In den letzten Umfragen vor der Wahl gab es einige deutliche Fragen und eben solche Antworten. Eine davon war das Verlangen nach einem strong leader andere drehten sich um das Thema Einwanderung. Beim Thema illegale Einwanderung und wie damit umzugehen sei, herrscht Einklang. 75% unterstützen die sofortige Ausweisung illegaler Einwanderer, die eine Straftat begangen haben. 75% sind eine Menge. Selbst bei der hierzulande belächelten Mauer sind es nicht mehr als die Hälfte, die sich gegen ein solches Bauwerk aussprechen. Firmen, die illegal im Land befindliche Arbeiter beschäftigen sollten laut 67% der Befragten bestraft werden. 

Von der in Deutschland verbreiteten Verharmlosung von Grenzdelikten und der bizarren Einstellung „generell sind alle nett, außer wir selbst“ ist man in den Staaten wenig überraschend weiter entfernt denn je. Bezüglich der Einwanderung sollte man auch den Hinweis auf die netten Kanadier nicht überbetonen. Kanada war bekanntlich das Land in das ganz viele Schauspieler auswandern wollten, wenn Trump Präsident werden sollte. Nun haben viele offenbar auch bei dieser Aussage nur geschauspielert, was erneut die Frage aufwirft, warum man vermeintliche Künstler und Bühnendarsteller so gerne zu politischen Themen befragt, Mathematiker und Handwerker aber eher selten. Einer Umfrage von Reuters zufolge sind die kanadischen Bürger nicht so weit weg von den südlichen Nachbarn. 

Man kann diese Meinung teilen oder nicht. Man sollte sie jedoch nicht kleinreden und so tun, als wäre es nur eine handvoll Versprengter, die sich so ihre Gedanken machen.

Nun sollte man nicht annehmen, dass die Menschen generell keine Lust mehr auf echte Demokratie haben. Sie haben die Nase vielmehr voll von gespielter Demokratie und einer hinter zahllosen Gremien mäßig erfolgreich getarnten Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen oder auch nur langfristig zu planen. Frei nach dem Motto „lieber öffentlich geohrfeigt werden als heimlich verprügelt“ äußert sich so etwas in einer oft an Ekel grenzenden Abscheu vor institutionalisiertem Lobbyismus. Die Selbstherrlichkeit, die manchem politischem Apparat und deren Bewohnern innewohnt steuerte ihren Teil zum Wahlausgang bei. Ist es nicht interessant, wie oft ausgerechnet zahlreiche Vertreter des alten Standes Trump dauernd Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit vorwerfen, während sie ansonsten gerne den Bürger von oben herab für zu dumm für die Umsetzung von mehr direkter Demokratie erklären? Die deplorables lassen grüßen.

Ob Trump wirklich vieles ändern will? Wer weiß. Wie sagte Oma so schön? Wer nichts erwartet wird seltener enttäuscht. Von Prognosen sollte man wie am Finanzmarkt besser absehen und sich an den vorliegenden Resultaten in ein paar Jahren orientieren. Bisher sieht es jedenfalls so aus, als würde es nicht an ihm liegen, wenn Wahlkampfversprechen nicht umgesetzt werden. Die republikanische Partei muss sich fragen und vor ihren Wählern vertreten, warum man etwa das doch so verhasste Programm Obamacare nicht abgeschafft bekommt, wenn man die beste Gelegenheit dazu hat. Man sollte wohl nicht ausschließen, dass der eine oder andere Lobbyist derjenigen Unternehmen, die von Obamacare massiv profitiert haben, sich auch in das eine oder andere republikanische Büro verirrt haben. Aber das ist natürlich reine Theorie, denn filzige Lobbywelten mit geldgierigen Zweibeinern ohne Gewissen gibt es freilich nur im Öl- und Gasgewerbe oder in der Biotechnologie und nicht im Gesundheitswesen. Die wollen nur helfen.

Der folgende Chart zeigt den Kursverlauf der Aktie des größten US-Krankenversicherungskonzerns UnitedHealth Group (160 Milliarden Dollar Börsenwert). Immerhin liegt die Outperformance gegenüber dem breiten und ebenfalls stark gestiegenen S&P 500 in diesen 8 Jahren inklusive aller Ausschüttungen bei erklecklichen 550 (fünfhundertfünzig) Prozent.

Bemerkenswert sind die auch hierzulande gerne mit treuem Hundeblick vorgetragenen Reden, die erwähnen, wie hilfreich Obamacare doch war und wie unmenschlich dessen Abschaffung wäre. Das alles geschieht freilich in Unkenntnis sowohl von Obamacare, das existiert, als auch der Alternativen, von denen es einige gibt. Wenn sie kein Geld aber eine Krankenversicherung haben ist das eine feine Sache. Wenn sie aber kein Geld und eine Krankenversicherung haben, die selbst in den Basisversionen ein paar hundert Dollar Selbstbeteiligung erfordert, dann sind sie genauso schlecht dran wie vorher. Das ist ein Grund, warum im Wahlkampf das Thema der massiv angestiegenen Beiträge eine so große Bedeutung hatte, was hierzulande sicher aus Zeitgründen keinen Platz in der Berichterstattung fand.  

