Bislang erweckte es in den Folgejahren nach dem Überwinden der globalen Finanzkrise ganz den Eindruck, als ob Geschäfts- und insbesondere Zentralbankiers in ihren jeweiligen Jurisdiktionen über den Gesetzen stehen würden.

In Spanien ist mit dieser Tradition nun gebrochen worden, nachdem das Nationalgericht in der letzten Woche ankündigte, sechs ehemalige und noch immer aktive Zentralbankdirektoren zu persönlichen Aussagen vor das Gericht zu zitieren. Für viele Beobachter erfolgte diese Wendung recht überraschend, wurden bislang vor allem Zentralbankiers doch als förmlich unantastbar erachtet. In dem vorliegenden Fall handelt es sich um die über einen Zeitraum von mehreren Jahren anhaltenden Ermittlungen in Sachen des einstigen Börsengangs der Skandalbank Bankia.

Bankia: Fusion aus sieben insolventen Sparkassen

Zur Erinnerung: das Finanzinstitut Bankia entstand nach dem Kollaps an den spanischen Immobilienmärkten aus der Fusion von sieben insolventen Sparkassen. Wie die spanische Tageszeitung El Mundo berichtete, wird das Nationalgericht nun sechs ehemalige und teils noch amtierende Zentralbankiers in diesem Fall vor Gericht laden.

Dazu gehören auch der ehemalige Zentralbankgouverneur Miguel Angel Ordóñez und dessen einstiger Stellvertreter Fernando Restoy. Delikat an der Gerichtsvorladung ist, dass es sich bei Restoy um den zurzeit amtierenden Vorstand der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) handelt.

Auch Julio Segura, ehedem Präsident der spanischen Finanzmarktaufsichtsbehörde CNMV, ist nun durch das Gericht zu einer Aussage vorgeladen worden. Für die Vorgeladenen wird es wohl nicht einfach sein, sich auf eine gemeinsame Strategie vor Gericht festzulegen. Denn allen Betroffenen wird vorgeworfen, Bankias Börsengang im Jahr 2011 autorisiert zu haben.

Schwere Vorwürfe durch hauseigene Inspektoren

Wer klagt an? Dabei handelt es sich um niemand Geringeren als das eigene Inspektorenteam der Banco de España, das einst wiederholt öffentlich gewarnt hatte, dass sich ein Börsengang von Bankia als massiver Fehlschlag für Investoren erweisen und alles andere als nachhaltig sein werde. Noch handelt es sich mit Blick auf die sieben hochrangigen Betroffenen nur um Vorladungen zu einer eigenen Aussage vor Gericht.

Doch dies könnte sich im Verlauf des Prozesses laut Beobachtern auch ganz schnell ändern, da sich die Beweislast, die alle sieben ehemaligen und teils noch immer aktiven „Diener“ der spanischen Öffentlichkeit anbetrifft, momentan recht eindeutig aussähe. Und so nimmt es kein Wunder, dass zwei hauseigene Inspektoren der Banco de España die Betroffenen durch deren eigenen Aussagen vor Gericht teils schwer belastet haben.

Beide Analysten ermitteln bereits seit mehr als zwei Jahren im Fall des Zusammenbruchs von Bankia. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass es mehrere sicher gestellte Emails seitens des Chefinspektors der Banco de España an Pedro Comín, den für den Börsengang von Bankia im Jahr 2011 verantwortlichen und stellvertretenden Direktor der Finanzmarktaufsicht bei der spanischen Zentralbank, gibt.

Zweifel an der Bankia-Solvenz schon seit April 2011

Und aus diesen Emails geht glasklar hervor, dass Comín seitens seines Teams ernsthafte Zweifel an der Profitabilitäts-, Liquiditäts- und Solvenzlage bei Bankia übermittelt worden sind. Bereits im April 2011 hieß es in einer dieser Emails, dass sich das fusionierte Institut auf Basis einer anhaltenden Überprüfung als langfristig nicht überlebensfähig erweise. In einer Folgeemail hieß es, dass sich die finanzielle Lage bei Bankia dramatisch am Verschlechtern sei. 

Das den Fall verhandelnde Gericht legte jetzt schriftlich nieder, dass der Inhalt der sicher gestellten Emails unwiderruflich beweise, dass das gesamte Direktorat der Banco de España vor dem Börsengang Bankias in Gänze im Bilde gewesen sei über die dramatischen Probleme und die Zusammenbruchsprognosen, die Spaniens Zentralbankaufsicht über das Institut im Vorfeld zusammengetragen hatten.

Gleichzeitig soll der Zentralbankvorstand auch im Bilde über die durch das Management von Bankia „fabrizierten Finanzergebnisse“ gewesen sein. Vor allem auf diesen Bezichtigungen könnten die Richter des Gerichts eine separate Anklage gegen die Betroffenen aufbauen, wie es heißt.

Hunderttausende geschädigte Kleinanleger

Schwerwiegend ist der Fall schon deshalb, weil im Zuge von Bankias Börsengang mehr als 365.000 leichtgläubige Anleger zur Zeichnung von Bankia-Aktien ermuntert wurden. Hinzu gesellten sich knapp 240.000 Anleger, die emittierte Vorzugsaktien des Instituts gezeichnet hatten. Seitens der Bankia-Verkaufsmannschaft wurden diese Vorzugsaktien als perfektes Investment zur „sicheren Finanzanlage“ angepriesen.

Selbst die für die Bilanzerstellung von Bankia verantwortlich zeichnende Beratungsfirma Deloitte & Touche bestätigte Bankia noch kurz vor dem Börsengang einen ausgezeichneten finanziellen Zustand. Damit handelt es sich im Fall von Bankia um einen der größten vor Gericht verhandelten Betrugsfälle in der Landeshistorie Spaniens.

Anklagepunkte: Geldwäsche, Steuerbetrug und bewusste Irreführung von Anlegern

Insgesamt stehen 68 ehemalige Mitarbeiter des Managementteams von Bankia – inklusive des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Rato als Angeklagte vor Gericht. Rato sieht sich zudem einer Anklage in Sachen Geldwäsche, Steuerbetrug und einer bewussten Irreführung von Anlegern ausgesetzt.

Es wird interessant sein zu beobachten, auf welche Weise sich die hochrangigen und nun vor Gericht berufenen Vertreter der spanischen Zentralbank im Prozess verhalten werden. Manch Beobachter fürchtet momentan sogar, dass sich einige von ihnen um Kopf und Kragen reden könnten. Denn es ist nur noch ein schmaler Grad, bis die Betroffenen vielleicht bald selbst auf der Anklagebank werden Platz nehmen müssen. Warten wir es ab.

Update der Cashkurs-Redaktion: Soeben wurde EX-IWF-Chef Rodrigo Rato wegen Unterschlagung zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

http://www.epochtimes.de/politik/welt/ex-iwf-chef-rato-wegen-unterschlagung-zu-viereinhalb-jahren-gefaengnis-verurteilt-a2055990.html

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