Krankenhausleistungen werden in Deutschland im Wesentlichen nach diagnosebezogenen Fallgruppen abgerechnet, sogenannten Diagnosis Related Groups (DRGs). Auch die Bezahlung von Organtransplantationen erfolgt in Anwendung der DRGs. Bereits die Vergütung für die im Transplantationskrankenhaus vorgenommene eigentliche Transplantationsleistung kann über 100.000,00 Euro betragen.
Beispielsweise sind Lebertransplantationen mit Beatmung unter dem DRG-Schlüssel A01A codiert. Die von den Krankenkassen für diesen Fall gewährte Kostenerstattung beläuft sich im Jahr 2019 bei Normalliegern auf 103.000,00 Euro.
Das dem hirntoten Spender entnommene Organ muss möglichst zeitnah zum Empfänger transportiert werden. Für die Organisation der erforderlichen medizinischen und organisatorischen Schritte einer Organtransplantation ist in Deutschland die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) zuständig.
Die Stiftung nimmt Meldungen möglicher Organspender entgegen und koordiniert die „Gemeinschaftsaufgabe Organspende“. Sie sorgt dafür, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte vollzogen werden, damit Organe entnommen, an geeignete Patienten vermittelt und transplantiert werden können.
Vergütung für Leistungen der medizinischen Transplantation
Für ein transplantiertes Organ mit Flugtransport fallen gemäß des zwischen Kran- kenkassen und DSO vereinbarten Budgets im Jahr 2018 Zahlbeträge von etwa 30.000,00 Euro an - davon für Organisationspauschale incl. Hirntoddiagnostic 11.777,00 €, Aufwandserstattung für Entnahmekrankenhäuser (nicht die eigentliche Organtransplantation) 1.729,00 €, Transplantationsbeauftragte 6.737,00 €, Flugpauschale 8.419,00 € (Quelle: Vergütungssätze für Leistungen im Bereich Organtransplantation, AOK Bundesverband). Eher zu vernachlässigen ist die Registrierungspauschale für Eurotransplant (ET) in Höhe von 1.166,00 Euro.
Soweit bei Herztransplantation mit Flugtransport mobile Transportsysteme zum Einsatz kommen, die es ermöglichen, Spenderherzen körperwarm zu transportieren, fallen zusätzliche Kosten von 73,600,00 Euro an (ohne Flugtransport 65.181,00 Euro) - deren medizinischer Nutzen ist jedoch nicht zweifelsfrei erwiesen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben beschlossen, den Einsatz im Rahmen einer Registerstudie unter kontrollierten Bedingungen zu ermöglichen.
Ziel ist es, die Anzahl der für eine Transplantation geeigneten Herzen zu erhöhen (Quelle GKV-Spitzenverband) (1) .
Pflicht zur Organabgabe - Gewinnmaximierung für den Gesundheitsmarkt?
Im wirtschaftlichen Sinne betrachtet, handelt es sich bei vorgenanntem Gremien um Marktteilnehmer auf dem Gesundheitsmarkt. Unter Markt versteht man gemeinhin das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Über ein knappes Gut (Spenderorgan) wird verhandelt und im Falle übereinstimmender Willenserklärungen ein Preis vereinbart.
Nach dem Entwurf des „Gesetzes für Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)“ kommt es künftig auf übereinstimmende Willenserklärungen nicht mehr an. Jeder Bundesbürger ist künftig Organspender, soweit er oder seine Angehörigen der Organentnahme nicht ausdrücklich widersprechen. Das Gesetz soll in der zweiten Jahreshälfte 2019 in Kraft treten.
Aufgrund dieser Quasi-Pflicht zur Organabgabe ist davon auszugehen, dass in Zukunft genügend Spenderorgane zur Verfügung stehen werden. Bislang bedurfte es zur Organentnahme der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Diese musste zu Lebzeiten erklärt werden (Entscheidungslösung).
Die Organentnahme rechnet sich für die hierauf spezialisierten Transplantationszentren bereits heute. Gewinnmaximierung kann aber erst dann erfolgen, wenn genügend Spenderorgane zur Verfügung stehen. Dem ist bislang nicht so.
Im Jahr 2017 wurden etwa 800 Spendern Organe entnommen. Im Durchschnitt je- dem Spender 3,3 Organe entnommen und in Summe 2.765 Organe transplantiert (Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation 2018). Derzeit warten in Deutschland mehr als 10.000 Patienten auf ein Spenderorgan, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Auf der Warteliste von Eurotransplant standen Ende 2017 insgesamt 14.773 Menschen (Länder Deutschland, Niederlande, Belgien, Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien).
