Staatsfinanzierung durch die Notenbank, die sich bei dauerhafter Nutzung in der Historie stets als Garant für eine spätere Währungskrise entpuppt hat.

Um das Ausmaß des Irrsinns zu erfassen, hilft der Blick auf den langfristigen Verlauf der Renditen japanischer Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit.

 

Es ist schon beachtlich, wenn einem Notenbankchef ein Anstieg der Renditen über das lächerlich niedrige Niveau von 0,25 % hinaus Sorgen bereitet. Man darf sich fragen, ob die Beobachter sich möglicherweise gerade deshalb Sorgen machen, weil dieses Niveau nahe null Herrn Kuroda schlaflose Nächte bereitet.

Für die meisten Bürger und Unternehmen dürfte der Anstieg der Renditen auch auf ein oder zwei Prozent kein Problem darstellen. Neben der Frage nach dem Nutzen dieser massiven Eingriffe dürften sich die Japaner auch Gedanken über die möglichen Auswirkungen einer solchen Politik auf die Entwicklung der eigenen Währung machen.

Der Yen hatte seit den 1970er Jahren gegenüber dem Dollar aufgewertet. In den letzten Jahren hingegen neigt die Währung zur Schwäche, bisher jedoch ohne eine nennenswerte Abwärtsdynamik aufzuweisen. Dies könnte sich dann ändern, wenn die US-Renditen weiter steigen, die japanische Zentralbank jedoch weiterhin zwanghaft alle Staatsanleihen kauft, die ihr in die Quere kommen.

Seit März 2020 hat sich der Renditeabstand zwischen 10-jährigen Staatsanleihen der USA und Japans von 0,6 % auf mehr als 2,25 % ausgeweitet. Allein in diesem kurzen Zeitraum hat der Yen 16 % gegenüber dem US-Dollar verloren. Selbst der Euro hat es im gleichen Zeitraum nur auf ein Minus von vier Prozent gebracht.

 

Die Bedeutung des Außenwertes der eigenen Währung wird in vielen westlichen Ländern gemeinhin unterschätzt. Das liegt größtenteils an der mangelnden Erinnerung daran, wie rasch eine Währung verdampfen kann und wie desaströs die Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf den Wohlstand sind.

Oft wird lieber allein von der positiven Wirkung auf die Exporte gesprochen. In der Tat können Kunden aus Regionen, gegenüber denen man abwertet, die dorthin exportierten Produkte dann günstiger kaufen, was die Nachfrage begünstigt. Nichts ist aber statisch, schon gar nicht der Außenhandel.

Die folgende Grafik zeigt den Aufstieg und den Zerfall des japanischen Exportwunders anhand der Handelsbilanz. Seit Beginn der 1980er Jahre bis zum Ende der ersten Dekade des laufenden Jahrtausends war die Handelsbilanz Japans deutlich positiv. Mit der Finanzkrise 2008/2009 bekam dieses Bild erste Risse und in den letzten Jahren gab es zwar auch Jahre mit Überschüssen, aber auch enorme Defizite.

 

Dieser Verlauf zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur auf die Exporte eines Landes, sondern auch auf die Importe zu blicken. Eine Volkswirtschaft mit einer weiterverarbeitenden Industrie, die über keine nennenswerten eigenen Rohstoffe und Energiequellen verfügt, hat eine offensichtliche Sollbruchstelle.

Bei Energieträgern ist der Importanteil in Japan von rund 40 % im Jahr 1960 auf zuletzt 93 % gestiegen. Eine nahezu vollständige Abhängigkeit besteht neben dem Energiesektor auch bei den meisten anderen Grundstoffen und bei vielen Nahrungsmitteln.

Das Geschäftsmodell, günstige Energie und Grundstoffe in de facto unbegrenzter Menge zu importieren und andere Länder dann mit den Resultaten der industriellen Wertschöpfung zu beglücken, die diese dann mit Geld kaufen, das man ihnen vorher geliehen hat, funktioniert nicht ewig.

Wie lange die japanische Geldpolitik den Yen als offensichtliche Bruchstelle ignorieren kann, hängt davon ab, wie schnell deren Außenwert abnimmt. Agiert die Notenbank zu lange ohne Rücksicht auf Verluste, kann ein beschleunigter Währungsverfall das Inflationsproblem rasch weiter verstärken.

Geld drucken ist schon jetzt nicht mehr Teil einer Lösung, es ist mit der zurückgekehrten Inflation zum Teil des Problems geworden. Eine Inflation ist eine hartnäckige Angelegenheit. So wie es aussieht, wird die sprichwörtliche Leidensfähigkeit der Japaner in den kommenden Jahren auf eine harte Probe gestellt werden.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Wem die beschriebene Problematik aus der Eurozone bekannt vorkommt, der irrt nicht. Sowohl die abstrusen Ideen seitens Politik und Zentralbank als auch das Unterschätzen der möglichen Geschwindigkeit und des Ausmaßes eines potentiellen Währungszerfalls weisen Parallelen zu Japan auf.

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