Doch sie kam, sah und siegte: Die Politik. Sie brachte den schwindsüchtigen Patienten mit unkonventionellen staatlichen Behandlungsmethoden in eine stabile Seitenlage. Die Finanzpolitik bekämpfte mit beispiellosen und stabilitätsfeindlichen Neuschulden erfolgreich die Depression. Die theoretisch unausweichliche Schuldenkrise verhinderte die Geldpolitik praktisch ebenso durch Rechtsbeugung ihrer Regeln. Der politische Zweck des Systemerhalts heiligt eben alle Mittel.
Den Luxus von Regeln leistet sich Politik bis heute nicht. Der Regelbruch ist nicht die Ausnahme, sondern zur Regel geworden. Nur so scheint Ruhe in den umsturzbedrohten Karton zu kommen. Mit wirklichen Stabilitätskriterien hätte man Griechenland nicht in der Eurozone halten können. Und angesichts seiner vielfachen Defizitverstöße hätte Frankreich stabilitätsgerechte Milliarden-Strafen zahlen müssen. Doch niemand in Brüssel wollte die Franzosen gegen Europa aufbringen. Und wer jetzt glaubt, die EU würde an Italien trotz aktueller Schaukämpfe ein klares Stabilitäts-Exempel statuieren, glaubt vermutlich auch an den Weihnachtsmann. Brüssel will Europa gerade vor den Europa-Wahlen im Frühjahr 2019 keiner weiteren Belastungsprobe aussetzen. Der Abgang der Briten sorgt bereits für Knirschen im EU-Gebälk.
Was Mutter Beimer in der Lindenstraße ist die EZB in der Eurozone
Angesichts einer Weltgesamtverschuldung von etwa 250 Billionen US-Dollar sind markt-, bonitäts- oder stabilitätsgerechte Leitzins- und Renditeerhöhungen reine Illusion. Der Schuldendienst wäre nicht mehr bezahlbar. Für diese Erkenntnis reicht das kleine Einmaleins. Ohnehin wächst die weltweite Verschuldung weiter wie Spargel im Frühjahr. Wie sonst soll soziale Ruhe auf den Straßen finanziert werden? Und in Amerika gibt es zwar viele neue, aber viel zu wenige einkommensstarke Jobs. Und wo das Einkommen fehlt, müssen eben Kredite her. Kein US-Präsident hat Interesse, dass die amerikanische Schuldenblase platzt, denn dann platzen auch Konjunktur und Wiederwahl.
Aus Angst vor wirtschaftlichen Verwerfungen will auch die Fed der Schuldenblase keine Reißzwecke in den Weg legen. Trotz neunmaliger Steigerungen bis Jahresende liegt der US-Leitzins doch nur auf dem Niveau der Inflationsrate. Vor der ersten Erhöhung 2015 war der reale Notenbankzins sogar noch positiv. Ich glaube sogar, dass der Zinserhöhungszyklus im nächsten Jahr ausläuft.
Noch weniger Angst muss man vor Stabilitätsanfällen der EZB haben. Im Gegenteil, sie betreibt satzungsfremde Sozialpolitik zur Bewahrung des europäischen Friedens.
Die vielen Schattenseiten des Etatismus
Tatsächlich, die politisch gewollte Staatswirtschaft hat sicher in den Krisen, bei denen es auch zum Marktversagen kam, den Systemzusammenbruch verhindert. In allzu laute Hosianna-Rufe auf die Staatswirtschaft sollte dennoch niemand ausbrechen. Die Politik scheint immer mehr zu glauben, der Staat müsse wie eine Mutterglucke die schutzbefohlenen Küken bei allen ökonomischen und sozialen Problemen beschützen bzw. bevormunden.