Wachstum durch Organentnahme
Um den betriebswirtschaftlichen Gewinn zu maximieren, ist die volkswirtschaftliche Nachfrageseite zu stimulieren. Stehen ausreichend Organe zur Verfügung, wird es möglich sein, jede auch nur denkbare Nachfrage zu befriedigen.
Bereits heute klagen Krankenkassen über unnötige Operationen. So sind beispielsweise nach einer Auswertung der Techniker Krankenkasse acht von zehn Rückenoperationen unnötig. Patienten fragen in der Regel jedoch nicht eine Operation am Rücken nach, sondern die Genesung oder zumindest Besserung ihres Leidens.
Es sind die übrigen Marktakteure, welche die Operation empfehlen. Sollten künftig medizinisch unnötige Organtransplantationen ärztlich angeregt werden - ähnlich den bereits heute oftmals unnötigen Operationen, wie beispielsweise am Rücken, werden die Krankenkassen mit erheblichen Kosten belastet.
Wachstumsmotor Medizintourismus
Im Jahr 2017 wurde der sogenannte Medizintourismus vom wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages dokumentiert. „Bereits 2014 seien nach einer Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 251.000 Patienten aus insgesamt 176 Ländern nach Deutschland gekommen, um sich hier stationär oder ambulant behandeln zu lassen. Die Zahl der Patienten habe sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auf diese Entwicklung haben unterschiedliche Dienstleister im Gesundheitsbereich inzwischen reagiert. Kliniken haben internationale Fachabteilungen eingerichtet, die auf die Untersuchung ausländischer Patienten eingerichtet sind“. (Quelle: Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, WD 9 - 3000 - 016/17)
Bessere Bezahlung für Entnahmekliniken
Künftig sollen alle mit einer Organentnahme im Zusammenhang stehenden Leistungen besser vergütet werden. Die Entnahmekrankenhäuser (nicht Transplantationskrankenhäuser) erhalten eine Grundpauschale für die Feststellung des irreversiblen Hirnausfalles und Leistungen, die vor der Spendermeldung erbracht werden.
Gemäß Gesetzentwurf werden weitere Pauschalen für die intensivmedizinische Versorgung und Leistungen bei der Organentnahme gewährt. Kostenträger sind die gesetzlichen Krankenkassen. Die Pauschalen werden von der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Bundesärztekammer festgelegt.
Drittens wird es einen Ausgleichszuschlag geben. Mit diesem werden nicht messbare Aufwendungen abgegolten, die im Zusammenhang mit einer Organspende entstehen. Die Entnahmekrankenhäuser sollen im Ergebnis den dreifachen Betrag der in den heutigen DRG-Regelungen vereinbarten Pauschalen erhalten.
Es ist angestrebt, auch kleineren Krankenhäusern die Organentnahme zu ermöglichen. Unterstützt werden sie von qualifizierten Ärzteteams. Bundesweit soll ein neurologischer konsiliarärztlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet werden. Dessen Ärzte sollen helfen, den Hirntod festzustellen. Dieser ist zwingende Voraussetzung der Organentnahme.
Ethische Fragen scheinen zweitrangig
Im Zusammenwirken von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern erfolgt die Gewinnmaximierung für die Beteiligten - mit Ausnahme des Patienten. Dessen vom Einkommen abgezogenen Krankenkassenbeiträge sind jedoch unverzichtbar für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitsmarktes.
Dabei wurden ethische Fragen nach einer Deregulierung (Freigabe) des Marktes „Organentnahme bei Hirntoten“ sowie einer zweifelsfreien Unterscheidung zwischen Hirntod und Tod noch gar nicht gestellt. Nach Ansicht von Experten ist keineswegs eindeutig, zu welchem Zeitpunkt des Sterbeprozesses die Grenze zwischen Leben und Tod irreversibel überschritten ist (so beispielsweise Professor Dieter Birnbacher, Ärzte Zeitung Online, 24.02.2015).
Die künftige Widerspruchslösung eröffnet den tonangebenden Marktteilnehmern Perspektiven der Gewinnmaximierung. Anders würde sich die Situation darstellen, wenn es Klinikunternehmen und anderen Akteuren nicht möglich wäre, mittels des Hirntodes Erträge zu generieren.
Der Patient ist gesetzlich verpflichtet, sich bei einer Krankenkasse zu versichern. Aus seinen Zwangsbeiträgen schöpfen andere Erträge und es erfolgen Gewinnausschüttungen an Aktionäre privatisierter Kliniken. Künftig hat der Beitragszahler auch noch seine Organe zu Markte zu tragen.
