Sell in May and go away oder reinigendes Gewitter?

Zuletzt ist die Luft an den Aktienmärkten dünner geworden. Der Gang Portugals zur euroländischen Schuldnerberatung zeigt, dass die Euro-Krise nicht vorbei ist. Ohnehin kommt Griechenland an einer Umschuldung nicht vorbei. Denn mit dem Export von Südfrüchten allein kann man diese Schuldenprobleme nicht mehr lösen. Die amerikanische Wirtschaft lässt mit einer Wachstumsrate von 1,8 Prozent keinen wahren Glanz aufkommen. Und beim Schuldenabbau macht Amerika nicht wirklich Fortschritte.

Vergessen wir auch nicht den massiven Inflationsdruck, dem man eigentlich mit massiven Zinserhöhungen entgegensteuern müsste. Damit wäre schließlich der Liquiditätshausse, die schwerpunktmäßig für die positive Aktienkursentwicklung verantwortlich ist, im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben. Und in der Tat soll Ende Juni in den USA das Ankaufprogramm für Staatsanleihen beendet werden.

Es hat historisch schon weniger Gründe für eine ausgewachsene Konsolidierung an den Aktienmärkten gegeben. Ist damit der typische Weg für eine Konsolidierung im Mai geebnet? Gegen eine gesunde Konsolidierung ist nichts einzuwenden. Nennen wir es ein reinigendes Gewitter. Denn die Welt ist sicherlich nicht ohne Krisen. Müssen wir aber mit mehr rechnen?

 

Geht dem Aufschwung die Puste aus?

Schauen wir dazu zunächst auf die USA. Im Kampf gegen den Terrorismus konnte Amerika zwar einen moralischen Sieg erringen. Im Kampf um die Wiedererlangung der Wirtschaftsstärke bleiben die Moll-Töne jedoch erhalten. So konnte die US-Konjunktur im I. Quartal entgegen den Erwartungen lediglich um 1,8 Prozent wachsen. Man hat auch weiterhin mit einem lahmenden Arbeitsmarkt zu kämpfen, der sich auch im April nicht wirklich erholen konnte. Die zuletzt positive Entwicklung bei den Erwerbstätigen sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Qualität der Arbeitsplätze im Durchschnitt abnimmt. Insgesamt wird der amerikanische Aufschwung derzeit stark hinterfragt.

Und auch in anderen Regionen der Welt scheinen sich die Aufwärtskräfte abzuschwächen. So wird in den Emerging Markets mit Zinserhöhungen - wie zuletzt kräftig in Indien - die Inflation bekämpft. In der Eurozone müssen die Länder unter dem Rettungsschirm ihre Staatsausgaben reduzieren und die Länder, denen der Rettungsschirm droht, versuchen ihm mit präventivem Sparen zu entgehen. Und selbst in Deutschland verfehlten die letzten Zahlen zu den deutschen Industrieaufträgen die Erwartungen. Diese sind gemeinsam mit den sich zuletzt leicht abgeschwächten ifo-Geschäftserwartungen für das Verarbeitende Gewerbe im Jahresvergleich weniger stark gestiegen.

An den sensitiven Rohstoffmärkten spiegelt sich diese konjunkturelle Skepsis deutlich wider. Die Rohstoffpreise geben auf breiter Front nach.

 

Konjunkturangst nicht gerechtfertigt

Die Ängste vor einer deutlichen konjunkturellen Konsolidierung sind aber nicht gerechtfertigt. Zwar sind die Basiseffekte ausgelaufen und das heißt, die Wirtschaft verliert an Momentum. Aber entscheidend ist, dass sich die Konjunktur im Übergang vom dynamischen Nachkrisenwachstum zu mehr Nachhaltigkeit befindet. Das ist für jeden Wirtschaftspolitiker sicherlich ein Wunschszenario.

Außerdem halten sich die Einkaufsmanagerindices der großen Euro-Länder auf hohem Niveau. Drohendes konjunkturelles Ungemach droht also nicht.

Für die Rohstoffmärkte heißt das, Konsolidierungen sind möglich, für einen Bärenmarkt spricht aber wenig.

