Wer sich des Öfteren an deutschen Bahnhöfen oder in Zügen aufhält, der ahnt es schon. Es kann nicht anders sein, selbst wenn es ein gut gehütetes Geheimnis ist. Die Deutsche Bahn untersteht offenbar dem Verteidigungsministerium! Anders ist der trostlose Gesamtzustand kaum zu erklären. Die Melange aus heruntergekommenen Bahnhöfen, zu spät oder gar nicht fahrenden Zügen, kaputten Bistroküchen und einem oft (womöglich zurecht) missmutigen Personal hinterlässt das dumpfe Gefühl, dass es nicht besser, sondern einfach immer nur noch schlimmer wird.

Die Privatisierung ist nicht an allem Schuld!

An Ausreden für den Zustand mangelt es nicht. Politik und Bahnführung blicken auf den selbst verursachten Scherbenhaufen und erinnern dabei an inkompetente und im Abwärtsmarkt hilflose Bankvorstände, die denken ausuferndes Geschwafel über Wein und ein paar Geschichten aus aller Welt könnten Kapitalmarktkenntnisse ersetzten. So findet sich immer eine Ursache, für die jemand anderer verantwortlich ist.

Ein beliebter Schuldiger ist die „Privatisierung“. Nun war das Thema „Börsengang der Bahn“ natürlich von Beginn an einer der größten Witze der deutschen Finanzgeschichte. Man stellt sich die Frage, warum ein Bahnkonzern unbedingt gelistet werden muss und warum dies zu allem Überfluss passieren soll, bevor er funktioniert. Jeder, der sich in seinem Leben auch nur fünf Minuten mit Finanzen beschäftigt hat, fragt sich dann, warum ausgerechnet dieser dysfunktionale Bahnkonzern gelistet sein sollte.

Datensalat statt knackigem Frisée im Bordrestaurant

Dennoch ist die so genannte Privatisierung bei allem Blödsinn sicherlich nicht der Grund für das nahezu vollumfängliche Elend. Die Vorwürfe erinnern an die einiger Hobby-Sozialisten, die die Umweltzerstörung des Kapitalismus anprangern, während sie die Umweltsituation im ehemaligen Ostblock, in Venezuela oder in anderen sozialistischen Experimental-Staaten offenbar etwas blumiger in Erinnerung haben als sie war.

Bei der Bahn kommen einem viele Mängel in den Sinn. Es fängt bei der überbordenden Bürokratie und der absurden Trennung der Planung von Fern- und Regionalverkehr an, zieht sich hin über den Fokus auf ein paar hippe Trassen und den ICE, und erstreckt sich bis zur bemerkenswert inkonsistenten Datenhaltung der Bahn. Letztere ist wirklich grandios.

Wer hat sich nicht schon über die simultane Anzeige verschiedener Ankunftszeiten für ein und denselben Zug auf der Smartphone-App, auf der großen Anzeigetafel in der Bahnhofshalle und auf den Anzeigen am Bahnsteig gefreut. Die Sequenz „Hurra pünktlich“ (App), „Oh, fünf Minuten später...“ (Anzeigetafel) und schließlich „Waaas? Fällt aus?“ hält die Reisenden wach und den Puls hoch.

Die Reiseauskunft im Internet ergänzt das Potpourri der Daten um die „geänderte Wagenreihung“, die freilich auf Grund des Zugausfalls nicht schlagend werden konnte. Offenbar gibt es entweder mehrere Datenbanken für eine Information oder die vorhandene Datenbank ist inkonsistent. Beides eine hübsche Aufgabe für die Bahn-Informatiker. Eine Meldung, auf die wir noch warten, lautet „Der ICE fällt heute abweichend auf einem anderen Gleis aus. Bitte beachten Sie die geänderte Wagenreihung“.

