Noch nicht einmal zwei Jahre ist es her, dass die offizielle Arbeitslosenquote Spaniens bei einem Niveau von knapp 24% gelegen hatte. Dieser prozentuale Wert übersetzte sich damals – gemessen an der Erwerbsbevölkerung des Landes – in 5,55 Millionen Menschen ohne Job.

Rückgang der Arbeitslosenquote um ca. 7%...

Dieser Wert entsprach – hinter Griechenland – auch gleichzeitig dem zweithöchsten Niveau unter allen EU-Ländern. Manche Regionen wie das südspanische Andalusien blickten gar auf Werte von knapp 35%.
 
Heute ist die offizielle Arbeitslosenquote auf 17,2% gesunken, was zwar noch immer Niveaus entspricht, die in Zeiten von Wirtschaftsdepressionen gemessen werden. Doch immerhin, der Rückgang um rund 7 Prozentpunkte wurde nur von den wenigsten Institutionen erwartet und vorausgesehen.

…doch Erwerbsbevölkerung ist um 800.000 Personen geschrumpft, neue Jobs meist im Niedriglohnsektor

Erstmals seit dem Finanzkrisenjahr 2008 werden wieder weniger als 4 Millionen Spanier gezählt, die über keinen Arbeitsplatz verfügen. Wie lässt sich dieser Rückgang der Erwerbs- und Arbeitslosigkeit erklären? Vielleicht unter Bezugnahme auf den aktuellen Tourismus-Boom und eine seit zwei Quartalen in Folge wachsende Wirtschaft?

Wohl kaum. Denn einerseits lässt sich viel eher feststellen, dass die Erwerbsbevölkerung in Spanien beständig am Schrumpfen ist. Vor allem viele junge und gut ausgebildete Spanier haben das Land längst in Richtung Ausland auf der Suche nach einem Arbeitsplatz verlassen.

In den vergangenen fünf Jahren ist die spanische Erwerbsbevölkerung laut Statistik um knapp 800.000 Personen geschrumpft. Andererseits zeigen die spanischen Arbeitsmarktstatistiken – ähnlich wie in den USA –, dass die meisten neuen Jobs alleine im Niedriglohnsektor und Bereich der prekären Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.

Mehr als ein Drittel des Rückgangs auf die Schrumpfung zurückzuführen

Wie die Tageszeitung El Confidencial kürzlich berichtete, sei die massive Schrumpfung der heimischen Erwerbsbevölkerung für mehr als ein Drittel des zwischen den Jahren 2012 und 2017 zu beobachtenden Rückgangs der Arbeitslosigkeit in Spanien verantwortlich.

Am stärksten von dieser Entwicklung ist die damalige Altersgruppe von zwischen 24 und 30 Jahren betroffen, die vor zehn Jahren insbesondere in der Bau- und Immobilienbranche beschäftigt gewesen ist.

Viele Angehörige dieser Altersgruppe hatten sich nach dem Platzen der Immobilienblase dazu entschlossen, noch einmal an die Uni zu gehen oder gleich ihr Arbeitsglück im Ausland zu suchen. Dass eine deutliche Reduktion der Erwerbsbevölkerung Resultat dieser Entwicklung ist, verwundert also kaum.

80% der unter 30-Jährigen Beschäftigten wohnen bei den Eltern

Was in diesen Tagen noch deutlicher zum Vorschein kommt, ist die Tatsache, dass Mitglieder der Altersgruppe der heute 30- bis 40-jährigen in den vergangenen fünf Jahren zu großen Teilen komplett aus der Erwerbsbevölkerung herausgefallen sind, weil viele dieser Personen trotz dauerhafter aktiver Suche keinen neuen Job mehr finden.

Unter Bezugnahme auf eine neue Studie des Jugendverbands der Region Andalusien leben acht von zehn (!) Beschäftigten in der Altersgruppe der unter 30-jährigen noch immer unter dem Dach der Eltern.

Die aus der Studie hervorgehenden Daten weisen darauf hin, dass diese Beschäftigtengruppe einfach nicht über ein individuell ausreichendes Einkommen verfügt, um eine eigene Wohnung anzumieten, geschweige denn eine eigene Familie mit Kindern zu gründen.

Mehrzahl der Verträge haben kurze Laufzeit

Einen weiteren Bericht zu dieser Entwicklung hatte kürzlich die spanische Tageszeitung ABC veröffentlicht. Danach sollen rund 1,75 Millionen der im Dezember vergangenen Jahres neu unterzeichneten Arbeitsverträge – oder mehr als 90% – temporärer Natur und somit zeitlich befristet gewesen sein.

Im April dieses Jahres waren es knapp 30% aller neu unterzeichneten Arbeitsverträge, die zeitlich befristet waren – und zwar jeweils nur für einen Zeitraum von einer Woche (!). Fast die Hälfte der im April abgeschlossenen Arbeitsverträge waren nicht einmal einen Monat später schon wieder beendet.

Selbstverständlich gibt es hierfür triftige Gründe. In erster Linie werden neu geschaffene Stellen vor allem in den Sektoren Tourismus und Hotelübernachtungen angeboten. Diese Stellen unterliegen allerdings starken saisonalen Zyklen.

„hire and fire“ - Arbeitnehmerschutz seit Liberalisierung marginal

Seitdem Spaniens Regierung die heimischen Arbeitsmärkte im Jahr 1984 liberalisierte, gibt es für Angestellte und Arbeiter kaum mehr einen Arbeitnehmerschutz. Dies gilt vor allem unter Bezugnahme auf Entlassungspläne im heimischen Unternehmenssektor.

Befristete Arbeitsverträge gelten seitdem nur noch für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren. Erst nach diesem Zeitraum müssen Spaniens Arbeitgeber im Falle einer geplanten Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern unbefristete Arbeitsverträge anbieten.

Bis es jedoch so weit kommt, herrschen oftmals eine unterdurchschnittliche Bezahlung der durch die Unternehmen in Anspruch genommenen Arbeitsleistungen und so gut wie gar keine Ansprüche auf Entlassungsabfindungen vor. 

Spätestens seit Ausbruch der globalen Finanzkrise und dem gleichzeitigen Platzen der spanischen Immobilienblase heißt das Motto im heimischen Unternehmenssektor eigentlich nur noch „hire and fire“.

Unternehmen sehen sich immer stärker dazu ermutigt, ihren Mitarbeitern prekäre und vor allem zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse anzubieten, die zudem häufig sehr schlecht bezahlt werden. 

In Spanien ist die Lage am Arbeitsmarkt mittlerweile so dramatisch, dass selbst die Bank von Spanien jüngst davor warnte, dass die Abwärtsspirale im heimischen Einkommenssektor die Ziele der Europäischen Zentralbank zur Inflationsankurbelung in der Eurozone massiv zu unterminieren drohe.

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