Liebe Leserinnen und Leser,

den Rentenmärkten fehlt es derzeit vollständig an positiven Impulsen.

Auch wenn die Arbeitsmarktdaten vergangenen Freitag ein interessantes Ergebnis zeigten: Mehr neu geschaffene Stellen als erwartet (175.000) bei trotzdem gestiegener Arbeitslosigkeit (7,6%). Damit hätten alle zufrieden sein können.

 

Aber die seit Anfang Mai angezählten Bondmärkte kommen nicht mehr zur Ruhe. Plötzlich das nächste Damoklesschwert: Das Bundesverfassungsgerichtverhandelt über die Grundgesetzmäßigkeit (wir haben ja noch immer keine Verfassung) des Schuldenaufkaufs und damit die Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank. Urplötzlich wendet sich Super-Mario Draghi wenige Tage vor Beginn der Verfassungsgerichtsverhandlung gegen die bislang von der EZB seit seinem eigenen Amtsantritt geübte Praxis, Staatsanleihen zu kaufen, die nur „eine logische Sekunde“ existieren. Außerdem soll plötzlich das Volumen der Käufe auf „nur“ 524 Mrd. € begrenzt werden. Was für ein Zufall! Sollen wir das glauben? Oder gäbe es im Falle einer erneuten Verschärfung der europäischen Staatsschuldenkrise - die ja noch keines falls gelöst ist - eventuell doch wieder „Ausnahmesituationen“, die ein anderes Handeln als „alternativlos“ zulassen würden???

 

FAZ

 

Ich persönlich glaube an folgendes Ergebnis: Mahnender Zeigefinger, aber keine Zuständigkeit… Die Verfassungsrichter, die ja von den im Bundestag vertretenen Parteien bestellt werden - welche wiederum die bisherige Europolitik komplett (außer der Linken) durchgewunken haben – dürften sich nicht in politische Entscheidungen einmischen wollen.

 

Auf jeden Fall entwickelten sich insbesondere die Europeripherie-/PIIGS-Bonds vor diesem Hintergrund in der vergangenen Woche ganz besonders schlecht: Innerhalb der Eurozone lagen wieder Griechenland und Portugal sehr schwach. Der seit Anfang Mai zu beobachtende Trend  setzt sich fort: Schwache Schuldner und Junk Bonds schmieren regelrecht ab, Kurse fallen, deren Renditen steigen also. Hier lauern immense Risiken in den Portfolios von Fonds, Versicherungen und anderen Großinvestoren. Hoffentlich nicht auch in Ihrem Depot! Lehman, ick hör Dir trapsen.

Renditen-Factsheet

aktuell

Vorwoche

Deutschland

1,59%

1,51%

Italien

4,40%

4,14%

Spanien

4,69%

4,45%

Portugal

6,48%

5,78%

Griechenland

10,06%

9,20%

Frankreich

2,22%

2,06%

USA

2,18%

2,10%

Kurs Bund-Future

142,86%

143,79%

Die Zinssätze sind unverbindliche Indikationen zum Zeitpunkt der Erstellung des Rentenmarktkommentars für Staatsanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit

 

Interessant bei dieser Entwicklung ist, dass auch kurze Zinsen teilweisen rasant angestiegen sind. Zum Beispiel die letzte Emission italienischer Staatsbonds von 0,70% auf jetzt 0,96%:

 

Onvista

 

Vielfach werden jetzt die Blasen („Bubbles“) an den Rentenmärkten stark thematisiert. Ach, man müsste wieder Rentenhändler sein: In schwachen Märkten habe ich für meine Arbeitgeber immer am meisten verdient :)

 

WIWO

 

Genauso schlecht wie die oben genannten Gründe ist, dass nun auch offiziell von FED-Chef Bernanke eindeutig gesagt wurde, dass es „keine risikofreie Exitstrategie“ gibt. Das Münchhausen-System, das ich schon vor über einem Jahr so benannt hatte, wird langsam immer unglaubwürdiger: Sich selbst an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen - also Staatsfinanzierung durch Drucken künstlichen Geldes durch die jeweilige Zentralbank - kann einfach nicht funktionieren. Und das immer Mehr an Gelddrucken bedeutet doch nur, dass der Sumpf, aus dem man sich selbst herausziehen muss, nur noch tiefer wird. Wie dieser Sumpf immer flacher oder ganz trockengelegt werden soll, das weiß derzeit niemand. Da hat sich aber auch vorher niemand Gedanken drum gemacht. Und nun sind Verwerfungen an den Weltmärkten zu befürchten, mit scharfen Konsequenzen für die weltweite Konjunktur, sobald man den Sumpf trockenlegen will.

 

Der Bund-Future auf jeden Fall blieb unter Schwankungen per Saldo weiter schwach und testete die von mir benannte Support-Region von ca. 142,50. Diese hat zunächst gehalten. Allerdings nur aus kurzfristigen charttechnischen Gründen. Fundamental und mittel- wie langfristig sieht´s weiter nicht gut aus. Nach dem Schneiden der 90-Tage-Linie wurde nun auch die längerfristige 200-Tage-Linie nach unten durchbrochen.

 

 

Den dramatischen Absturz seit Anfang Mai sieht man logischerweise viel stärker in einem kurzfristigen Chart (hier zusammen mit den Bollinger Bands). Über 400 Basispunkte hat der Bund-Future innerhalb dieser sechs Wochen eingebüßt.

 

 

Nächsten Mittwoch (am 19.) belastet dann noch die Aufstockung der zehnjährigen Bundesanleihe (1,50% Nominalzins) den Bund-Future. Volumen werden 5 Mrd. € sein. Zuletzt lag die Durchschnitts-Emissionsrendite bei 1,41% (Kurs: 100,84%).

Eine schöne Woche wünscht Ihnen

Steffen Scholz

 

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"