Sparmaßnahmen schwächen Griechenlands „Immunsystem“ gegen CoVid-19

So stehen in den Krankenhäusern nur rund 500 Betten für Intensivstationen zur Verfügung. Davon können bis zu 25 Prozent wegen Personalmangels nicht betrieben werden. Zum Vergleich, Deutschland hat ungefähr 28.000 Betten für Intensivpflege. Bedenkt man, dass die Bundesregierung für die 82,79 Millionen Einwohner angesichts der CoVid-19 Pandemie die Bettenzahl für die Intensivpflege verdoppeln will, erscheint die den 10,74 Millionen Einwohnern Griechenlands zur Verfügung stehende Bettenkapazität noch knapper.

Zudem hat Premierminister Kyriakos Mitsotakis bei seinem Amtsantritt im Sommer 2019 die vom Vorgänger Alexis Tsipras bereits fest eingeplante Einstellung von 4000 Ärzten für die staatlichen Krankenhäuser gestoppt. Mitsotakis stellte stattdessen Polizisten für seine Law & Order Politik ein. Dementsprechend zittert die griechische Regierung davor, dass sich die CoVid-19 Pandemie weiter ausbreitet.

Seit 2010 wurden zahlreiche Krankenhäuser auf Anordnung der Kreditgeber entweder geschlossen, oder aber personell so stark geschwächt, dass sie nun eine Art Gesundheitsstationen, mit der Möglichkeit zur Behandlung von Beinbrüchen und Blindarmentzündungen sind.

Privatisierung vorangetrieben – doch auch Privatversicherte schauen in die Röhre

Mitsotakis Vision war es damals schon, neben dem staatlichen Gesundheitsdienst private Krankenhäuser zu fördern. Er war als Reformminister von Tsipras´ Vorgänger Samaras für die ersten Entlassungen im öffentlichen Dienst, auch den Stellenabbau im Gesundheitswesen verantwortlich. Sein heutiger Wirtschaftsminister und Parteivize, Adonis Georgiadis, rühmte sich damals als Gesundheitsminister für die Schließung von Krankenhäusern. Nun hoffen beide, dass die geschwächten griechischen Krankenhäuser das Land retten können.

Ein direktes Eingeständnis über den Ernst der Lage in den staatlichen Krankenhäusern gab es seitens der Regierung am Dienstag. Der Sprecher des Krisenteams für die CoVid-19 Epidemie im Land, Tsiodras, erklärte, dass Verdachtsfälle des medizinischen Personals nur sieben Tage, statt der üblichen zwei Wochen, in Quarantäne kommen.

Danach müssen sie mit Masken und Handschuhen erneut den Dienst antreten. „Ansonsten bricht uns das Gesundheitssystem zusammen“, so Tsiodras. Zahlreiche Fälle von Infektionen unter dem medizinischen Personal sorgen für Aufregung im Land. Der Todesfall Nummer drei, der auf Corona zurückgeführt wurde, war ein 53-jähriger Laborant in einem öffentlichen Krankenhaus.

Mit privaten Zusatzversicherungen wollte Mitsotakis darüber hinaus die staatlichen Sozialkassen entlasten. In Zeiten von Corona erfahren privat versicherte Griechen nun, dass Pandemien für die privaten Versicherer nicht zu den abgedeckten Risiken zählen. Die Patienten sollten sich an den staatlichen Gesundheitsdienst wenden, heißt es. Es werden ihnen auch, wegen der Pandemie aus Ausschlussgrund, keinerlei Entschädigungen im Krankheitsfall entrichtet. Eine schlechtere Werbung für das noch vor kurzem von Mitsotakis gepriesene Modell kann es nicht geben.

Schnelle Quarantäne wegen Medizinmangel

Die privaten Krankenhäuser im Land sind für die Pandemie auch nicht gerüstet. Sie pickten sich als Betätigungsfeld die einträglicheren Sparten des Gesundheitswesens heraus und investierten kaum in die Intensivpflege.

Deshalb musste die griechische Regierung zwangsweise relativ früh nach dem Auftreten der ersten Fälle harte, landesweit gültige Quarantänemaßnahmen erlassen. Daher erfolgte der komplette Lockdown, wie die in Europa überall geübte Praxis der massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens genannt wird, schneller als in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Spanien.
Die Griechen werden in Werbespots, mit Plakaten und Ansprachen von Politikern aufgefordert, sich freiwillig in Quarantäne zu begeben. Nur allernötigste Wege sollen noch gemacht werden. Eine totale Ausgangssperre, vor allem für die großen urbanen Zentren ist deshalb im Gespräch. Dies schreckt viele auf. Sie eilen daher aus den Großstädten in ihre Heimatdörfer oder die Dörfer ihrer Vorfahren.

Mögliche Ausgangssperre – Ist der Rückzug auf´s Land sinnvoll?

Eine Praxis, von welcher die Regierung aus gutem Grund abrät. Auf dem Land leben vermehrt Personen, welche wegen des Alters zu den Risikopatienten zählen. Zudem ist fern der Großstädte die Gesundheitsversorgung besonders schlecht. Keine sehr gute Idee ist zudem der Rückzug auf eine der Ägäis-Inseln, wo der staatliche Gesundheitsdienst noch schlechter ist.

Bis auf produzierende Betriebe, Apotheken, Supermärkte, Kioske, Autowerkstätten, Optiker und Gehörgeräteakustiker, sowie Tiernahrungshandlungen sind sämtliche Geschäfte im Land geschlossen. Banken bleiben bis auf weiteres noch geöffnet, stellen aber ebenso wie viele Dienstleistungsbetriebe soweit möglich auf Homeoffice um. Ebenfalls geöffnet sind Kurierdienste.

