Das Labyrinth der Ämter

Einmal schnell in Berlin aufs Amt, um den Umzug anzumelden. Kurzfristig ein Auto ummelden, die Papiere für eine standesamtliche Hochzeit beantragen, aber auch ein Erbe ausschlagen. Geht das? Im Prinzip ja und es ist ebenso wie in anderen deutschen Großstädten. Termine müssen vereinbart, Dokumente müssen gesammelt werden. So auch in Aachen. Auf der Internetseite der Stadt steht dort bezüglich der Anmeldung einer standesamtlichen Hochzeit:

Die Unterlagen, die in Aachener Registern hinterlegt sind (Geburten-/Eheregister und Melderegister), werden von uns gebührenpflichtig für sie beschafft! Alle anderen Unterlagen müssen Sie eigenständig bei den zuständigen Stellen anfordern.“

Das bedeutet Lauferei und bedingt, wenn ein Ehepartner nicht aus Aachen stammt, den Besuch bei weiteren Bürgerämtern in anderen Städten, zum Beispiel in Berlin. Auch dort gibt es Internetseiten der Bürgerämter. Einen Vorgeschmack auf das, was einen dort erwartet, geben einschlägige Zeitungsartikel.

Alles ausgebucht? Die besten Tricks, um doch einen Termin beim Bürgeramt zu ergatterntitelt die BZ und informiert ihre Leser über Mittel und Wege, um im Notfall einen schnellen Termin zu bekommen. Der öffentlich-rechtliche rbb informierte im Sommer 2022 die Bürger, dass die Ämter noch im Pandemiemodus seien und Termine dementsprechend ein rares Gut wären.

Geht es nicht auch online? Doch, zumindest in einigen Fällen. Das Ummelden eines Kraftfahrzeuges ist im Rahmen des Projekts „i-Kfz“ (internetbasierte Fahrzeugzulassung) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auch online durchführbar, wie uns die Internetpräsenz der Stadt Köln informiert. Auf der entsprechenden Seite der Nachbarstadt Aachen, die ebenfalls zum Regierungsbezirk Köln gehört, fehlt so eine Information und offenbar auch die Möglichkeit, am Projekt teilzunehmen und damit Wege zu sparen. Immerhin können Termine beim Amt in Aachen online beantragt werden und es gibt auch bei der Bereitschaft zu längeren Wartezeiten, Tage, an denen eine unangemeldete persönliche Vorsprache möglich ist.

Das „Gebäude, das Verrückte macht“

Die Thematik von Ämtern, Terminen und Bescheinigungen ist seit jeher ein Thema für Satire. Comic-Fans kennen den Zeichentrickfilm „Asterix erobert Rom“. Im Originaltitel, „Les Douze Travaux d’Astérix“ (die zwölf Arbeiten des Asterix) haben die drei französischen Drehbuchautoren Albert Uderzo, René Goscinny und Pierre Tchernia eine Hommage an den mythischen Herakles versteckt.

Der griechische Sagenheld musste zwölf unmöglich erscheinende Arbeiten vollbringen. Übertragen auf den Helden unserer Kindheit Asterix gehörte die Beantragung des Passierscheins A 38 auf einem römischen Amt zu den schier unlösbaren Aufgaben. Das „Gebäude, das Verrückte macht“ wurde das Amt im Film beschrieben.

Und tatsächlich war es im Griechenland der Pleite von 2010 genau so. Die Hellenen mussten auf Ämter rennen und wurden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den Sachbearbeitern von A nach B geschickt, um noch ein Dokument, welches als Fußnote in irgendeiner Ausführungsverordnung verzeichnet war, beizubringen.

Bei der Wiedervorstellung auf dem Amt erfuhren viele und nicht selten, dass in der Zwischenzeit, die sie für die Beschaffung eines Dokuments brauchten, noch ein anderes verpflichtend verlangt wurde. Vielleicht hatte es der Sachbearbeiter auch vorher übersehen? Überprüfbar war in diesem Chaos kaum etwas. Neidisch blickten viele Griechen nach Deutschland, wo alles so geordnet und organisiert erschien.

Bekanntlich kamen im Zuge der Pleite Technokraten der Kreditgeber, der sogenannten Troika, nach Griechenland. Sie sahen sich alles an und verlangten Reformen. Viele davon waren sehr hart, geradezu unmenschlich. Die Kreditgeber, die Europäische Zentralbank, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds, scherten sich nicht um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Für sie standen allein die Effektivität und die Wirtschaftlichkeit auf der Tagesordnung.

Als größten Hemmschuh des griechischen Wirtschaftslebens und Alltags identifizierten sie vollkommen richtig die komplizierte, mit bürokratischen Regeln zum Labyrinth gewordene Verwaltung.

Die Ironie der Geschichte ist, dass Deutschlands Einfluss in der Troika am größten war. Die deutsche Politik war offenbar in der Lage zu sehen, wie viel unnötige Kosten und Folgekosten die überbordende Bürokratie in Griechenland verursacht. Das ist zwölf Jahre her.