Quellen:
Kommentare
Wenn es, wie in ihrer sehr interessanten teils ökonomischen Betrachtung, also viel zu verdienen gibt wieso werden die Menschen , die das versorbene "Humankapital" ggf. unterichteten, aufzogen, ernährten , pflegten, liebten usw. nicht zumindest signifikant entschädigt?
Entweder es geht der Politik um wahre Nächstenliebe dann muss es doch nahezu ein Geschenk sein oder es geht wieder einmal Lobby Gruppen ums große Geschäft. Bin sprachlos .....
Ferner werde ich alle die ich erreichen kann, zum selbigen Schritt ermuntern.
@DM-Zugang: "Entweder es geht der Politik um wahre Nächstenliebe"..... ich habe lange nicht so laut gelacht :-))
Sonst wären die Organe ja auch tod.
Wer also nicht lebendig ausgeweidet werden will und sich noch mit "seiner" Person identifiziert, sollte handeln...
Elektornische Gesundheitskarte ----> Mein Gesundheitszustand inkl. alle Daten (Blutgruppe usw.) bekannt ---> ein stinkreicher benötigt ein Herz ----> eine Suche im System ergibt, dass mein Herz genau das richtige wäre ----> game over!
Verschwörungstheorie .... schaut euch unsere Spezies an und das System ... eher nicht....
Hier wird für die Eliten ein Ersatzteillager aufgebaut...
Ein weiteres Problem ist die Unterfinanzierung des Systems, was unsere Politiker jetzt zum Glück erkannt haben. Man kann das natürlich negativ auslegen und nur die Profitgier der Beteiligten in den Vordergrund stellen. Aber ohne eine adäquate finanzielle Ausstattung kann eine so komplexe medizinische Leistung nicht funktionieren.
Des Weiteren muss man die Kosten einer Transplantation z.B. den Kosten einer dauerhaften Dialysebehandlung gegenüberstellen, welche ein Mehrfaches kostet.
Die ständige Diskussion über den Hirntod bringt nicht weiter. So ist eben nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Tod des Menschen definiert. Es geht hier nicht um das Abschalten oder nicht-Abschalten. Abgeschaltet wird in dieser Situation auf jeden Fall. Es geht nur um die Frage, ob die Organe verwesen oder transplantiert werden. Im letzteren Fall kann der Tote mit seinen Organen mindestens 5 Menschen das Leben retten.
Der Sterbende hat das Recht in Frieden zu sterben, ohne dass schon jemand "in der Tür" steht, der auf seine Organe lauert. Aber: Wenn er dann in Ruhe gestorben ist, ist kein Geschäft mehr mit ihm zu machen.
Außerdem ist es nicht gerechtfertigt, alle Beteiligten als profitgierig zu bezeichnen. Für das Pflegepersonal und die Ärztinnen/Ärzte, die sich für die Transplantation engagieren, ist das immer eine extrem belastende Angelegenheit, für die sie keine zusätzliche Vergütung erhalten.
Da stimme ich Ihnen komplett zu!
Lg
besten Dank für Ihre beiden Kommentare zu meiner CASHKURS-Veröffentlichung.
Lassen Sie mich bitte mit einigen Zeilen auf Ihre interessanten Überlegungen eingehen:
zu: „die überwiegende Zahl der Bürger ist bereit, Organe zu spenden, jedoch zu träge, selbst die Initiative zu ergreifen“
In Göttingen, Jena und Leipzig hat es Organspendeskandale gegeben (2012 und Folgejahre). Presseberichten zufolge sollen selbst Kontrolleure von einem systematischen Fehlverhalten gesprochen haben.
Möglicherweise ist in der öffentlich diskutierten Manipulation medizinischer Daten eine Ursache zu suchen, warum ein großer Teil der Bevölkerung der Organspende mit Skepsis gegenübersteht.
Inwieweit die Menschen „zu träge sind, selbst die Initiative zu ergreifen“ vermag ich nicht mit Sicherheit einzuschätzen.
zu: „Unterfinanzierung des (Gesundheits)Systems“
Den größten Kostenblock im Gesundheitswesen stellen mit ca. 70 % die Personalkosten dar. Das sogenannte Arbeitgeberbrutto beträgt ca. 120 % des mit dem Arbeitnehmer vereinbarten Bruttoentgelts. Nahezu die Hälfte des Betrages sind Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.
