Als Kind hat mir meine Oma regelmäßig das Märchen „Hans im Glück“ vorgelesen: Hans erhält als Lohn für viele Jahre Arbeit einen großen Klumpen Gold. Diesen tauscht er gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die Gans gibt er für Schleifsteine her. Zum Schluss besitzt er nichts mehr, denn selbst die Steine fallen ihm, als er trinken will, in den Brunnen. Dennoch ist er zuletzt glücklich, da er die schweren Steine nicht mehr tragen muss.

 

Als Kind habe ich den lieben Hans immer für einen Dummkopf gehalten, der sich von seinen Tauschpartner immer wieder über den Tisch ziehen lässt. Auch die Moral von der Geschicht, die meine Oma mit „Besitz macht nicht glücklich“ beschrieb, konnte mich nicht vom Gegenteil überzeugen.

                                  

Immer mehr Leistung bei immer weniger Gegenleistung

 

Wer Augen im Kopf hat, kann Parallelen dieses Märchens zur realen Euro-Politik klar erkennen. Seit im Frühling 2010 die deutsche Stabilität wie im Kochprogramm aus der Eurozone gewaschen wird, warte ich auf klare Gegenleistungen der Hilfe empfangenden Länder. Ich sehe aber eher noch mehr Leistung unsererseits, wie die mittlerweile auf ca. 235 Mrd. Euro angewachsenen deutschen Haftungszusagen, die sich bei Etablierung des ESM auf etwa 400 Mrd. Euro erhöhen. Wieso fällt mir eigentlich gerade Die Bürgschaft von Friedrich Schiller ein?

 

Haben Sie wirklich den Eindruck, dass als Gegenleistung die Wirtschaftsprobleme, wie bei uns mit der Agenda 2010, an der Wurzel angepackt werden? In Spanien und Italien haben die schwach gestarteten Reformen bereits stark nachgelassen. Und in Frankreich versucht man es gar mit einem Aufguss spät-sozialistischer Gesundbetung, der noch nie eine Wirtschaft saniert hat.

 

Jeder Staat will zunächst weiter souverän seine patriotisch-egoistische Hausmusik zu Gehör bringen. Sollten dann aber die nationalen finanzpolitischen Misstöne so schief werden, dass die Finanzmärkte drohen, den Stecker der Musikbox zu ziehen, soll deutsche Marschmusik die Staatsanleihemärkte der anderen wieder auf Vordermann bringen, indem Deutschland entweder seinen guten Namen oder sein großes Portemonnaie zückt. Und die Musikkompositionen nennen wir dann mit Tschinderassabumm Eurobonds oder auch Bankenunion, was dasselbe in grün ist.

 

Musketier-Anleihen? Nein danke!

 

Diese zins-sozialistische Vergemeinschaftung von Anleihen würde natürlich zunächst im Kleinen eingeführt. Aber in der Euro-Politik wird immer erst der kleine Finger gegeben. Und schließlich ist die ganze Hand weg und es gibt kein Zurück mehr. Es ist ein fantastischer Deal, aber nur für die anderen. Zum Schluss bürgt Deutschland dafür, dass man in Frankreich ohne fiskalpolitisch schräge Töne mit 60 Jahren beruhigt in Rente geht.

 

Wie lange würde wohl unsere gute Bonität Bestand haben, wenn mit diesen Musketier-Anleihen - Einer für Alle - die noch größere Haftung Deutschlands wie ein Wink mit dem Zaunpfahl signalisiert würde? Das Projekt „Am deutschen Finanz-Wesen soll die Eurozone genesen“ wäre schnell gescheitert. Die Rating-Agenturen würden keine zwei Tage warten, bis sie auch dem strahlenden deutschen Stern mit Herabstufungen Leuchtkraft nehmen.

 

Einer für Alle, aber wo bleibt Alle für einen?

 

Am Markt für Ausfallversicherungen von Staatsanleihen wird bereits heute die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren zahlungsunfähig wird, höher eingeschätzt als die der USA oder Großbritanniens. Und unsere Zinsen? Die werden mit Blick auf die deutschen Haftungspakete folgerichtig eines tun: Ansteigen und schließlich die deutschen Staatsschulden, Dispokredite und Hypotheken verteuern.

 

Und wo bleibt der zweite Teil des Leitspruchs der Musketiere, nämlich Alle für Einen? Wenn Deutschland die Musik bezahlt, darf es dann nicht auch maßgeblich bestimmen, was gespielt wird, also wer welche Reformen macht? Eigentlich schon. Aber auf Euro-Ebene gibt es keine wirklich abschreckenden Sanktionsmöglichkeiten, wenn getroffene Vereinbarungen - wie im Beispiel Griechenland - nicht mehr von den Hilfe empfangenden Ländern erfüllt werden können. Im Gegenteil, es gibt sogar ein moralisches Risiko: Wenn Du Deutschland mir nicht entgegenkommst, gefährdest Du Deutschland die Stabilität der Eurozone selbst. Aus dieser Nummer müssen wir endlich raus.

 

Beim Wort „alternativlos“ gehen bei mir mittlerweile alle Alarmlampen an

 

Und nun? Die deutsche Regierung muss vorerst jeder Form von vermeintlich alternativlosen, sozialistischen Gemeinschaftsanleihen ohne waschechte Gegenleistungen unserer Brüder konsequent widerstehen, sonst verlöre Deutschland ohne Not seinen letzten stabilitätspolitischen Trumpf, ließe also wie der liebe Hans seine Steine in den Brunnen fallen. Zinssolidarität gibt es erst am Ende der nationalen Ochsentouren von Reformen und soliderer Finanzpolitik. Nennen wir es Hartz IV: Erst fordern, dann fördern. Übrigens sollte bei der Förderung die unabhängige EZB die alles entscheidenden Rolle spielen. Dann klappt es auch wieder mit dem Vertrauen an den derzeit unglücklichen Staatsanleihemärkten.

 

Das Märchen Hans im Glück der Gebrüder Grimm bringt Deutschland sicher kein Glück. Für uns ist es eher das Drama Angela im Pech der Gebrüder Schlimm.

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