Gestern Abend lief auf dem Sender ZDFneo eine sehenswerte Reportage, die sich mit dem „vergessenen Amerika“ beschäftigt hat, und deren Ansehen ich meinen Lesern empfehlen und ans Herz legen möchte.

In 45 Minuten werden im Rahmen dieser Dokumentation eigentlich alle Ereignisse und Entwicklungen thematisiert, die Amerikas Gesellschaft immer stärker von Innen heraus und vor allem auch immer unversöhnlicher spalten. „Wie ist das möglich in einem Land, das sich angeblich in einer Erholung befinden soll“, wie es in der Reportage heißt.

Gezeigt wird der wirtschaftliche und gesellschaftliche Verfall in der amerikanischen Heimat, wofür im Rahmen der Reportage die einst blühende Stadt Dayton im Bundesstaat Ohio Pate steht.

Es heißt, dass Dayton, Ohio stellvertretend „für unser Land gesehen werden kann“. Denn überall geht es um das Einkommensgefälle sowie die zunehmende Kluft zwischen Stadt und Land einerseits sowie zwischen Arm und Reich andererseits.

Silicon Valley und Wall Street heißen die Herzschlagzentren eines Landes, das sich immer stärker fast nur noch auf diese beiden innovations- und finanztechnischen Säulen stützt, um darüber hinaus weite Teile Amerikas sich selbst zu überlassen.

„Deplorables“ hatte Hillary Clinton die in den ländlichen Regionen lebenden Amerikaner im Präsidentschaftswahlkampf einst genannt. Hierzu gehören selbstverständlich auch die massiv wachsenden Unterschichten und Obdachlosen in den großen Metropolen des Landes.

Die in der Dokumentation gezeigten Entwicklungen decken sich weitgehend mit meinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen in einem auseinanderdriften Amerika, von dem ich mir zuletzt im Rahmen eines Kurzaufenthalts im Spätsommer dieses Jahres auch wieder einmal ein eigenes Bild machen konnte.

Erinnert fühlte ich mich im Angesicht der gesellschaftlichen Verelendung, des aus dem Ruder laufenden Drogenkonsums, des infrastrukturellen Verfalls und der politischen Ignoranz nicht selten an Berichte meines Blogkollegen und Freundes Dr. Paul Craig Roberts, der diese Dinge und Entwicklungen in zahllosen Berichten und selbst verfassten Büchern minutiös skizziert hat, um vor den sich daraus ableitenden Folgen zu warnen.

Es zeigt sich, dass der Prozess der Deindustrialisierung Amerikas trotz anders lautender Ziele von US-Präsident Donald Trump voranschreitet. Selbst wenn Betriebe und Produktion – wie im Falle Daytons gezeigt – sporadisch zurückgeholt werden können, so ist das heutzutage eine völlig andere Industrie als in den 1970iger und 1980iger Jahren.

Neben einer voranschreitenden Automatisierung der Produktion werden Arbeitnehmer, die sich einst einmal der amerikanischen Mittelklasse zurechnen ließen, heute weitestgehend nur noch auf Basis des Mindestlohns ohne Sozialabsicherung angestellt. Es reicht gerade einmal zum Überleben , mehr aber auch nicht, wie in der Doku auch gezeigt wird.

Was ebenfalls wunderbar aus der Reportage hervorgeht, ist die Degradierung des Faktors Arbeit, der im globalen Konkurrenz- und Produktionssystem seinen ehemaligen Stellenwert verloren hat.

Worauf ich im Angesicht der monatlich durch das Bureau of Labor Service veröffentlichten Arbeitsmarktberichte immer wieder aufmerksam mache, ist die Tatsache, dass es sich im Fall der meisten neu geschaffenen Stellen in den USA um schlecht entlohnte Beschäftigungen handelt, die sich weitestgehend prekären Arbeitsverhältnissen zurechnen lassen.

Gleichzeitig ist die Partizipationsquote an der Erwerbsbevölkerung seit dem Jahr 2009 und dem Überwinden der globalen Finanzkrise durch die Decke geschossen, während sowohl Staats- als auch Privatverschuldung explodiert sind. Offizielle Statistiken sagen in keiner Weise mehr etwas über den effektiven Zustand an der gesellschaftlichen Basis eines Landes, das vor der großen Aufgabe steht, sich neu erfinden zu müssen, aus.

Die Dokumentation „Das vergessene Amerika – Eine Stadt kämpft ums Überleben“ legt den Finger in die vielen offenen Wunden, mit deren Schließen oder deren Heilung Amerika ganz massive Probleme zu haben scheint. Folge ist eine voranschreitende Radikalisierung einer Gesellschaft, die sich einst selbst als weltoffen bezeichnete und vor Selbstbewusstsein nur so strotzte. Es erweckt den Anschein, als würden diese Tage hinter Amerika liegen…

Ich wünsche Ihnen beim Anschauen der Reportage nicht nur viel Spaß, sondern auch einige weitere Erkenntnisgewinne!

Ihr Roman Baudzus

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