Der Zugang zu Ladengeschäften ist gesetzlich geregelt. Es dürfen sich nur wenige Personen gleichzeitig im Laden aufhalten, wobei die Abstandwahrung Pflicht ist. Eingeschränkt wurde auch der Öffentliche Personenverkehr.

Schulen und Universitäten wurden bereits frühzeitig geschlossen. Der Tourismus, Griechenlands „Schwerindustrie“, ist vollkommen zum Erliegen gekommen und kann wegen der Unsicherheit einer zeitlichen Vorhersage für ein Ende der Krise auch nicht für die Zukunft planen. Ohne die saisonalen Tourismusmitarbeiter sind somit wegen der Corona-Quarantäne bereits knapp 1,5 Millionen Arbeitnehmer zum Nichtstun verdammt.

Vom Arbeitgeber gibt es dafür kein Geld. Vielmehr sollen die unfreiwillig Untätigen vom Staat rund 400 Euro pro Monat erhalten, wenn die dafür vorgesehenen Finanzen reichen. Ansonsten wird es auch hier weitere Kürzungen geben.

Gefährlicher Mittelweg zwischen sozialer Distanz und Herdenimmunisierung

Für Arbeitnehmer gibt es jedoch auch eine weitere bittere Pille zu schlucken. Weil die griechische Regierung sich im Vorfeld zu wenige Tests auf CoVid-19 beschafft hat, fehlen die Testmöglichkeiten. Die Infektionszahlen aus Hellas haben somit den Wahrheitsgehalt der Statistiken, welche das Land in den Euro brachten.

Denn anders als im übrigen Europa werden die Bürger in Griechenland aufgefordert, nicht bei den ersten Symptomen zum Test zu gehen. Dieses sei sogar wegen erhöhter Ansteckungsgefahr besonders gefährlich, erklärte der Medizinprofessor Tsiodras beim regelmäßigen Briefing zur Lage am Dienstag.

Seit dem 16. März gelten gemäß dem Gesundheitsministerium und der Nationalen Organisation für öffentliche Gesundheit als Kriterien für die Gewährung eines Tests die Zugehörigkeit zu folgenden Gruppen:

  1. Personen mit ernsten, akuten Atemwegserkrankungen, welche eine Krankenhauseinweisung erforderlich machen.
  2. Patienten und Besucher von Altenheimen und Rehabilitationszentren, sofern sie eine akute Atemwegserkrankung mit Fieber und Husten oder Atemnot haben.
  3. Medizinisches Personal mit akuten, von Fieber begleiteten Atemwegserkrankungen.
  4. Ältere Personen im Alter von mehr als siebzig Jahren oder Personen mit Vorerkrankungen der Lunge, Herzerkrankungen, Diabetes, Immunschwäche, sofern sie eine akute Atemwegserkrankung mit Fieber und Husten oder Atemnot haben.

Wer nicht zu den Risikogruppen gehört, keine Lungenentzündung hat oder zum medizinischen Personal zählt, bekommt also keinen Test, aber auch kein Krankenhausbett. Hier wird stattdessen geraten, zuhause zu bleiben und sich von Verwandten versorgen zu lassen. Wie das praktisch möglich sein soll, Wohnungen in Isolierstationen zu verwandeln, darüber informieren Fernsehsendungen.

Weil jüngeren Personen mit Symptomen zudem davon abgeraten wird, den Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen, gibt es folgerichtig Hürden für einen Krankenschein. Zudem haben die Kollegen eines derart nicht manifestierten, aber wahrscheinlichen Corona-Falls keinerlei Anrecht auf Quarantäne oder gar erhöhten Schutz am Arbeitsplatz.

Griechenland wählt damit faktisch für die Überwindung der Corona-Pandemie einen Mittelweg zwischen den in China, Korea, sowie nun auch Deutschland praktizierten Methoden der sozialen Distanz und des Tests aller Verdachtsfälle, also des von der WHO dringend empfohlenen Praxis und dem anfänglichen Plan des britischen Premiers Boris Johnson und seiner „Herdenimmunitätstheorie“. Es ist ein durchaus gefährliches Unterfangen, dass jedoch von finanziellen Zwängen und den Folgen der Austeritätspolitik bestimmt wird.

Krisengewinnler zocken die Kunden ab

Der Tipp, sich mit einer Maske am Arbeitsplatz und beim Einkaufen gegen eine Infektion zu schützen, gilt auch in Griechenland. Allerdings gibt es kaum Masken. Wurden sie vorher in Großpackungen zu maximal fünf Euro verkauft, kosten sie nun im 50er Pack im „Sonderangebot“ 69 Euro. Üblich sind auch höhere Preise.

Die in Deutschland und anderen Ländern beobachtete Knappheit von Toilettenpapier wird jedoch nicht in diesem Ausmaß beobachtet. Allerdings wurde Toilettenpapier, das es im Angebot zu acht Rollen vor der Krise für weniger als drei Euro gab, auf der Insel Kos bereits für zwölf Euro angeboten. Flüssige Desinfektionsmittel sind in Griechenland ebenso wenig leicht zu finden, wie Handdesinfektionstücher.Die Krisengewinnler sollen, so verspricht die Regierung, wegen Wucherpreisen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Noch ist dies nicht zu spüren.

"Was heißt das konkret für mich!?“

Es ist zu erkennen, dass auch die griechischen Infektionszahlen nicht verlässlich sind – und weshalb dies so ist. Zudem lässt sich nachvollziehen, warum Griechenlands Corona-Politik sich nicht an den Vorgaben der WHO orientiert und wie sich die aktuelle Lage im Gesundheitssystem des Landes darstellt.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"