Die Situation um den angeschlagenen kanadischen Hypothekenkreditgeber Home Capital Group ist sich erwartungsgemäß am Verschärfen. Der größte Hypothekendarlehensgeber im Nichtbanken-Sektor des Landes sah sich zum Ende der vergangenen Woche mit einem Kundenkontenkapitalabzug von knapp 40% in Relation zu den Gesamteinlagen konfrontiert.

Ein Kollaps des Instituts ließ sich nur noch abwenden, indem eine bislang namentlich nicht genannte Drittpartei durch kurzfristige Vergabe eines mit 22,5% verzinsten Nothilfekredits in die Bresche gesprungen war. Trotz allem beginnt es in Kanadas Bankensystem zu rumoren. Viele Beobachter rechnen bereits fest damit, dass es zu Ansteckungseffekten kommen wird.

„Eines der stärksten Finanzsysteme der Welt“...

Was einst als „eines der stärksten Finanzsysteme der Welt“ betrachtet wurde, droht im Falle von Ansteckungseffekten wohl recht schnell zu kollabieren. Die Gefahren, die gerade vom kanadischen Finanz- und Bankensektor ausgehen, werden unter einer wachsenden Anzahl von Analysten und Ökonomen ganz plötzlich sogar als „systembedrohlich“ erachtet.

Sonderbar, denn dies war doch eben jener Aspekt, der durch die meisten unter den üblichen Verdächtigen noch bis vor Kurzem stets herunter geredet wurde. Was sich vor zehn Jahren an Amerikas Häuser- und Immobilienmärkten abspielte, sollte sich in Kanada – trotz ähnlicher Ausgangslage – keinesfalls wiederholen können.

Egal welche Argumente diese Leute ins Feld geführt hatten, um sich die Lage schön zu reden – in der Realität zeigt sich eben doch, dass sich die Dinge nicht auf ewig unter den Teppich kehren und beschönigen lassen. Und so könnte Kanada nun vielleicht tatsächlich vor seinem ganz eigenen „New Century Financial Moment“ stehen.

Simulierung eines Worst Case Szenarios

Einst löste der Untergang von einem der größten Nichtbanken-Hypothekenkreditgeber in den USA den Zusammenbruch an den Häuser- und Immobilienmärkten des Landes mit aus. Dass die systembedrohlichen Gefahren einer von Kanada ausgehenden Ansteckung unter vielen Beobachtern sehr ernst genommen werden, zeigen vor wenigen Tagen getätigte Aussagen.   

Bei dem Unternehmen Mawer Investment Management, einem der bis vor Kurzem noch größten Anteilseigner an der finanziell angeschlagenen Home Capital Group, werden auf Basis der momentanen Entwicklungen neue Kalkulationen zur Wahrscheinlichkeit eines großen Krisenausbruchs in Kanada angestellt.

Wie Finanzchef Jim Hall gegenüber Bloomberg mitteilte, sei das eigene Unternehmen gerade bestmöglich bestrebt zu simulieren, auf welche Weise sich eine Ansteckung durch Kanadas Finanzsystem fressen würde. Diese Berechnungen führen Investoren und Anlegern wieder einmal eine simple Tatsache vor Augen.

Systemische Finanzkrise voraus?

Sollten Kontokunden und/oder die Bondhalter von Home Capital Group ihr Restvertrauen in ihren Kreditgeber verlieren, was sich aufgrund von diversen Ansteckungseffekten sofort auch auf andere Kreditgeber des Landes auswirken würde, wird die sich entwickelnde Finanzkrise in Kanada einen mehr und mehr systemischen Charakter aufweisen.  

Bei Mawer Investment Management scheint man nicht gewillt zu sein, solch einem Tag tatenlos entgegensteuern zu wollen. Die $CAD 45 Milliarden verwaltende Kapitalanlagefirma hatte ihren Anteil an Home Capital Group in der letzten Woche um weitere knapp 3 Millionen Aktien beziehungsweise respektive um 4,4% abgebaut.

Auch bei QV Investors, einem weiteren großen Anteilseigner an der Home Capital Group, wurde diesem Beispiel in der vergangenen Woche Folge geleistet. In den nächsten Wochen wird sich zeigen müssen, auf welche Weise der rund $CAD 150 Billionen schwere Häuser- und Immobilienmarkt Kanadas diese Entwicklung wegstecken kann.

Blase an gewerblichen Immobilienmärkten bereits geplatzt

Dies gilt vor allem unter der Prämisse, dass die Blase an den gewerblichen CRE-Märkten in manchen Regionen wie Alberta bereits geplatzt ist. Sorgen bereiten den Aufsichtsbehörden zudem auch die völlig aus dem Ruder gelaufenen Preise an den Privatimmobilienmärkten der Metropolen Toronto und Vancouver.   

