Stehen die Vereinigten Staaten im Mittleren Osten mehr und mehr auf verlorenem Posten? Noch lässt sich gewiss nicht davon sprechen, doch deutlich wird eines: mit Russland und der Regionalmacht Iran erwächst Washington eine immer stärker werdende Konkurrenz in der Region, die sich gegen westlich-israelische Einflussnahmen zu wehren weiß.

Auf diese Weise werden die Entwicklungen augenscheinlich auch seitens Robert Ford, der ehedem unter Präsident Obama zwischen 2011 und 2014 als Botschafter der USA in Syrien fungierte, gesehen.  

In einem in der vergangenen Woche mit der in London ansässigen Zeitung Asharq Al-Awsat geführten Interview erklärte Ford, dass die syrische Regierung und deren Verbündete die Bestrebungen Washingtons, auch zukünftig Einfluss in der Region auszuüben, letztendlich ausstechen würden.

Kurdisches Blutbad unter Saddam Hussein bleibt unvergessen

Es seien einmal mehr die kurdischen Kämpfer, die aufgrund ihrer Verbundenheit mit der Regierung der Vereinigten Staaten einen hohen Preis bezahlen dürften. Erinnern wir uns an die Geschehnisse im Irak in der Ära von Saddam Hussein.

Auch im Ersten Golfkrieg waren die Kurden mit Washington verbündet, wurden im Zuge des schnellen Abzugs der Amerikaner jedoch den nachrückenden Elitegarden Saddams geopfert. Das damals unter Kurden angerichtete Blutbad bleibt unvergessen.  

Um auf Ford zurückzukommen, so führte der ehemalige US-Botschafter weiter aus, dass die Obama-Administration dem neuen US-Präsidenten Donald Trump nur einen überschaubaren Rahmen von Handlungsoptionen vererbt habe. Dies gelte insbesondere für die Ziele eines Siegs über ISIS sowie einer Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran.

Die Lage in Syrien wird immer undurchsichtiger

Mittlerweile erweist sich die allgemeine Lage in dem durch einen anhaltenden Bürgerkrieg heimgesuchten Syrien als immer undurchsichtiger. Während Russland und der Iran nach wie vor den syrischen Staatspräsidenten al-Assad gegen in das Land einsickernde Terroristen und Dschihadisten stützt, gewähren die USA schnell wechselnden Koalitionen ihre Unterstützung. 

Dazu gehören die so genannten Freien Demokratischen Kräfte Syriens, die sich insbesondere aus Kurden zusammensetzen, jedoch auch andere ethnische Minderheiten sowie Araber einschließen. Trotz des jüngsten Erfolgs in Bezug auf die Erstürmung der für lange Zeit durch ISIS besetzten Stadt Raqqa, sieht Ford den USA in der Region die Felle davon schwimmen.

Regimewechsel in Syrien scheint in weiter Ferne

Das „Spiel ist vorbei“, wie sich Ford ausdrückte. Dies gelte vor allem mit Blick auf die Pläne der USA zu einem Regimewechsel in Syrien samt einem Sturz al-Assads. Darüber hinaus erweise sich der iranische Einfluss in Syrien als massiv, dem Washington nichts entgegen zu setzen habe.

Laut Ford werde sich der Einfluss des Iran in der gesamten Region in den nächsten Jahren noch vergrößern. Während al-Assad den Westen Syriens auch weiterhin fest im Griff und unter seiner Kontrolle habe, sei man im Iran zurzeit mit der Aufstellung und Ausbildung von al-Assad unterstützenden Kräften beschäftigt.

Laut Ford würden diese Kräfte, wenn sie erst einmal losgelassen, Washington letztendlich zu einem Rückzug aus Ostsyrien zwingen. Die sich abzeichnende Lage ließe sich recht gut mit den Geschehnissen um die schiitische Miliz Hisbollah in den 1980er Jahren im Libanon vergleichen.

Ford machte zudem minutiös auf die unter der Präsidentschaft von Barack Obama gemachten Fehler aufmerksam. Zu Beginn der syrischen Krise in 2011 habe er (Ford) den Bestrebungen Obamas und Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton, die sich auf einen Sturz al-Assads im Zuge von aufkommenden Massenprotesten in Syrien fokussierten, stets in scharfer Opposition entgegen gestanden.  

Vereinnahmung moderater Rebellengruppen wegen mangelnder Entschlossenheit

Laut Ford habe die amerikanische Unterstützung der politischen Opposition in Syrien dazu beigetragen, dass gewisse Elemente in der Hoffnung, dass es zu einer ähnlich groß angelegten US-Invasion Syriens wie einst im Irak kommen würde, zu den Waffen gegriffen hätten. Zu einer solchen Invasion ist es allerdings niemals gekommen.

Nachdem Syriens politische Opposition finanzielle Unterstützung seitens der Türkei und den arabischen Golfstaaten erhielt, begann die CIA schließlich damit, eine Reihe von speziellen Rebellengruppen auszubilden und mit Waffen zu bestücken. Als diese Maßnahmen ans Licht des Tages gerieten, hätten sich die USA laut Ford bereits in einer Situation wiedergefunden, in der den Geschehnissen nur noch hinterher gehechelt werden konnte.

Denn sowohl Russland als auch der Iran hatten sich längst dazu entschlossen gehabt, massiv Ressourcen nach Syrien zu verlagern, um al-Assad in dessen Amt zu stützen. Auf Seiten Washingtons hat man es an einer solchen Entschlossenheit mangeln lassen. Resultat war, dass einst als moderat bezeichnete und durch Washington unterstützte Rebellengruppen mehr und mehr durch sunnitische Militante wie ISIS vereinnahmt wurden.  

Koalition mit Washington wird sich für Kurden als Fehler erweisen

Neben dschihadistischen Elementen und Gotteskriegern seien es vor allem die Kurden gewesen, die sich dem bewaffneten Kampf gegen al-Assad in der niemals endenden Hoffnung auf die Bildung eines eigenen Staatswesens anschlossen. Doch eben jene Entwicklungen führten in der Folge dazu, dass auch die Türkei direkt in die Geschehnisse in Syrien mit hineingezogen wurde.

Denn den so genannten „Berg-Türken“ wird der türkische Staatspräsident Erdogan niemals die offizielle Erlaubnis erteilen, ein eigenes autonomes Staatswesen in dessen Grenzregion auszurufen. Eine sich in der Zukunft fortsetzende Koalition zwischen Washington und den Kurden werde sich, so Ford, für die Kurden als bedeutender Fehler erweisen.

Geschichte könnte sich wiederholen…

Denn erweise sich ISIS in Raqqa und anderen Ostgebieten Syriens erst einmal als militärisch besiegt, werde Washington die Kurden genauso fallen lassen, wie dies damals gegen Ende des Ersten Golfkriegs im Irak Saddam Husseins der Fall gewesen sei, so Ford weiter.

Die USA würden die syrischen Kurden zu diesem Zeitpunkt gegen al-Assads anrückende Kräfte nicht verteidigen. Was Washington in der Region zurzeit betreibe, sei daher nicht nur politisch dumm, sondern auch höchst amoralisch.

Ähnlich wie die Kurden Iraks, würden die syrischen Kurden für ihr in Washington gesetztes Vertrauen einen hohen Preis bezahlen müssen, so Ford. Sie begingen einen massiven Fehler, dessen sie sich noch nicht bewusst seien.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"