Über die Höhe vorgenannter Abgaben beschließen unsere Politiker. Kenntnis von der Unterfinanzierung des Gesundheitssystems werden sie sicherlich haben. Die Personal(neben)kosten sind jedoch in den zurückliegenden Jahren stetig angestiegen.
zu: „ohne eine adäquate finanzielle Ausstattung kann eine so komplexe medizinische Leistung nicht funktionieren“
Da stimme ich Ihnen zu. Jedoch wird nach meiner Einschätzung die Organtransplantation das unterfinanzierte Gesundheitssystem weiter belasten. Dem Gesetzentwurf ist nicht zu entnehmen, wie die Refinanzierung der den Kliniken entstehenden Aufwendungen erfolgen soll. Denkbar wäre eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge oder Leistungseinschränkungen an anderer Stelle.
Zweifelsfrei ist es jedoch so, dass bereits im heutigen unterfinanzierten Gesundheitswesen hinreichend Erträge erzielt werden, um diese u.a. an Aktionäre auszuschütten. Und hier beisst sich die Katze meines Erachtens in den Schwanz. Das Gewinnstreben privater Klinikkonzerne ist nicht gedeckelt. Es mögen noch erheblich höhere Summen zur Krankenhausfinanzierung aufgewendet werden. Das Verlangen nach Rendite wird diese, aller Voraussicht nach, zumindest teilweise aufzehren.
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Der CASHKURS-Beitrag stellt ökonomische Betrachtungen in den Mittelpunkt. Wer würde bestreiten wollen, dass die medizinischen Möglichkeiten der Organtransplantation ein Segen für betroffene Patienten darstellen kann? Ihren Ausführungen zufolge vermag ein Toter durch Organentnahme bis zu fünf kranken Menschen das Leben zu retten.
Lieber Herr Langen, wenn es ausschließlich um das Patientenwohl ginge, könnte ich Ihren Gedanken uneingeschränkt zustimmen.
Haben Sie aber noch einmal Dank für Ihre Anregungen zum weiteren Nachdenken. Für das kommende Jahr 2019 wünsche ich Ihnen alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Martin Ziemann
die Organspendeskandale und das "systematische Fehlverhalten" in Deutschland sind in erster Linie auf den Mangel an Spenderorganen zurückzuführen. Gäbe es genügend Spenderorgane, gäbe es auch keinen Grund, die eigenen Patienten bei der Organstransplantation zu bevorzugen. Das dies zu einer Verunsicherung der Bevölkerung, einer Abnahme der Spendebereitschaft und einer weiteren Verschärfung der Situation führt, liegt auf der Hand.
Ihre Priorisierung ökonomischer Aspekte in allen Ehren, aber ich glaube, dass Sie mit Ihren Schlussfolgerungen völlig falsch liegen. Eine Verbesserung der Organtransplantation führt nicht nur zu einer Lebenverlängerung und Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch zu einer Kostenreduktion im Gesundheitswesen. Die Kosteneffizienz der Organtransplanatation ist durch zahlreiche Studien belegt und wird in einigen Ländern deshalb gezielt zur Kostenreduktion eingesetzt, siehe z.B. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0041134514009968
Die Widerspruchslösung gilt in Belgien, Bulgarien, Estland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
Haben Sie Hinweise, dass in diesen Länderung durch die Organtransplantation eine Kostenexplosion ausgelöst wurde? Das würde mich sehr wundern.
Um auf Dirk Müller zurückzukommen: "Cui bono". Ihr Artikel nützt in erster Linie den Gesundheitskonzernen und Artikelherstellen, die an der Massen-Dialyse in Deutschland sehr gut verdienen und erhebliche Gewinne einfahren. Hier liegen z.B. die tatsächlichen Gründe für die Kostenexplosion. Ich habe keine Zweifel, dass Sie mit Ihrem Artikel ehrliche Aufklärungsarbeit leisten wollten, aber er spielt leider Leuten in die Hände, die den medizinischen Fortschritt in Deutschland aus finanziellen Interessen verhindern wollen und denen das Leid der Menschen egal ist.
Ich hege keine besonderen Sympathien für Jens Spahn, aber ich wünsche ihm eine glückliche Hand, diesen katastrophalen Mißständen in Deutschland ein Ende zu setzen. Dann hätte er sich wirklich um Deutschland verdient gemacht.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für das Neue Jahr!
K.-J. Langen
zunächst darf ich mich für Ihre neuerlichen Zeilen und interessanten Gedankenanregungen bedanken.
