In Griechenland saßen durch die Insolvenz von Thomas Cook nach Angaben des Tourismusministeriums 50.000 Personen fest. Sie werden so schnell wie möglich ausgeflogen. Es sind zehntausende Einzelschicksale derer, denen der Urlaub vermiest wurde und derer, die ihn trotz Bezahlung nie antreten werden. Dazu kommen die Schicksale der Arbeitnehmer u.a. in der Tourismusbranche in Griechenland und auf Zypern, sowie die als Dominoeffekt drohende Insolvenz griechischer Unternehmen.

Einnahmequelle Nummer 1 in Gefahr

Die Pleite des Erfinders des Pauschaltourismus trifft beide Länder ins Mark ihrer „Schwerindustrie“. Von Januar bis Dezember 2018 kamen in Griechenland dreißig Millionen Touristen per Flieger aus dem Ausland an. Knapp drei Millionen davon waren über Thomas Cook gebucht. Wie wichtig die Firma für den griechischen Tourismus war, zeigt die Pressemeldung, die Tourismusminister Haris Theoharis am 25. Juli herausgab. Kaum im Amt jubelte Theoharis nach einem Treffen mit dem ins Ministerium eingeladenen CEO von Thomas Cook, Peter Fankhauser, am 25. Juli, dass die Erfolgsgeschichte des griechischen Tourismus mit Hilfe von Thomas Cook fortgesetzt werde.

Fankhauser versprach,

Thomas Cook ist bestrebt, seine Anstrengungen zur Steigerung des Werts des griechischen Tourismusprodukts und der Einnahmen fortzusetzen, wobei der Schwerpunkt auf Qualität und Infrastruktur liegt, damit wir mehr Besucher in das Land locken können, um innovative Tourismusvorschläge auch in reifen Reisezielen zu genießen, und in der Lage sein, mehr mit der lokalen Gemeinschaft in Kontakt zu treten und sich inspirieren zu lassen, mehr für ihren Urlaub auf dem lokalen Markt auszugeben, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass dies weniger Eingriffe erfordert und die Weiterentwicklung des nachhaltigen Tourismus fördert. "

Beide, Theoharis und Fankhauser genossen das Treffen. Für Theoharis, den Neoliberalen, stimmte das Narrativ des guten privaten Investors, der staatliche Eingriffe und Absicherungssysteme unnötig machen sollte. Fankhauser dagegen sonnte sich in Rampenlicht des umworbenen Erfolgsmanagers, obwohl ihm die prekäre Lage seines Unternehmens schon damals bewusst gewesen sein muss. Denn Fankhauser erwähnte bei den Gesprächen mit Theocharis knapp 750 Millionen Euro, welche Thomas Cook als Finanzspritze von der chinesischen Fonsun erwartete. Nur stellte er die Gelder nicht als die benötigte Rettung, sondern als Finanzmittel für weitere Investitionen – auch in Griechenland – dar.

Dass Theoharis durchaus einen Blick in die Bilanzen von Thomas Cook geworfen hatte, zeigt sich zwischen den Zeilen seines damaligen Postings auf Twitter. Der Minister schrieb,

ich hatte am 25. Juli die Gelegenheit den geschäftsführenden Direktor von Thomas Cook, Peter Fankhauser, zu treffen, und er versicherte uns, dass Thomas Cook eine der weltweit größten Firmen in der Tourismusbranche bleiben wird. Das Treffen fand mit einem sehr beruhigenden (sic) und kooperativen Klima statt und mein Gefühl war, dass wir unsere Zusammenarbeit normal weiterführen werden.

Theoharis, als zuständiger Minister, beruhigte mit seinem Statement auch die einheimischen Hoteliers, die sich Sorgen um die Liquidität ihres Geschäftspartners machten.

Schadensabschätzung

Der griechische Tourismusverband SETE beziffert nun seinerseits das Kapital, welches den griechischen Unternehmen durch die Pleite von Thomas Cook fehlt, auf eine Größenordnung von 250-500 Millionen Euro. Die große Bandbreite der Schätzung kommt daher, dass noch niemand genau bestimmen kann, wie viele der offenen Rechnungen des Pauschalreiseanbieters schlussendlich noch bezahlt werden können.

So wartet ein Hotelier in Heraklion auf Kreta auf 650.000 Euro, welche ihm Thomas Cook schuldet. Im Vergleich zu den von Reuters gemeldeten Schulden von Thomas Cook in Höhe von 1,7 Milliarden Pfund erscheint das nicht viel, für den Hotelier ist es jedoch mehr als existenzbedrohend. Ihm droht außer dem Verlust seines Betriebs auch noch die Pfändung des Privatvermögens. Allein von der Insel Kreta wurden bislang offene Rechnungen über rund 100 Millionen Euro gemeldet. Rund 80 Prozent der Hotels in der Stadt Heraklion haben Verträge mit Thomas Cook.