Psychologie der Massen

Ein schönes Juwel der Personen-Logistik ist die Positionierung der Anzeigetafel in Bahnhöfen. Gerne wird dieser Publikumsmagnet direkt neben dem großen Treppenaufgang positioniert. So wird sichergestellt, dass immer gleichzeitig hundert Leute vor der Treppe in die Luft starren, während andere hundert versuchen, zwischen Ihnen die Treppe zu erreichen. Herrliche Umstände für alle Menschen ohne Berührungsängste und immer eine Gelegenheit, echte Emotionen und Bereicherung zu spüren.

Ein schönes Argument für die Bahn soll vermutlich auch der Hinweis auf die ebenfalls zunehmend nicht mehr ihren Zweck erfüllende Autobahn sein. Warum es in Ordnung sein soll, den Bahnverkehr nicht organisieren zu können, nur weil rund um Köln (und Hamburg, und …) Dauerstau herrscht, erschließt sich dem Betrachter nicht. Wenn Deutschland bei der Fußball-WM nach einer armseligen Vorstellung ausscheidet, wird diese Leistung nicht besser, wenn gleichzeitig das Curling Team bei den Winterspielen das Finale verpasst. Wenn im Zug mal wieder die Heizung ausfällt, muss dann das Fahrrad als Vergleich herhalten?

Der Zustand der Deutschen Bahn fügt sich nahtlos in die Reihe politisch visionsloser deutscher Glanzleistungen ein. Sollte sich die Bahn doch noch zu einem Sanierungs-Börsengang entscheiden, sollten Riester-Sparer darüber nachdenken, ob nicht eine Short-Position für die Altersvorsorge ausnahmsweise eine Option ist - falls der stets um die Kleinanleger bemühte Regulierer dies erlaubt.

Vision: Weg mit der Bahn

Ansonsten sollte man ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Bahn für den Individualverkehr abzuschaffen und durch Straßen und selbstfahrende Fahrzeuge zu ersetzen. Das mag lange dauern, aber man sollte den technologischen Fortschritt weder unterschätzen noch ignorieren. Die Haupttrassen zwischen den Großstädten könnte man mit einer neuen Schnellbahn verbinden (muss man wohl in China kaufen). Auch ein Netzwerk aus Trassen für den Güterverkehr kann man möglicherweise beibehalten, denn Eisenerztransporte auf der Straße wären wohl doch etwas zu viel des Guten. Falls man nach der verzögerten Umsetzung des Morgenthau-Plans überhaupt noch Industriegüter transportieren muss.

Es wäre interessant, sich ein solches Modell einmal durchzurechnen anstatt darüber nachzudenken, wie man in den kommenden zehn Jahren noch hier und da eine Strecke schließt - und dort zu horrenden Kosten eine neue baut. Nun sind wir weder Verkehrsplaner noch Logistiker und daher werden vermutlich einige mit dem Kopf schütteln. Aber schon bei vielen technologischen Entwicklungen und Strukturbrüchen wurde früher mit dem Kopf geschüttelt. Vielleicht geht der Individualverkehr ja auch in den kommenden Jahrzehnten in die dritte Dimension, die ersten Multikopter, die Personen transportieren, gibt es ja bereits. Die faszinierende Technik kommt aus Deutschland.

    

Wie auch immer, ein weiteres Durchwursteln bei gleichzeitigem Ignorieren technologischer Entwicklungen ist sicher keine Lösung. Einige einfache Verbesserungen möchten wir aber schon einmal vorschlagen: Die Bahn sollte ab sofort (a) ihre zwanghaft politisch korrekte Werbung abschaffen, (b) den Versand von Kuchengutscheinen und anderem Krimskrams sowie das Bahn-Bonus Programm einstellen und (c) die Ökostrom- und Weltrettungsschildchen von den Zügen und aus den Bahnhöfen entfernen. Die mit der schwer erträglichen Werbung betrauten Agenturen sollte man entlassen sowie die mit diesem Quark beschäftigen Mitarbeiter durch Techniker und Ingenieure ersetzten, um sich endlich wieder auf die Dienstleistung zu konzentrieren, Menschen und Güter sicher, verlässlich und pünktlich von einem Ort zum anderen zu bringen.

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