Manche Beobachter sind dennoch der Auffassung, dass an den kanadischen Häusermärkten zurzeit eher noch „ein kleines Feuer in einer Ecke des Waldes am Brennen ist“. Schnelles Handeln könnte dazu führen, dieses lodernde Feuer auszutreten, bevor es andere Winkel des Waldes entzündet.

Unter Bezugnahme auf solche Aussagen stellt sich mir jedoch automatisch eine Frage. Und zwar: Handelt es sich bei diesen Protagonisten um dieselben „Experten“, Ratingagenturen, Firmeninvestoren, Spekulanten und Analysten, die das Entfachen eines solchen Feuers weder in der Vergangenheit noch heute haben kommen sehen?!!

Aufsichtsbehörden wollen Branche durchleuchten – doch warum erst jetzt?

Wenn Sie sich diese Frage persönlich mit Ja beantworten, dürften Sie über die vergangenen Jahre ein Gefühl dafür entwickelt haben, wie ernst die Lage in Kanada und dem globalen Finanzsystem bald schon wieder sein könnte. Kanadas Aufsichtsbehörden gaben vor einigen Tagen bekannt, die Situation um Home Capital Group aufmerksam zu beobachten.

In diesem Zusammenhang werden momentan wohl auch Konkurrenten des angeschlagenen Hypothekenkreditgebers angeschrieben, um detailliertere Auskünfte über deren Darlehens- und Kreditvergabeverhalten zu geben. Doch warum jetzt erst, in einer Situation, in der der Wald in einem zentralen Winkel am Brennen ist?!!

Wofür gibt es Aufsichtsbehörden überhaupt, wenn diese staatlichen Institutionen aktuellen Entwicklungen an den Finanz- und Kreditmärkten immer wieder hinterher hecheln und sich im Zuge von ausbrechenden Krisen als nichts anderes als Papiertiger erweisen? Auch im Fall des Kontenbetrugsskandals bei Wells Fargo hatten Aufsichtsbehörden nicht eingegriffen.

Bail-In oder doch wieder Bail-Out?

Dabei enthüllte ein vor Kurzem veröffentlichter Bericht des U.S. OCC, dass die Behörde schon seit dem Jahr 2010 über die betrügerischen Vorgänge bei der kalifornischen Großbank im Bilde war. Falls sich die allgemeine Lage in Kanada weiter verschlechtern sollte – wovon auszugehen ist – dürften gewiss Bailout-Spekulationen aufkommen.

Doch wie passen sich derartige Spekulationen überhaupt ins Bild von jüngst nahezu weltweit verabschiedeten Bail-in-Direktiven ein? Schon die brenzlige Situation in Italien hat gezeigt, dass sich nationale Regierungen einen feuchten Kehricht um diese Direktiven scheren, wenn deren heimische Bankensysteme im Feuer stehen.

In Kanada dürfte dies – sollte es dort hart auf hart kommen – nicht anders sein. Denn im Zuge des aktuell noch anhaltenden Booms an den nationalen Häusermärkten hatten die meisten der Kreditgeber im Ahornland im Laufe der vergangenen Jahre kaum Cash-Reserven zum Zweck eines potenziellen Auffangens von Schocks aufgebaut.

Das erneute Versagen der Ratingagenturen

Grund hierfür war vor allem, dass Kanadas Bankensystem durch die großen Ratingagenturen mit Lobpreisungen überschüttet und als „sicherstes Finanzsystem der Welt“ bezeichnet worden war. Sollte es in Kanadas Bankensystem nun also zum Ausbruch einer Finanzkrise kommen, dürften die meisten Kreditgeber über Nacht nackt und ohne Kleider dastehen.

Um abschließend nochmals daran zu erinnern: Nachdem New Century Financial in den USA kollabiert war, kletterten die amerikanischen Aktienmärkte trotz allem noch über einen Zeitraum von mehreren Monaten weiter nach oben, um selbst neue Allzeithochs auszubilden, bevor dann der große Crash einsetzte.   

Wie sich rückblickend auf die damaligen Ereignisse an Amerikas Immobilienmärkten zeigte, waren sich globale Investoren bis dahin kaum bewusst darüber, wie sich die geplatzte Subprime-Blase auf Amerikas Wirtschaft respektive die Weltwirtschaft auswirken würde. Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Kanada dürfte dies heute nicht sehr viel anders aussehen.

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