Dirk Müller ist seit vielen Jahren das Gesicht der Börse. Kompetent und charismatisch versteht er es, das Börsenlatein so zu übersetzen, dass es auch Normalsterbliche begreifen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht Klartext. Für den NATURSCHECK beantwortet er regelmäßig Fragen unserer Leser zu den Themen Politik, Wirtschaft und Finanzen.

Lieber Herr Müller, es ist etwas ruhig um Sie geworden. Wie geht es Ihnen?

Dirk Müller: Ich darf sagen, mir geht es gut – im Rahmen der aktuellen Umstände. Die Leichtigkeit der letzten Jahre hat sich zwar gelegt, aber es entwickelt sich auch vieles zum Positiven. Diese außergewöhnliche Situation da draußen hat mich dazu gebracht, viele Dinge für mich neu zu ordnen, mich selbst weiterzuentwickeln, auch was meine Art zu denken angeht – und sie hat mich auch vom Beruflichen her gezwungen, Dinge zu verändern. Und das fühlt sich gut an. Das wäre ohne die Krise nicht möglich gewesen.

Wir hatten uns ja schon Anfang 2020 über vieles unterhalten, was damals noch als „Verschwörungstheorie“ bezeichnet wurde und nun Wirklichkeit ist. Es ist schon erstaunlich, wie schnell eine neue Normalität installiert werden kann. Einschränkungen für Ungeimpfte, EU-Impfpaß, der ständig erneuert werden muss, etc. Eigentlich wollte ich das leidige C-Thema gar nicht anschneiden, aber es ist ja unumgänglich. Zumal derzeit ein Skandal nach dem anderen ans Licht kommt. Eine grundsätzliche Frage: Wie ist es möglich, eine Gesellschaft so schnell zu verändern?

Dirk Müller: Das hat etwas mit Psychologie zu tun. Je länger eine Drucksituation aufrechterhalten wird, desto mehr beginnt das Gehirn sich umzuformen und anzupassen. Das ist eine Überlebensstrategie. Auch wenn man vorher überzeugt war, dass etwas nicht zu rechtfertigen ist, passt man sich an, damit es weitergeht. Und es muss ja weitergehen.

Wir haben eine Drucksituation von außen geschaffen, der man sich nicht entziehen kann. Und es ergibt sich ein interessantes Phänomen: Entweder ich weigere mich zu tun, was man von mir verlangt und ziehe das durch mit allen Nachteilen. Und ich verzichte damit auf viele Dinge, um meine innere Freiheit zu behalten. Das kann bis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Oder man passt sich an, verdrängt die Sorge um die eigene Gesundheit und die eventuellen langfristigen Folgen. In der Hoffnung, äußere Freiheiten zurückzuerhalten.

Jeder kommt daher an den Punkt, wo er abwägt: Überwiegen für mich die Nachteile, die ich in Kauf nehme oder das Akzeptieren von Gefahren, die ich nicht abschätzen kann.

Dieser Punkt kommt bei jedem Menschen zu einem anderen Zeitpunkt. Bei den einen früher, bei den anderen später. Das geht bis in die Familien hinein, wenn zum Beispiel die Frau, die zu Hause ist, sagt: Nein, das mache ich nicht mit! Während der Mann in der Firma enormem Druck ausgesetzt ist, wenn er die Vorgaben und Maßnahmen nicht einhält. Der Ehekrach ist vorprogrammiert.

Wenn wir schon von Druck reden. Je länger eine solche Situation anhält, desto schwerer wird es, einen Gegendruck aufzubauen.

Dirk Müller: Ich denke, der Gegendruck ist auch nicht die Lösung. Gerade im familiären Bereich oder in Freundschaften. Eher das sprichwörtliche Verhalten der Palme, die den Sturm aushält, ihn vorbeziehen lässt, die nachgibt, ohne umzufallen. Und irgendwann ist der Sturm vorbei. Es gibt keine Notwendigkeit, auf mich Druck auszuüben, wenn kein Gegendruck kommt. Wenn ich nicht versuche, andere von meiner Meinung zu überzeugen, sondern Verständnis zeige, ist irgendwann der Druck weg. Dennoch gebe ich – wie die Palme - zu keinem Zeitpunkt meinen Standpunkt auf.

Was beschäftigt Sie derzeit besonders?