Die Überregulierung z.B. im Finanzsektor hat mittlerweile Maß und Mitte verloren. Wie beim Datenschutz werden die ideologischen Bretter immer dicker und geraten zum Selbstzweck. Gleichzeitig werden Sozialleistungen hochgefahren und Debatten über bedingungslose Grundeinkommen geführt - ohne Gedanken daran zu verschwenden, wie man diese Segnungen in einer immer wettbewerbsfähigeren Welt erwirtschaften will.
So hat z.B. die langjährige Verhinderung der Elbvertiefung dem Hamburger Hafen nur Marktanteilsverluste zugunsten von Amsterdam und Rotterdam eingebracht. Auch gibt es Volksvertreter, die dem flächendeckenden Netzausbau im Zeitalter der Digitalisierung immer noch keine Hauptrolle geben wollen. Und wer meint, in einem dauerhaft diätösen Zinsumfeld die Aktie als Komponente für die Altersvorsorge als Teufelszeug zu verdammen, kann nur Politiker sein, der aufgrund seiner staatlichen Pensionen keinen Handlungsbedarf hat.
Der politisch überkorrekte und hypermoralische Helikopter-Staat nimmt damit der Wirtschaft immer mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Es kommt früher oder später zum Export von Unternehmen, die sich nicht mehr in das enge staatliche Wirtschaftskorsett zwängen wollen. Und leider nehmen sie Arbeitsplätze mit. Und dann bekommt der alte Schlager „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ bittere Relevanz. Dann leben wir nur noch von der Substanz.
Ja, in der Not muss der Staat da sein wie die Feuerwehr, die löscht, wenn es brennt. Aber in Zeiten ohne Rauchentwicklung muss Politik die Wohlstandsgrundlagen permanent investitionsfreundlich optimieren. Nicht nur Klassenerhalt, sondern weiterer Aufstieg ist ihre Aufgabe. Das kann man gerne Strebertum nennen.
Ich nenne es soziale Marktwirtschaft.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
Die von den Multis geforderte Migration wird die bisherige Gesellschaft weiter spalten, atomisieren, entsolidarisieren und zerstören, worauf sich schon alle antideutschen Blockparteien besonders freuen.
Macht nichts, Hauptsache der BVB wird Meister. Wurzellose Mischvölker lassen sich leichter beherrschen heißt es, dabei funktioniert es doch schon jetzt hervorragend...
Es kann nicht sein, dass erst dann der Staat ins Spiel kommt, wenn Unternehmen und Banken zusammengebrochen sind. Vor allem aber ist es ungerecht, wenn Staatsgelder privatisiert werden und die Schere zwischen Arm und Reich derart auseinanderklafft. Wir brauchen keinen Streber. Globale sozialverträgliche Lösungen sind angefragt. Tiefer, größer, mehr und weiter haben zum ökologischen Ruin geführt. Die Elbe ist tief genug. Small is beautiful. Regional und dezentral statt immer größer.
Staatsmacht und die Macht von Konzernen sind beide zu begrenzen. Ziel ist eine lebenswerte Heimat, die nicht von Akkumulateuren regiert wird.
Was soll die Elb-Vertiefung? Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht und wir im Jahr 2050 klimaneutral sind (bei der Hilflosigkeit gegenüber der Automobil-Industrie kommen mir erhebliche Zweifel) ist Hamburg längst abgesoffen und mit ihm große Teile Norddeutschlands, es sei denn man erhöht die Deiche um 2 Meter. Aber da müssten dann auch die Niederlande mitmachen. Der Anstieg der Meeresspiegel wird in den nächsten 30 Jahren ca. 1 Milliarde Menschen dazu zwingen ihre Heimat zu verlassen, dagegen ist die sog. »Asylantenflut« die D z.Zt. erlebt ein bunter Seniorennachmittag.
Es gibt viel zu tun, lassen wir's liegen. Ach so, Mutti treibt jetzt die Digitalisierung voran und vermutlich auch den Wiedereinstieg in die Atomkraft (alternativlos eben, weil, anders schaffen wir die Klimaziele nicht. Merken Sie was? Da ist er wieder, der Wendehals :—/.