Die steigenden Prämien seien im Grunde nur für eine Minderheit relevant ist dann oft zu hören. Generell ist dies, wo man ansonsten immer auf Minderheitenpflege bedacht ist, schon eine interessante Aussage. Wenn man sich vor Augen hält, dass diese Minderheit rund 17 Millionen Menschen umfasst, die sich selbst versichern, gibt es wenig Anlass zum Schmunzeln. Richtig ist, dass die Prämien in vollem Umfang in der Tat lediglich von den Selbstzahlern entrichtet werden müssen. Für viele andere greifen verschiedene Subventionen, also Zahlungen aller anderer. An der Höhe der Prämien ändert es freilich nichts, nur weil jemand anderes sie bezahlt. Und hier findet sich einer der wichtigsten Kritikpunkte an Obamacare. Die Idee liegt nicht darin, Menschen die Krankenversicherung generell verweigern zu wollen. Es geht vielmehr um ein bürokratisches Monster und einen Wust an Ineffizienzen, die zig Milliarden verschlingen, ohne die Gesundheit voranzubringen. So wird der Fokus zum ersten Mal seit Jahrzehnten auf die Kosten für Verwaltung aber auch für Medikamente und technische Ausstattung gelegt. Nicht um alles abzuschaffen, sondern um nicht für drei Plastikschläuche und einen Computer mit der Leistung eines fünf Jahre alten Telefons zwei Millionen Dollar auf den Tisch zu legen, weil „MedSys 2001“ draufsteht und für den Käufer mit dem Erwerb ein Karibikaufenthalt verbunden ist.

Für manchen Europäer mag die harsche Kritik an vermeintlich heilsbringender Bürokratie seltsam klingen und die Sorge um Kosten, wenn es um Gesundheit geht, verwerflich vorkommen. Aber manche Europäer sagen noch viel seltsamere Sachen wie etwa „Scheitert der Euro, scheitert Europa“.

Als aufschlussreiches Argument, warum die große Mehrheit derjenigen, die Geld vom Staat bekommen, von steigenden Prämien nicht so stark betroffen sind, wird die Möglichkeit genannt, in ein billigeres Segment mit weniger Leistungen zu wechseln. 

Also einfach reduzieren, denn im Grunde ändert sich nichts. Gut Ihre Zähne und der Fußpilz, die sind im neuen Plan nicht mehr enthalten, aber ansonsten ist alles super. Diese Argumentation erinnert an die heimischen Hobby-Sozialisten. Wer sich mit weniger Essen zufrieden gibt, der hungert nicht so schnell. Die Vollkasko wird teurer, aber abgesehen von der Leistung ändert sich doch nichts, wenn sie in die Teilkasko wechseln. Nett.

Die folgende Grafik zeigt die Veränderung der monatlichen Prämien landesweit und die Top 10 der betroffenen Staaten. Die Daten beziehen sich auf den zweit billigsten Vertrag für eine typischen Versicherten im Alter von 27 Jahren. Viel niedriger geht es also kaum. 

Das alles scheint jedoch, anders als in den USA, hierzulande niemanden zu interessieren. Wäre ein solches Programm, zugegebenermaßen eine unwahrscheinliche Annahme, einige Jahre zuvor erschaffen worden, würde es  heute als „Bushcare“ von den gleichen Leuten kritisiert werden, die es heute feiern. Es ist wie im Fußballstadion. Es liegt nicht daran, ob die Hand eines Spielers im gegnerischen Strafraum zum Ball ging, um sich ganz schnell darauf festzulegen, ob ein Elfmeter angemessen ist. Das Urteil der Zuschauer hängt zum Großteil davon ab, welcher Mannschaft der Spieler angehört.

Ob Trump „Teil des Systems“ ist? Natürlich ist er Teil des Systems „USA“, so dass es niemanden überraschen sollte, wenn der amtierende Präsident sagt „America first“ und in vielen Bereichen keine Unterschiede zu vielen anderen Präsidenten spürbar sein werden. Für jeden, der die letzten 50 Jahre nicht in einer Waldhöhle verbracht hat, ist diese Politik in etwa so neu, wie dass auf den Sonntag der Montag folgt. Es ist typisch amerikanische Politik, die jeder Vorgänger von Trump so durchgeführt hat. Der eine hat dabei gelächelt, der andere fies geschaut. An der Sache ändert das freilich nichts, es ist alles eine Frage der Vertriebsmasche.