Um es vorweg zu sagen. Hier wird nicht der Standpunkt vertreten, dass Organentnahme generell abzulehnen ist. Es ist völlig unbestritten, dass auch ethische Motive in das medizinische Handeln hineinwirken. Die Frage, inwieweit diese von kommerziellen Interessen überlagert werden, wird sich m.E. nicht abschließend klären lassen. Gerne gehe ich auf Ihre Ausführungen weiter ein:
zu „ … gäbe es genügend Spenderorgane, gäbe es auch keinen Grund, die eigenen Patienten bei der Organtransplantation zu bevorzugen“
Regelverstöße im Rahmen der Organverteilung standen im Fall des Leiters der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Göttingen im Raum. Das Göttinger Landgericht sprach von „moralisch verwerflichem Handeln“.
Diesem dadurch zu begegnen, dass genügend Spenderorgane zur Verfügung gestellt werden (Widerspruchslösung) erscheint kritisch. Die Anzahl zur Verfügung stehender Organe sollte keinen Einfluss darauf haben, ob das Transplantationsgesetz und begleitende Richtlinien eingehalten werden oder eben nicht.
Verwerfliches Handeln ist auch auf der Entnahmeseite durchaus vorstellbar. So soll es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation zwischen Anfang 2011 und 2013 in Bayern und Nordrhein-Westfalen acht Fälle von Fehlern bei der Diagnostik des Hirntods gegeben haben.
Durch Qualitätsanforderungen an diagnostizierende Ärzte sollte bereits seinerzeit sichergestellt werden, dass u.a. die Richtlinien der Bundesärztekammer eingehalten werden. Diese wurden mit den Richtlinien zur Feststellung des Hirnfunktionsausfalls neuerlich geändert. Hilfreich könnten ergänzende Compliance-Regeln auf Seiten der Entnahmekliniken sein. Als Instrument der Risikoabwehr können diese als Nachweis der Gesetzestreue dienen
(u.a.: https://blickpunkt-sichere-pflege.de/organentnahme-hirntod-krankenhaus/).
zu „die Kosteneffizienz der Organtransplantation ist durch zahlreiche Studien belegt“
Die Studie der italienischen Poliklinik San Matteo will zeigen, dass zusätzliche Nierentransplantationen im Vergleich zur aktuellen Situation eine Kostenminderung bewirken. Das ist durchaus nachvollziehbar. Die zur Verfügung stehenden klinischen Ressourcen werden besser ausgelastet. Mit steigender Anzahl der Transplantationen mindern sich aufgrund besserer Verteilung der festen Kosten (z.B. für den Operationsraum) die finanziellen Aufwendungen für jede Einzeltransplantation. Mir ist gegenwärtig jedoch nicht klar, auf welche geeignete Weise die Kosten einzelner Parameter, beispielsweise für „quality-adjusted survival“ ermittelt wurden.
Jedoch zeigt die Studie, dass die Kosteneffizienz in Italien ein zumindest in Fachkreisen diskutiertes Thema ist. Man wird davon ausgehen dürfen, dass sich die Akteure in Deutschland (Bundesärztekammer, Kassen, etc.) ebenfalls mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Den Transplantationsbefürwortern sollten belastbare Zahlen vorliegen.-
zu „haben Sie Hinweise, dass durch die Organtransplantation eine Kostenexplosion ausgelöst wurde?“
Nein - aber von einer Kostenexplosion ist im Aufsatz auch nicht die Rede. Es steht im Raum, dass es sich um einen (Gesundheits)markt handelt, der von erheblichem finanziellen Potential geprägt ist. Das muss nicht zwangsläufig eine Kostenzunahme bewirken. Das wirtschaftliche Interesse der Akteure ließe sich beispielsweise auch durch Leistungskürzungen an anderer Stelle im Gesundheitswesen befriedigen.
Auch Ihre Überlegungen erscheinen mir stichhaltig. Ihrem Link auf sciencedirect.com glaube ich entnehmen zu können, dass Sie sich mit der Thematik Organtransplantation bereits intensiv befasst haben. Sicherlich läßt sich, wie Sie schreiben, an der Massendialyse in Deutschland sehr gut verdienen. Es mag durchaus Leute geben, die aus finanziellen Erwägungen den medizinischen Fortschritt in Deutschland verhindern wollen. Ein (Verdrängungs-)markt bleibt die Organtransplantation m.E. dennoch. Der medizinische Fortschritt, und da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, sollte vom Nutzen für den Patienten geprägt sein und kein Einfallstor zur Gewinnmaximierung eröffnen.
Für Ihre offene Diskussionsbereitschaft zu diesem sensiblen Thema möchte ich mich noch einmal bei Ihnen bedanken.
Martin Ziemann