Anfang 2019 starteten die USA eine Kampagne gegen Bolivien und dessen sozialistischen Präsidenten Evo Morales, der ihnen mehrere Destabilisierungskampagnen vorgeworfen hatte. Drei US-Senatoren forderten Morales auf, „die demokratischen Prinzipien zu respektieren“ und auf eine erneute Kandidatur bei den bevorstehenden Wahlen zu verzichten – eine dreiste, in diesem Fall offene Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Die Begründung des republikanischen Senators Ted Cruz lautete:

Bolivien bewegt sich in eine sehr gefährliche Richtung und schließt sich illegitimen und illegalen Regimen wie dem von Maduro in Venezuela an.“(1)

Nachdem sich die Verhältnisse im Nahen Osten etwas beruhigt hatten und der Bürgerkrieg in der Ostukraine stagnierte, weitete sich der West-Ost-Konflikt akut auf Lateinamerika aus. Offensichtlich soll wieder einmal – im Sinne der Monroe-Doktrin(2) von 1823 – der „Hinterhof der USA“ von Opponenten „gesäubert“ werden.

Es ist tragisch für die Völker Lateinamerikas, dass ihnen seit mehr als zwei Jahrhunderten durch die Willkür der übermächtigen USA jegliche selbstständige Entwicklung verbaut wird.

Nachdem in Brasilien ein Regime Change stattfand, Venezuela in die Armut getrieben wurde und Bolivien und Ecuador ins Fadenkreuz gerieten, sollen noch die Regierungen in Kuba und Nicaragua gestürzt werden. US-Sicherheitsberater John Bolton nannte Kuba, Venezuela und Nicaragua eine „Troika der Tyrannei“ und sagte in einer Rede:

Die USA freuen sich darauf, jede Spitze dieses Dreiecks fallen zu sehen: In Havanna, in Caracas, in Managua.“(3)

Die Sanktionen gegen diese „Troika“ wurden im April 2019 abermals verschärft.(4) Sie richten sich vor allem gegen EU-Unternehmen, die Handel mit diesen Ländern betreiben, wie zuvor schon die Handelsbeziehungen mit dem Iran weitgehend unterbrochen wurden.

Zu den feindlichen Maßnahmen gegen Kuba gehört unter anderem die Zulassung von Klagen der Exil-Kubaner und ihrer Abkömmlinge gegen Einzelpersonen oder Unternehmen, die im Besitz von 1959 bei der sozialistischen Revolution konfiszierten Immobilien sind.

Nach kurzer Zeit lagen beim US-Justizministerium bereits 5900 solcher Klagen vor, Forderungen in Höhe von rund acht Milliarden Dollar. US-Außenminister Mike Pompeo warnte:

Wer auf Kuba Geschäfte betreibt, sollte genau untersuchen, ob dies auf Grundstücken geschieht, die von einem gescheiterten kommunistischen Experiment gestohlen wurden.“(5)

Für die betroffenen Länder wird es schwer sein, den illegitimen Sanktionen und politischen Repressionen standzuhalten, auch wenn Russland sie unterstützt. In Venezuela wird letztlich das Militär entscheiden, ob Maduro Präsident bleibt.

Nachdem im Juni 2019 die Umsturzaktivitäten Guaidós nachließen, zeichnete sich zwar – bis auf Weiteres – eine Beruhigung der innenpolitischen Lage ab. Aber die mörderische Strangulierung durch die USA zermürbt die Menschen und raubt dem Land die Kraft.

Es sind immer wieder die gleichen Methoden, mit denen gegen Länder vorgegangen wird, die sich den USA nicht bedingungslos unterwerfen. Wenn nicht gleich gebombt wird, wobei die NATO inzwischen der verlängerte Arm des US-Militärs ist,(6) kommen Sanktionen zum Einsatz, oder die CIA bewirkt einen Regime Change, mustergültig vorexerziert in der Ukraine.

Regierungen werden unterminiert, Minderheiten aufgehetzt, Staaten entsprechend dem Grundsatz „divide et impera“ zerstückelt. Im Geheimen interveniert und intrigiert wurde im Frühjahr 2019 zum Beispiel auch in Serbien, Albanien, Georgien, dem Iran ...

Neben unzufriedenen Bürgern, die gegen die amtierende Regierung demonstrieren, agieren gewaltbereite Gruppen junger Männer, regelrechte Stoßtrupps. Seit Langem werden solche Provokateure überall dort eingesetzt, wo es zu berechtigten oder auch initiierten Demonstrationen und Massenkundgebungen kommt.

