Der Laie staunt und selbst der Fachmann wundert sich. Zum einen hatten die Investoren Europa aufgrund des Ukrainekrieges und der Sanktionen gemieden wie Schneemänner den Sonnenbrand. Zum anderen stand nicht nur die Energieversorgung auf der Kippe, sondern auch der Zugang zu wichtigen Rohstoffen und Düngemitteln.

Der Euro wurde wie Fallobst gehandelt, auch wegen der verkorksten Geldpolitik der EZB. Was hat sich daran geändert? Fundamental nicht viel. Vorerst gibt es ja noch genug Gas und Strom, wenn auch extrem teuer. Vielleicht ist auch der Börsendrops in den USA gelutscht, und das Geld sucht neue Chancen und Möglichkeiten im neuen Jahr.

Die größten Verlierer des Vorjahres sind jetzt die größten Gewinner. China öffnet wieder, was Lieferketten und Preise entlastet. Experten sagen die befürchtete Rezession ab, und die leichte Entspannung an der Inflationsfront schürt seit Wochen schon die Hoffnung auf ein Ende der Zinserhöhungen. Die Party, die für später angekündigt wurde, findet also jetzt schon statt. Doch das Jahr ist noch jung.

Niedergang in Zeitlupe und mit Ansage

Wenn die Energiekosten in Europa auch in diesem Jahr ein Vielfaches derer in den USA oder Asien ausmachen, wird das den Unternehmen und Privatleuten zusetzen. Nichts passiert von heute auf morgen, sondern schleichend. Der Strom geht uns gar nicht aus, er kommt nur nichts mehr aus der Steckdose. Oder: Es gibt keinen Stromengpass. Die Leute dürfen nur nicht so viel verbrauchen. Und die Leute gewöhnen sich an alles, auch daran, dass Politik ankündigt und nicht liefert.

Nach Schätzungen der Nachrichtenagentur Bloomberg belaufen sich die Kosten der Energiekrise in Europa bereits auf rund eine Billion US-Dollar, während die Ankünfte der ersten LNG-Tanker mit flüssigem Frackinggas aus den USA gefeiert werden wie ein Regenguss in der Wüste. Mit jedem Schiff verdienen die US-Betreiber einen dreistelligen Millionenbetrag. What a deal! Und so zufällig!

So wird derzeit Wohlstand durch den Schornstein gejagt. Deutschland als Wirtschaftsstandort fällt weiter zurück. Dieser Prozess hat nicht erst mit dem Ukrainekrieg begonnen. Die Frage, ob das mit Dummheit, Absicht oder mit beidem zu tun haben könnte, bleibt unbeantwortet. Die deutsche Automobilindustrie und ihre rund 800.000 Mitarbeiter stemmen sich inzwischen gegen einen schleichenden Bedeutungsverlust. E-Autos bzw. iPhones mit Rädern kann jeder bauen. Nicht nur Teile der chemischen Industrie sind dabei, ins Ausland abzuwandern.

Die Börsenkurse lassen kaum Rückschlüsse auf den ganz normalen Alltag in diesem Land zu, in dem wir neulich noch gut und gerne lebten, denn Aktiengesellschaften agieren meist international und nicht regional. Ein abendlicher Spaziergang durch eine Großstadt, auch mit der U-Bahn, zeigt ein realistischeres Bild. Oder besorgen Sie sich mal einen Arzttermin. Zumindest scheint inzwischen auch hier im Ländle dem Sparer klar zu werden, dass Geld in Aktien wohl sicherer ist als unter dem Kopfkissen, selbst wenn sich der Euro deutlich erholen konnte.

Erstaunlich ist auch, dass im letzten Jahr bis September 94.000 Personen dem Hochsteuerland Deutschland und seiner hartnäckigen Bürokratie den Rücken gekehrt haben. Wer nicht wegkann, oder will, der bleibt hier und kann ja notfalls das Licht löschen. Wir werden uns künftig wohl mehr anstrengen müssen! Die meisten Leute sind ja nicht faul. Sie haben nur verstanden, dass sich Arbeit immer weniger lohnt.

„Was bedeutet das für mich konkret!?“

Freuen wir uns doch mal über die kleinen Dinge, die gut begonnen haben in diesem Jahr. Die großen Probleme sind ja trotz eines phänomenalen Börsenstarts nicht vom Tisch. Dennoch sollte man manchmal darauf schauen, was man hat und nicht darauf, was man gerne hätte. Das macht vieles einfacher. Übrigens war dies eine gute Strategie in der DDR, wenn man am großen Bild nichts ändern konnte. Dann eben im Kleinen. Von Lenin stammt der Satz, Kommunismus sei Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Heute ist Kommunismus die Ampel... minus Elektrifizierung.

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