 

Das Ende der lockeren Geldpolitik?

Ja, Ben Bernanke will Ende Juni sein Aufkaufprogramm von Staatsanleihen beenden. Was zunächst schlimm klingt, stellt bei näherer Betrachtung keine ernste Beeinträchtigung für Konjunktur und Aktienmärkte dar. Denn wir haben es nicht mit einem Ausstieg aus der freizügigen Geldpolitik zu tun. Von einer Rückführung der in die Märkte gepumpten Liquidität ist nicht die Rede, vielmehr werden Erträge aus auslaufenden Anleihegeschäften reinvestiert. Das Liquiditätsniveau bleibt also auf hohem Niveau. Überhaupt müsste die US-Zentralbank noch erfunden werden, die bei ernsten konjunkturellen bzw. finanziellen Verwerfungen die Notenpresse nicht erneut anwirft.

Ohnehin bleibt das Geld billig. Dies verdeutlichen die weiter klar im negativen Bereich verlaufenden, inflationsbereinigten Notenbankzinsen der Fed.

 

Die EZB packt Euroland weiter in Watte

In Euroland befindet sich die EZB weiterhin im Spannungsfeld zwischen einem steigenden Inflationsdruck, der mit nunmehr 2,7% seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht, und der Erholung der euroländischen Peripherie. Zwar bereitet die EZB die Märkte auf weitere Zinsschritte vor. Und sie werden auch erfolgen, der nächste wahrscheinlich im Juli. Aber sie werden insgesamt kein Niveau annehmen, das die inflationsbereinigten Notenbankzinsen in positives Terrain bewegt. Die Devise „Euroland wird in Watte gepackt“ behält ihre Gültigkeit. Konjunktur- und Finanzmarktstabilität gehen vor Preisstabilität.

Vor allem die Stabilisierung Spaniens außerhalb des EU-Rettungsschirms bleibt das Primärziel, um das Vertrauen in die Eurozone zu festigen. Hierzu wird auch die EZB ihren Anteil beisteuern.

 

Berichtsaison ein fundamentaler Unterstützungsfaktor

Die aktuelle Berichtsaison gibt keinen Grund zur Sorge. 17 der 23 bisher veröffentlichten DAX-Ergebnisse haben positiv überrascht. Neben soliden Zahlen diese Woche von Siemens, BMW, BASF und Infineon konnten vor allem die Ausblicke überzeugen. Diese tragen zwar nicht mehr das Attribut dynamisches, dafür aber nachhaltiges Wachstum. Dass dies vor dem Hintergrund der unterbrochenen Zulieferketten und Produktionsstopps passiert, unterstreicht den positiven Grundton zusätzlich. Welcher Finanzvorstand würde schon ohne Not einen positiven Ausblick wagen, wenn er nicht davon überzeugt ist? Wie blamabel wäre es ansonsten, sich in drei Monaten vor der Finanzwelt im Büßerhemd präsentieren zu müssen.

 

Aktienausblick: Leichte Bewölkung an einem ansonsten blauen Himmel

Aus charttechnischer Sicht erhält der DAX bei 7360 Punkten Unterstützung und hat bei 7243 Punkten eine starke Auffanglinie.

Keine Frage: Es gibt Belastungsfaktoren für die Aktienmärkte, die durchaus für zwischenzeitliche Konsolidierungen sprechen. Die Grundzutaten für eine bis zum Jahresende weitere Befestigung der Aktienmärkte im Allgemeinen und für den DAX im Speziellen sind aber unverändert gegeben.

 

Silber - Damals eine Blase…

Eine Konsolidierung vor allem bei Silber war nach der Preisrallye der vergangenen Monate absehbar. Bei einem solch starken Preisverfall - wir sprechen hier immerhin von ca. 30 Prozent - liegt der Gedanke an eine geplatzte Blase zunächst nahe.