So berichtete der bekannte amerikanische Publizist und Kritiker der US-Außenpolitik William Blum (1933–2018) von solchen Einsatzgruppen der CIA bereits anlässlich der Unruhen in Teheran im August 1953:

Unter den Demonstranten befanden sich auch etliche Personen, die für die CIA arbeiteten. Nach Richard Cottam, einem amerikanischen Wissenschaftler und Schriftsteller, von dem es heißt, er sei zu jener Zeit für die CIA in Teheran tätig gewesen, wurden diese Agenten ‚auf die Straßen‘ geschickt, ‚um sich so zu verhalten, als gehörten sie der Tudeh-Partei(7) an. Es waren mehr als bloße Provokateure, es waren Stoßtrupps, die sich aufführten, als seien sie Tudeh-Leute und Steine auf Moscheen und Priester warfen‘, um die Tudeh-Partei und damit Mossadegh(8) als religionsfeindlich abzustempeln.“(9)

Es ist mittlerweile bekannt, dass vom CIA unter Mitwirkung anderer interessierter Kreise seit Jahren sogenannte Farb- und Blümchen-Revolutionen inszeniert werden, um Regierungswechsel herbeizuführen und die Länder unter ihre Kontrolle zu bringen, wobei jedes Mittel recht ist.

Eine Organisation, die destabilisierend in Ägypten, Georgien und der Ukraine im Einsatz war und anscheinend auch in Venezuela mitwirkt, wie sogar bei Wikipedia nachzulesen ist, nennt sich „Otpor!“.(10) Sie ist in den 1990er-Jahren aus einer Aktionsgruppe in der Belgrader Oppositionsbewegung gegen die Regierung Milošević entstanden und inzwischen international tätig. Im Nachhinein werden solche Destabilisierungsmethoden dann verschleiert und bemäntelt, militärische Interventionen werden als humanitäre Hilfe dargestellt.

Wie die völkerrechtswidrige Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 aus NATO-Sicht gewertet wird, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg am 7. Oktober 2018 Studenten der Belgrader Universität: Der Angriffskrieg gegen ihr Land sei vom westlichen Bündnis „zum Schutz der Zivilbevölkerung“ geführt worden.

Der Psychologe Rudolf Hänsel nannte das in einem Offenen Brief an Stoltenberg „eine Beleidigung des serbischen Volkes und eine Verhöhnung seiner Opfer“. Er rief in Erinnerung,

dass der tonnenweise Einsatz hochgiftiger und radioaktiver Uranwaffen während dieses Krieges in Serbien zu einer großen Umweltkatastrophe und zu einem epidemischen Ausmaß aggressiver Krebserkrankungen führte“.(11)

Das Gleiche passierte im Irak.

Quellennachweise

(1) Zit. wie amerika21, 5.2.2019, https://amerika21.de/2019/02/221580/us-senatoren-wiederwahl-morales

(2) Am 2.12.1823 stellte US-Präsident James Monroe dem Kongress die Grundzüge einer langfristigen Außenpolitik der Vereinigten Staaten vor: keine Duldung der Einmischung anderer Länder auf dem amerikanischen Doppelkontinent, zugleich Schutz- und Interventionsanspruch der USA in Lateinamerika.

(3) Zit. wie RT Deutsch, 3.2.2019, https://deutsch.rt.com/amerika/83583-wall-street-journal-regimewechsel-in/?fbclid=IwAR1lfzQL9BDZUAgS1QHYfg8q1f1WmrYXOIIIxi9AOIA9pP5mAHhNdi1QYpA

(4) Mit diesem Schritt beendet Trump die Wiederannäherung an Kuba. Vgl. welt.de, 19.4.2019, www.welt.de/wirtschaft/article192185137/Neue-Kuba-Krise-Washington-verschaerft-Sanktionen-gegen-Kuba.html

(5) Zit. wie ebd.

(6) So im Krieg gegen Jugoslawien, der mit Lügen und Meinungsmanipulation begann und von einer beispiellosen Medienpropaganda begleitet wurde. Vgl. Kurt Gritsch: Krieg um Kosovo. Geschichte, Hintergründe, Folgen, Innsbruck 2016, sowie Interview mit Kurt Gritsch: Es begann mit einer Lüge, NachDenkSeiten, 26.4.2016, www.nachdenkseiten.de/?p=33128

(7) Die Tudeh-Partei war eine marxistisch-leninistische Partei in der Oppositionsbewegung gegen Schah Mohammad Reza Pahlavi. Sie unterstützte Mossadegh und trat für die Kündigung aller Abkommen mit den USA ein.

(8) Mohammad Mossadegh (1882–1967), gewählter iranischer Premierminister (1951 und 1952) zur Zeit der Verstaatlichung der Ölförder- und Verarbeitungsanlagen der Anglo-Iranian Oil Company (AIOC). Zu seinem Sturz unternahmen der MI6 und die CIA gezielte Aktionen, die letztlich Erfolg hatten. Damit wurde ein laizistischer Staat verhindert, und ein internationales Konsortium erhielt Zugriff auf die iranischen Ölvorkommen.

(9) Zit. wie William Blum: Zerstörung der Hoffnung. Bewaffnete Interventionen der USA und der CIA seit dem Zweiten Weltkrieg, Frankfurt am Main 2008, S. 89

(10) Vgl. auch Dietmar Hänel: Operation OTPOR, RotFuchs Nr. 203, 12/2014, www.rotfuchs.net/rotfuchs-lesen/operation-otpor.html

(11) Zit. wie Neue Rheinische Zeitung Online, 31.10.2018, www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25348

Von Wolfgang Bittner erschien 2017 „Die Eroberung Europas durch die USA – Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“, und im März 2019 der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“. Das aktuelle Werk „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“ erschien am 13. September 2019 im Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen.

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