Dirk Müller: Was ich interessant finde, ist, dass nun plötzlich die Herkunft des Virus neu diskutiert wird. Während es ein Jahr lang hieß, es sei total erwiesen und absolut klar, dass es natürlichen Ursprungs ist, rudern nun alle zurück und fragen: Stammt das Virus nicht doch aus einem Labor in Wuhan? Wer diese „Labortheorie“ vertreten hat, wurde ja massiv angefeindet und von Faktencheckern niedergemacht. Nun versuchen sich alle herauszuwinden. Wir beobachten sogar bei amerikanischen Zeitungen, dass sie rückwirkend ihre Artikel verändern und ihre Häme gegen die, die diese Labortheorie vertreten haben, herauszunehmen. Also quasi Geschichtsglättung betreiben.

Ich denke, man sollte das zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, wie man über die Meinungen anderer urteilt. Wie etwa die selbsternannten Faktenchecker. Zu sagen: Ich habe die allgemeingültige Wahrheit. Ich entscheide darüber, was richtig oder falsch ist – denn ich weiß es. Die eigene Meinung als universell korrekt darzustellen und das nach außen zu postulieren, das ist unglaublich gefährlich. Was ist denn, wenn man sich irrt? Vielleicht sollten wir alle das als Warnhinweis nehmen und zukünftig mit mehr Demut an Informationen herangehen. Und vor allem auch die Meinungen Andersdenkender respektieren.

Sie hatten ja bereits vor gut einem Jahr vor einer massiven Inflation gewarnt. Nun haben wir auch in Deutschland die Situation, dass zwar zum Beispiel im Baugewerbe die Auftragslage hervorragend ist, es jedoch an Materialien mangelt. „Häuslebauer“ müssen während des Baus mehrfach nachfinanzieren, weil die Preise stark ansteigen …

Dirk Müller: Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema. Überall herrscht Rohstoffknappheit. Mit wem ich auch spreche in Handwerk und Industrie, jeder sagt mir: Mir fehlt dies, mir fehlt das. Teilweise kann man die geplanten Arbeiten gar nicht ausführen. Ein Bauunternehmer erzählte mir: Wir haben drei Baugruben ausgehoben – und das war´s. Wir haben das Material nicht für die Bodenplatte. Die anderen erzählen, sie bekommen kein Holz für ihr Dachgebälk. Sie nehmen alles, was man irgendwie auf ein Dach nageln kann. Qualität spielt schon keine Rolle mehr. In der Autowerkstatt gibt es keine Reifen. Das ist schon fast wie in der DDR.

Nach meiner Beobachtung geht das gerade erst richtig los. Und das führt zu entsprechenden Preissteigerungen. Denn der, der noch etwas auf Lager hat, kann brutale Preise aufrufen. Teilweise hält man den Lagerbestand auch zurück. Das verschärft die Situation noch mehr und führt natürlich zu einer starken Inflation. Das ist nicht nur bei uns so. Auch eine US-Großbank warnt bereits vor einer Hyperinflation.

In den USA wurde ja im Mai eine Öl-Pipeline von Hackern lahmgelegt, was zu einem Ansturm auf die Tankstellen und zu enormen Engpässen führte. Zum einen zeigt das natürlich, wie anfällig ein System ist, das komplett über Computersysteme gesteuert wird. Zum anderen wurde dann öffentlich, dass der Betreiber Lösegeld in der Währung Bitcoin bezahlt hat. Was bedeutet das für die Kryptowährungen?

Dirk Müller: Meine Meinung zu den Kryptowährungen kennen Sie ja. Es wird sie auch weiterhin geben, doch unter staatlicher Kontrolle. Für private Kryptowährungen tickt die Uhr. China hat inzwischen Regulierungen eingeführt, denn die wollen ihre staatliche Kryptowährung schnellstmöglich durchsetzen. Staatlich kontrollierte Kryptowährungen sind also auf dem Vormarsch und werden die freien Kryptos aus dem Markt drängen. Damit beerdigen wir wieder ein Stück Freiheit.

Dass die Pipeline-Erpresser in den USA in Bitcoins bezahlt wurden, beobachtet man natürlich sehr aufmerksam und nutzt dies aus. Schon wird kolportiert, Bitcoins seien ein Geld von Kriminellen. Damit werden Erpressungsgelder bezahlt, da es anonym ist. Damit werden ganz schlimme Dinge getan: Schwarzgeldwäsche etc. Dann der hohe, klimaschädliche Energieverbrauch.

