Die Opposition bemängelte, dass mit dem „sauberen Ende“ keineswegs alle Sparmaßnahmen vorbei seien. Zudem hat sich Griechenland mit Tsipras´ Unterschrift einer Aufsicht durch die Kreditgeber bis 2060 unterworfen. Die Hellenen müssen, was weltrekordverdächtig ist, über Jahrzehnte festgelegte Ziele für den verpflichtenden Überschuss im Primärhaushalt erzielen.

Für Tsipras und seine Regierung war all dies kein Problem. Er kündigte an, nun endlich linke, soziale Politik zu machen und die Benachteiligten der Krise von den ihnen ungerechterweise auferlegten Lasten zu befreien. Die Kreditgeber machten diesem Spiel einen Strich durch die Rechnung. Sie haben zwar nicht mehr das Druckmittel der Kredittranchen, können aber Griechenland auf anderen Wegen das notwendige Kapital entziehen.

Es wird weiter geknebelt – wo liegt der Unterschied?

Eigentlich sollte Griechenland im März von der Europäischen Zentralbank rund eine Milliarde Euro aus dem Anleihekaufprogramm für Wertpapiere und Märkte (SMP) im Rahmen des Abkommens über Nettofinanzvermögen (ANFA) erhalten. Die Kreditgeber zeigten sich bei der Inspektion des Fortschritts des Landes hinsichtlich der verlangten Reformen jedoch enttäuscht, zückten die Gelbe Karte und sperrten zumindest vorläufig die Auszahlung.

In griechischen Medien liest sich die Nachricht im üblichen Neusprech der Krisenzeit wie folgt:

„In Bezug auf die Rückführung der Einnahmen der griechischen SMP und der ANFAs in Höhe von einer Milliarde Euro stellte die Kommission in der zweiten Überprüfung der verstärkten Post-Memorandum-Überwachung fest, dass keine Voraussetzungen für die Auszahlung der Tranche bestehen.“
(Zitat iefimerida.gr vom 27. Februar 2019).

Kaum ein Bürger des Landes sieht den Unterschied zur Zeit der „Memoranden“ genannten Kreditverträge der internationalen Gläubiger.

Die Foundation for Economic & Industrial Research schlägt Alarm

Die Kommission kritisierte unter anderem die von Tsipras angestrebte Möglichkeit der Ratenzahlung von Steuerschulden und nicht bezahlten Sozialabgaben. Tsipras Plan war er, den ums wirtschaftliche Überleben kämpfenden Freiberuflern und Unternehmern des Landes zu erlauben, ihre Schulden in 120 Monatsraten abzutragen. Tatsächlich erscheint so etwas realistischer, als die Forderung der Kreditgeber nach sofortiger und vollständiger Zahlung.

Die Kreditgeber übersehen weiterhin, dass es in Griechenland im zehnten Jahr der Staatsfinanzkrise Menschen gibt, die schlicht nichts mehr haben, mit dem sie durch exorbitant erhöhte Abgabenpflicht entstandene Schulden bezahlen könnten.

Die Foundation for Economic & Industrial Research (IOBE), eine Organisation, der alles andere als eine linke politische Ausrichtung nachgesagt werden kann, schlägt Alarm. Sie stellte fest, dass 85 Prozent der Bevölkerung keinen Spielraum haben, um Gelder zu sparen.

Ein trauriger Zahlenreigen

64 Prozent der Griechen konnten im Januar 2019 lediglich ihre laufenden Kosten decken. Im Vormonat waren es 60 Prozent, für den November 2018 wurden 57 Prozent erfasst. 43 Prozent der Bevölkerung sieht die wirtschaftlichen Aussichten pessimistisch.

Hinsichtlich der konkreten Aussichten der Konsumenten registrierte die IOBE dass:

92,3 Prozent der Griechen es ausschließen, sich in den nächsten zwölf Monaten ein Fahrzeug, ob gebraucht oder neu, zuzulegen. Bei der letzten Erfassung dieser quartalsmäßig gemessen Größe im Oktober 2018 waren es noch 95,5 Prozent.

Nur 0,9 Prozent der Bevölkerung zieht einen Wohnungskauf oder Wohnungsbau in Erwägung (1,9 Prozent im Oktober 2019). Eine Renovierung des Wohnraums überdenken nur noch 9,5 Prozent, statt wie im Oktober 10,9 Prozent.

Eurostat liefert weitere interessante Zahlen. Vier der dreizehn Regionen Griechenlands gehören zu den zwanzig ärmsten der EU. Nur die Hauptstadtregion Attika übertrifft mit 91 Prozent des durchschnittlichen EU-BIPs die 75 Prozent-Marke. Die wirtschaftlich ärmsten Regionen des Landes sind Ostmakedonien und Thrakien mit 46 Prozent des durchschnittlichen EU-BIPs, Epirus und die Region Nord-Ägäis mit 48 Prozent, West-Griechenland mit 49 Prozent, Thessalien mit 52 Prozent, Zentral-Makedonien mit 53 Prozent, Peloponnes mit 56 Prozent, Kreta mit 57 Prozent und West-Makedonien mit 59 Prozent. Zentralgriechenland und die Ionischen Inseln zählen mit jeweils 62 Prozent bereits zu den reichen Regionen, wie auch die Süd-Ägäis mit 72 Prozent.

Zum Vergleich: Die Hamburger erwirtschaften 202 Prozent des europäischen Durchschnitts-BIPs. Die Konsumentenpreise in Griechenland und Deutschland bewegen sich dagegen auf vergleichbarem Niveau.

Privatisierung der Filetstücke

Das sind keine wirtschaftlichen Kennzahlen, die auf das von Kreditgebern und Regierung fest eingeplante Wirtschaftswachstum hoffen lassen. Zudem erlauben diese Zahlen nicht, an große Erlöse bei der Versteigerung von gepfändeten Wertgütern der privaten Schuldner zu glauben. Trotzdem drängt die Kommission auf eine drastische Lösung des Problems der faulen Immobilienkredite, auf denen die griechischen Banken wegen der Immobilienblase der Nullerjahre sitzen.

Schließlich zeigt das Beispiel der Public Power Company (PPC), dass bei den fest eingeplanten Privatisierungen und Versteigerungen der wichtigste Faktor fehlt: die in ausreichender Menge vorhandenen, interessierten Käufer. Die Privatisierung von Braunkohlekraftwerken der PPC scheiterte mangels Interesse. Nun sollen attraktivere Teile des Unternehmens verschleudert werden.

Zudem stehen die Privatisierungen von zehn Häfen auf dem Programm. Für die Häfen von Alexandroupolis, Volos, Eleusis, Igoumenitsa, Heraklion, Kavala, Corfu, Lavrion, Patras und Rafina werden Käufer gesucht.

Am Ende wird Griechenland, ein Staat mit Seefahrertradition und der Handelsflotte als Global Player ohne eigene Häfen dastehen.

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