Das Asowsche Meer, welches seit einigen Tagen wieder als geographischer Begriff in der internationalen Medienberichterstattung gehandelt wird, ist ein Nebenmeer östlich des weitaus bekannteren Schwarzen Meeres. Der Zugang zum Asowschen Meer ist auf dem Schiffsweg nur über die Straße von Kertsch erreichbar. Die ist eine Meerenge, die an der schmalsten Stelle nur vier Kilometer breit ist und dort die Halbinsel Krim von der Halbinsel Taman trennt, die beide zu Russland gehören.

Die nördlichen Ufer des Asowschen Meeres gehören zur Ukraine, was bedeutet, dass die dortigen Hafenstädte, wie z.B. Mariupol, ihre Häfen nur am Leben lassen können, wenn die Straße von Kertsch für ihre Schiffe offen bleibt. Da die Meerenge geographisch vollständig von Russland kontrolliert wird, befindet sich die Ukraine dort in einer geostrategischen höchst empfindlichen Situation.

Konflikt an der Straße von Kertsch

Seit einigen Tagen hat der Konflikt zwischen Moskau und Kiew einen neuen Höhepunkt erlangt, basierend auf der Einfahrt zum Asowschen Meer. Am Sonntag hatte die russische Küstenwache einigen ukrainischen Kriegsschiffen die Durchfahrt durch die Straße von Kertsch verweigert. In den Monaten zuvor hatten sich die Spannungen schon hochgeschaukelt, nachdem beispielsweise die ukrainische Küstenwache ein russisches Fischerboot drangsaliert und dessen Crew inhaftiert hatte.

Hintergrund der aktuellen Eskalation ist allerdings, dass die Ukraine verzweifelt darum bemüht ist, am Asowschen Meer militärisch präsent zu sein, da die dortige Küste ansonsten relativ schutzlos in unmittelbarer Nähe zur russischen Einflusslinie liegt. Ferner ist die dortige Bevölkerung überwiegend russophon, im Sommer 2014 tobte in Mariupol ein Kampf, nachdem Einwohner zuvor eine Volksabstimmung über den Verbleib der Hafenstadt in der Ukraine oder den Anschluss an Russland eingefordert hatten.

Die Poroschenko-Administration in Kiew schaut daher mit großer Sorge auf diese Küstenregion.

Rechtlicher Hintergrund des aktuellen Konflikts ist ein Abkommen aus den Jahren 2003/2004, welches zwischen Russland und der Ukraine unterzeichnet wurde, wonach sich sowohl Kriegs- als auch Handelsschiffe in diesen Meeren frei bewegen dürfen. In der Zwischenzeit hatte sich aber die geopolitische Ausgangslage drastisch verändert. Die Krim wird inzwischen von Moskau kontrolliert und im Osten der Ukraine versuchen Sezessionisten, mit großem Rückhalt unter der dort überwiegend russischsprachigen Bevölkerung, von Kiew wegzukommen.

Poroschenko gießt Öl ins Feuer

Nach dem Zwischenfall an der Straße von Kertsch ist die ukrainische Regierung darum bemüht, die Spannungen zu steigern. Präsident Poroschenko, dem sein Volk durch Massenauswanderung davonrennt und den ehemalige Weggefährten als Ober- Mafiosi bezeichnen, hat das Kriegsrecht verhängt. In den Straßen von Kiew marschieren rechtsradikale Kräfte aus dem Umfeld der westukrainischen Nationalisten auf, deren Nähe zur Regierung, inklusive Fremdenhass, Russophobie und Antisemitismus, bei den NATO-Strategen und Wortführern im Westen höchstens ein Stirnrunzeln hervorruft.

Hat man in Berlin denn nichts aus der Geschichte gelernt?

Präsident Poroschenko, der guten Grund hat die Wahlen im kommenden Jahr zu fürchten, scheint die Krise zu nutzen, um von der katastrophalen politischen Bilanz seiner bisherigen Amtszeit ablenken zu wollen. Da die ukrainische Marine veraltet und in einem schlechten Zustand ist, hat man in Kiew schon indirekt amerikanische Hilfe erbeten.

Aber auch Berlin soll vor den Kiewer Karren gespannt werden. "Wir erwarten von unseren deutschen Partnern, dass Marineschiffe der EU und NATO in das Schwarze und Asowsche Meer schnellstens auf verstärkte Patrouillen entsandt werden", verlangte am gestrigen Montag der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk.

Das wäre kein Novum für die bundesdeutsche Marine unter von der Leyen. Im Spätsommer kreuzten deutsche Kriegsschiffe im Rahmen einer Kriegsübung im Schwarzen Meer, angeblich zur Minenabwehr. Ja, anscheinend hat man in Berlin nur selektiv aus der Geschichte gelernt, wenn überhaupt. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) rief zwar Moskau und Kiew zur Entspannung auf, übernahm aber gleichzeitig den ukrainischen Rechtsstandpunkt, wonach sich der Zwischenfall vor der Küste der Krim in ukrainischen Hoheitsgewässern vollzogen haben soll.

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