Die Argumente, freie Kryptowährungen dann zu verbieten, weil sie unethisch sind, weil sie kriminell sind, weil sie die Umwelt schädigen, die liegen doch alle schon auf dem Tisch. Es fehlt nur noch der richtige Zeitpunkt, das zu tun. Und wo dann der Wert der freien Kryptowährungen liegen wird, ich glaube, das kann jeder selbst abschätzen.

Dazu passt ja die Spiegel-Überschrift vom 14.6.2021: „Bitcoins sind nur für zwei Dinge gut: zum Spekulieren und für Lösegeldzahlungen“. Nochmal in die USA. Dort wurden gerade die Steuerdaten von vielen bekannten US-Milliardären „geleakt“. Was fällt Ihnen dazu ein?

Dirk Müller: Ja, das ist ein hochinteressantes Thema. Die US-Milliardäre verhöhnen seit Jahren das Volk. Sie bezahlen praktisch keine Steuern. Man hat jetzt ausgerechnet: es sind wohl um die drei bis vier Prozent. Den Rest ziehen sie an der Steuer vorbei. Natürlich alles legal, klar. Sie kennen alle Tricks, sie kennen alle Kniffe. Aber sie brauchen sie eigentlich gar nicht zu kennen, sie schaffen sich die Steuergesetze ja selbst. Sie investieren viel Geld in die Lobbyarbeit, damit die Gesetze so gemacht werden, dass sie legal keine Steuern bezahlen müssen. Das heißt, sie beteiligen sich überhaupt nicht an der Finanzierung des Staates und verdienen sich damit dumm und dusslig auf dem Rücken derer, die die Steuern bezahlen. Und das sind oft ihre Mitbewerber und Konkurrenten.

Nehmen wir ein Beispiel aus Deutschland. Wenn Starbucks beispielsweise es schafft, die Steuern komplett zu umgehen, können sie das Geld, das sie einnehmen, für Werbung, aggressiven Konkurrenzkampf etc. verwenden. Was soll der kleine Coffeeshop nebenan dem entgegenhalten? Der zahlt seinen kompletten Steuersatz, Mitarbeitergehälter, usw. Der hat das Geld nicht und macht am Ende seinen Laden dicht oder wird übernommen. Der, der so gut wie keine Steuern bezahlt, hat natürlich einen riesigen Wettbewerbsvorteil, wird immer größer, bezahlt immer weniger Steuern.

Ja, und jetzt machen sich die Superreichen die Welt immer mehr, wie sie ihnen gefällt. Und dann feiern wir die auch noch! Denn mit ihren „ehrlich verdienten“ Milliarden und Billionen tun sie ja so viel Gutes. Sie spenden … Anstatt dem Staat in Form von Steuern die Entscheidung zu überlassen, wie dieses Geld eingesetzt wird, entscheiden sie nun als neue Könige, wie die Welt verändert werden soll. Sie machen sich damit zu den Herrschern der Welt. Das ist jetzt in den USA nach dem Leak ein ganz großes Thema, und all die großen Namen sind dabei: die ganzen „Philanthropen“.

Und was machen nun die Behörden, nachdem all das bekannt wird? Sie wollen nicht etwa die ungerechten Steuergesetze verändern, sie suchen nach der Quelle! Sie jagen jetzt denjenigen, der es gewagt hat, das zu veröffentlichen und diese Informationen herauszugeben. Und auch diesmal wird sicher wieder über all das hinweggesehen. Verkehrte Welt!

Ja, es bleibt spannend. Wie immer zum Schluss die Frage: Was stimmt sie zuversichtlich in diesen schwierigen Zeiten?

Dirk Müller: Im Grunde genau das, was ich zu Beginn des Interviews gesagt habe. Schwierige Zeiten zwingen einen, Dinge im eigenen Leben zu verändern, die man sonst nicht angegangen wäre. Sie drängen uns zur Weiterentwicklung. In guten Zeiten bleibt man im Schatten unter dem Baum sitzen. So, wie Sturm notwendig ist, um in der Natur Dinge zu bereinigen, so braucht es manchmal schwierige Zeiten, um den Einzelnen dazu zu bringen, sich selbst neu zu erfinden und neue Lösungswege zu suchen.

Lieber Herr Müller, ganz herzlichen Dank für das interessante und wieder sehr offene Gespräch. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal!

Das Interview führte Michael Hoppe

Der Text erscheint in Kürze in der Zeitschrift „Naturscheck“.

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