Ein virtuelles Amt statt vieler Behördengänge

In diesen zwölf Jahren hat Griechenland nahezu die komplette kommunale, fiskalische, militärische und zentralstaatliche Verwaltung digitalisiert und alles in einem virtuell existierenden „Amt“ gebündelt. Gov.gr heißt das Amt und ist unter dieser Adresse im Internet zu finden. Es gibt sogar die Möglichkeit, sich das „Amt“ per App auf das Mobiltelefon zu holen.

Bürger können dort 1487 verschiedene Amtsvorgänge beantragen und bearbeiten. Sie können mit ihren Steuersachbearbeitern per Videochat in Kontakt treten, sie können Vollmachten erteilen und sie können auch die angesprochenen Dokumente für eine standesamtliche Hochzeit bequem mit wenigen Klicks beantragen.

Im virtuellen Amt bündeln sich 19 Ministerien, 78 staatliche Organisationen, zehn unabhängige Behörden und dreizehn Regionen. Jede dieser Einrichtungen musste früher mit persönlicher Vorsprache aufgesucht werden. Wie die einzelnen unabhängigen Regionalverwaltungen mit der Vielzahl von Ministerien und Organisationen kooperieren, das erfährt – oder erläuft – der Bürger nicht mehr persönlich durch Vorsprache, das regeln nun Algorithmen.

Besonders kompliziert wurde es früher für im Ausland lebende Griechen. Sie mussten im Zweifel entweder selbst kurz ins Heimatland reisen oder aber versuchen, über die Konsulate und Botschaften, ihre Angelegenheiten in der Heimat zu regeln. Auch für diesen Personenkreis kann seit dem 30. November alles per Mausklick im virtuellen Amt Gov.gr erledigt werden.

Das Angebot wird beständig vergrößert. Für den Fall, dass doch einmal die Vorsprache auf einem Amt notwendig wird, gibt es bequem die Möglichkeit, amtlich registrierte Vollmachten an jemanden zu erteilen, der dies leichter erledigen kann. Bürger können aus einer Vielzahl von möglichen Zwei-Faktor-Authentifizierungen diejenige herauspicken, die ihnen zusagt. Sie können die Daten, die über sie gespeichert sind, nicht nur für Anträge nutzen, sondern auch problemlos einsehen.

Statt auf per Post geschickte Dokumente zu warten, können die mit Sicherheitsmerkmalen zur Überprüfung versehenen pdf-Dateien von Gov.gr am heimischen Drucker ausgedruckt werden. Ganz so, wie wir es aktuell in Deutschland mit den CoVid-Testzertifikaten erleben. Die Griechen haben keineswegs das Rad neu erfunden, sie haben nur alles bürgerfreundlich gebündelt. Dass eingesparte Fahrten zum Amt auch die derzeit teure Energie einsparen, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Zurück zu den Broadcast-Warnungen. Nicht alle Geräte werden sie empfangen können. Ihr Mobiltelefon muss für den Empfang solcher Nachrichten eingestellt sein, wofür es eine Reihe von Anleitungen im Netz gibt. Es gibt vom Bund auch eine nicht vollständige Liste mit kompatiblen und nicht kompatiblen Mobiltelefonen.

Das Warnsystem wurde bereits 2020 in Griechenland eingeführt. Auch hier war eine Katastrophe mit mehr als 100 Toten der Auslöser. Im Sommer 2019 verstarben rund um Mati (einem Küstenort in Attika) Menschen, die bei rechtzeitiger Warnung hätten gerettet werden können.

Cell Broadcast, in Griechenland kurz 112 genannt, hat sich bewährt. Es warnt vor drohendem Unwetter mit Fluten ebenso wie vor dem Industriebrand in der nächsten Nähe. Für Nutzer nicht kompatibler Telefone hat der griechische Zivilschutz eine Alternative eingerichtet. Nach Anmeldung auf der entsprechenden Seite können Bürger eine alternative Warnung, per SMS, Telefonat oder Email beantragen. Eine Warnung per Fax sieht das System natürlich nicht vor.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Am 8. Dezember wird in Deutschland als Übung zum ersten Mal bundesweit digital gewarnt. Im Text erhält der Leser einen Einblick in die fortgeschrittene Digitalisierung Griechenlands. Im Vergleich zu Deutschland gibt es - ironischerweise auch von Deutschland für Griechenland gefordert - eine bürgerfreundliche digitale Verwaltung. Man kann sagen, dass sich das für Deutschland neue Warnsystem hier bereits bewährt hat.

Eine Cell-Broadcast-Nachricht ist ein unbestätigter Push-Dienst, daher werden keine Mobiltelefonnummern benötigt. Dementsprechend weiß der Absender der Nachrichten nicht, wer sie empfangen hat.

Nähere Infos gibt es unter: http://warnung-der-bevoelkerung.de/

Was den Datenschutz und die Datensammelwut in digitalen Gefilden angeht, so steht dies - zumindest bezüglich der Zusammenführung verschiedener Dienste virtueller Behörden - auf einem anderen Blatt.

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