Und in der Tat tun sich Parallelen zur Silberblase von 1980 auf. Damaliger Ausgangspunkt für den Silberpreisanstieg war eine steigende Inflation, die sich im Zuge der Ölkrise von 1979/1980 beschleunigte. Vor allem Spekulanten wie die Gebrüder Hunt, die Silber zunächst physisch aufgrund seiner Werterhaltungsfunktion als Anlage nutzten, verliehen dem Silberpreis Auftrieb.

Diese Investitionen weiteten sich im Laufe der Zeit zu massiven Spekulationen auch auf dem Terminmarkt aus, die zu einer Verknappung auf dem Silbermarkt führten und den Preis auf ein Allzeithoch trieben.

Fundamentale Unterstützung für Silber kam Ende der 1970er Jahre von den negativen, inflationsbereinigten Renditen von US-Staatsanleihen, die damit als werterhaltende Anlageklasse immer unattraktiver wurde.

Nach den extremen Preissteigerungen erhöhte die COMEX Anfang 1980 schließlich die Sicherheitsmargen für Terminkontrakte. Letztlich setzte sie sogar den Handel aus und ließ nur noch Verkäufe zu, was zu einem Platzen der Silberblase führte. Fundamental wurde diese Silber-Baisse im Übrigen durch die deutlich rückläufige Inflation und damit wieder sehr attraktiven, realen Renditen für Staatsanleihen unterstützt.

 

…und heute?...

Auch heute ist ein stetig steigender Inflationsdruck zu verzeichnen, der Silber attraktiv macht. Dieser Inflationsdruck schlägt sich heute wie damals nicht in gerechtfertigt höheren Renditeaufschlägen nieder, so dass auch heute der Rentenmarkt wenig attraktive Anlagemöglichkeiten für risikoscheue Investoren bietet, denen Werterhaltung ein wichtiges Anliegen ist. Aus heutiger Sicht ist aber nicht mit einem baldigen Rückgang der Inflation zu rechnen.

Damals wie heute erhöhte die Terminbörse die Sicherheitsmargen für Silber-Kontrakte, aktuell sogar fünf Mal in zwei Wochen um insgesamt 84 Prozent. Durch die Verteuerung spekulativer Positionen brachen diese ein und ließen die Silberpreise dramatisch fallen.

 

…nicht

Von einer Blase kann heute nicht die Rede sein. Die Bonität der Staatshaushalte hat sich seit damals deutlich verschlechtert. Die fundamentalen Euro-Probleme sind nicht gelöst. So schwelt insbesondere die Diskussion über eine Lösung der Schuldenkrise Griechenlands weiter. Zudem ist nicht zu erwarten, dass der Inflationsdruck abnimmt. Denn die Notenbanken setzen weiter auf geldpolitische Konjunkturstützung. Und zu guter Letzt bleibt Silber ein gefragter Rohstoff in der Industrie, der in der Bedeutung zu und nicht abnehmen wird.

Damit fußt die dramatische Preiskonsolidierung von Silber schwerpunktmäßig auf Faktoren des Terminmarkts. Langfristig bleibt Silber als sachkapitalistische Anlage attraktiv.

 

Das passiert in dieser Woche

Diese Woche steht zunächst im Zeichen des zunehmenden Inflationsdrucks in den USA und China. In Deutschland beleuchten die Exportdaten unser typisches Geschäftsmodell.

Auf Unternehmensebene erscheinen die Zahlen der Stahlriesen ArcelorMittal und ThyssenKrupp. Insbesondere der Ausblick dieser Frühzykliker wird aufschlussreich sein. Auch die Versorger E.ON und RWE präsentieren Zahlen, die durch die von der japanischen Dreifachkatastrophe losgetretene Atomdebatte überschattet werden.

Diese Woche droht der US-Regierung die Zahlungsunfähigkeit, da das Schuldenlimit von knapp 14,3 Billionen US-Dollar erreicht sein dürfte. Auch wenn mit Überbrückungsaktionen diese Situation noch bis zum Sommer verzögert werden kann, wird das Gerangel zwischen Demokraten und Republikanern, insbesondere im Hinblick auf die nächste Präsidentschaftswahl 2012, in der kommenden Woche eine neue Dimension erreichen.

An den Aktienmärkten ist ein Seitwärtstrend zu erwarten.

 

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