Ähnliches gilt für den Freihandel. Den hat ja auch der Michel derzeit neu für sich entdeckt, nachdem man bis zur US-Wahl die Herstellung in Billiglohnländern tagtäglich mit gewerkschaftlichem Gruß und den freundlich nebenher trottenden Freunden von Attac angeprangert hatte. Was ist eigentlich aus dieser „globalisierungskritischen Organisation“ geworden? Eigentlich müssten die Damen und Herren jetzt mit Donald-Mützen auf den Köpfen und (heimischem) Sektchen anstoßen.

Dem ist überraschenderweise nicht so, denn jetzt finden es alle angeblich doch wieder ganz prima, wenn alles (außer Autos natürlich) in Vietnam und China hergestellt wird. Das mag man so gerne, weil das so toll für die Menschen dort ist, wenn Sie für einen Dollar am Tag unsere Jeanshosen sandstrahlen oder unsere Gummisportschuhe für einen Dollar zusammenkleben, die dann hier im hippen Flagshipstore für 180 Dollar über den Tresen gehen. Das Tässchen Fairtrade-Kaffee wird die marginalen unschönen Effekte der neuen Laufschuhe und des jährlich neu erworbenen, unverzichtbaren Handys schon irgendwie ausgleichen. Sonst trinkt man noch schnell eine Kiste Bier und rettet einen Quadratmeter Regenwald.

Glaubt eigentlich wirklich jemand, der ach so plötzlich wiederentdeckte allumfassende Freihandel führte in der Vergangenheit dazu, dass Tim Cook seine Telefone in China zusammenlöten ließ, damit der Tagelöhner Zhang Xie Hong und seine Freunde ein besseres Leben führen können? Eine Art von der Wirtschaft vorangetriebener „China first“-Politik, einfach herrlich und natürlich eine vollkommen groteske Annahme. Man kann die aktuelle Politik gut oder schlecht finden, aber man sollte sich dabei die Ach-was-sind-wir-alle-solidarisch-Maske absetzen.

Man erkennt die Unaufrichtigkeit in vielen Klagerufen daran, dass Menschen sich vor allem Sorgen machen, ihr iPhone würde demnächst 1.000 Dollar statt 700 Dollar kosten. Die global-kuschelige Solidarität endet halt schon in der Warteschlange vor dem Telefonladen. Urbane Hipster aller Länder vereinigt Euch, jetzt auch bei Facebook. Kostenlos und auch vom Sofa aus möglich.

Auch beim Thema illegale Einwanderung, und genau um diese ging es in den USA, gab es bekanntlich ein wundervoll solidarisches Argument der Demokraten, warum man diese nicht bekämpfen sollte. Es ging um das befürchtete Ausbleiben von Arbeitskräften im Niedriglohnsektor, beispielsweise im Gastgewerbe und auf dem Bau. Man muss sich diese Argumentation einmal vor Augen halten und in Ruhe im Schneidersitz darüber nachdenken. So sieht sie aus die Solidarität der urbanen Hipster und Über-Demokraten. Man braucht viele illegale Einwanderer, die keine Alternative dazu haben, als für ein paar Kröten irgendeinen Job zu machen, damit man im Café seinen Schaumkaffee (fair gehandelt) weiterhin günstig bekommt und man dank des günstigen Arbeitslohnes die Einfahrt mit den hübschen Natursteinen statt mit Betonplatten pflastern kann. Ganz schön uneigennützig die Damen und Herren Menschenfreunde.

Auch über die Ungleichheit wurde viel geschrieben. Diese ist in der Tat auf dem Vormarsch, allerdings schon länger als ein paar Monate. Die folgende Grafik zeigt einen Blick auf den Rand der Vermögensverteilung in den USA im Zeitverlauf.

Ein relativ eindeutiges Bild.

Die oft zitierte „Entfesselung der Finanzmärkte“, ein Gespenst, dass man gerne den Republikanern anheftet, ist wohl eher Bill Clintons Ratgebern zu verdanken. Ein Präsident, der sich hierzulande trotz seiner langen Mängelliste einer hohen Beliebtheit erfreut. Aber er kann halt Saxofon spielen und mit der Kultur, mit der Kultur hat es das deutsche Feuilleton. Da muss das Weltliche eben mal in den Hintergrund treten. Man sollte von Trump wohl nicht zuviel erwarten. Man sollte jedoch ebenfalls nicht die in der Vergangenheit verursachten Probleme auf ein paar Monate Amtszeit des neuen Präsidenten schieben. Besser ist es abzuwarten und sein Urteil im Nachhinein zu treffen.

Ein Ratschlag, der in vielen Situationen angemessen ist. Sich über das Wetter von heute zu freuen statt sich über das vermeintliche Wetter von morgen aufzuregen ist auch besser für die Pumpe. Für alle, die zu viel erwartet hatten bleibt heute schon die Feststellung, dass sich außenpolitisch bisher nicht viel geändert hat. Es wird auch weiterhin munter zurückgeschossen. Schade.

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