Die Repräsentantin des staatlichen Tourismusverbandes Griechenlands, EOT, Emy Anagnostopoulou, erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der griechischen Nachrichtenagentur AMNA, dass sie noch keinerlei Daten über die Stornierung von gebuchten Pauschalreisen hat. Sie berief sich auf den britischen Reiseanbieter Sunvil und meinte, dass die Reisen bis zum 6. Oktober gewährleistet seien. Hinsichtlich der offenen Rechnungen sagte sie,

die Firma hat gesagt, dass diese schrittweise beglichen werden sollen und dass dies einige Zeit dauern wird. Es wird einige forensische Entscheidungen geben, vielleicht werden einige Rechnungen vom britischen Staat beglichen. Es ist noch früh, Entscheidungen zu treffen.

Noch am Montag, dem Tag der Pleite, wurde im Büro von Finanzminister Christos Staikouras eine Krisensitzung einberufen. Daran nahmen der Arbeitsminister Giannis Vroutsis, Tourismusminister Theocharis, die ministeriellen Staatssekretäre Skertsos, Vesyropoulos, Skylakakis und Kefaliogiannis teil. Ebenfalls anwesend war der Chef der unabhängigen Behörde für Staatsfinanzen AADE, Giorgos Pitsilis.

Der Dominoeffekt der Insolvenz von Thomas Cook soll, so die griechische Regierung, so weit wie möglich begrenzt werden. Baustellen gibt es dabei viele.

Die griechischen Vertragspartner von Thomas Cook mussten für die gestellten aber noch nicht bezahlten Rechnungen hinsichtlich ihrer Steuerlast gegenüber dem Fiskus in Vorleistung treten. So sehen es die Gesetze vor, mit denen Griechenland seine Staatsfinanzkrise lösen wollte. Zudem müssen die Hotels außer der Versteuerung ihrer – ohne Bezahlung der Rechnung lediglich fiktiven – „Gewinne“ die Kurtaxe für die Übernachtungen der Touristen abführen.

Zudem müssen die Hoteliers ohne Einnahmen ihre Angestellten entlohnen. Diese wiederum sind in der Regel Saisonarbeiter, die während der Tourismussaison oft sieben Tage pro Woche ohne Ruhetag arbeiten, um mit den Einnahmen den Winter zu überstehen. Diese Angestellten kämpfen bereits ohne die nun durch Thomas Cook verursachte Krise mit einer äußerst prekären Lebenssituation.

Auf der Insel Zypern sieht die Situation ähnlich aus. Hier wurde der erste Schaden auf 50 Millionen Euro geschätzt. Es handelt sich um die noch nicht beglichenen Rechnungen von Juli bis September. Darüber hinaus wurden, bis Dezember 2019 45.000 Buchungen von Thomas Cook storniert. Die Hoteliers auf der Insel versuchen nun, die leeren Zimmer vielleicht doch noch zu belegen.

Es gibt Hotelketten, die bis zu 80 Prozent ihrer Zimmer über Thomas Cook belegen ließen. Thomas Cook hielt knapp sechs Prozent des Marktes und sorgte für ungefähr 180 Millionen Euro Umsatz.

Staatliche Hilfen nötig

Beide Länder, sowohl Griechenland als auch Zypern, haben die Krise der Staatsfinanzen nur mit europäischen Hilfsprogrammen überstanden. Sie haben beide auf den Tourismus als Konjunkturmotor gesetzt und dabei die zahlreichen Buchungen über Pauschalreiseanbieter als Erfolg gefeiert.

Wie sehr die griechische Wirtschaftsplanung auf den Tourismus abgestimmt ist, zeigt nicht zuletzt das Großprojekt am privatisierten ehemaligen Großflughafen Ellinikon. Hier wollte ein Konsortium um die griechische Milliardärs-Familie Latsis auf dem früheren Airport und einem Gelände mehr als dreifach so groß wie das Fürstentum Monaco ein Luxusressort mit hohen Wolkenkratzern und einem Spielkasino errichten. Es soll ein Magnet für luxuriösen Tourismus werden.

Die internationalen Partner, darunter die chinesische Fosun, sprangen ab, wie vor wenigen Wochen bekannt wurde. Das Projekt, das von der Regierung Mitsotakis als Kernstück der Wirtschaftspolitik gefeiert wird, soll nun mit staatlichen Bürgschaften für Kredite allein von den Unternehmen der Familie Latsis realisiert werden.

Nun kommt für den Tourismus ein weiteres, nur mit staatlichen Beihilfen zu lösendes Problem hinzu. Die von der Pleite von Thomas Cook betroffenen Hoteliers sollen ihre auf die unbezahlten Rechnungen bezahlten, und bereits als Staatseinnahmen verbuchten Steuern zurückerhalten. Über weitere eventuell notwendige Maßnahmen wird diskutiert.

Zumindest in einem Punkt hat die griechische Regierung bereits gespart. Die zusammen mit Thomas Cook erstellten Werbespots für den griechischen Tourismus wurden gestoppt.



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