Auch hausgemachte harte Konjunkturzeiten in Deutschland

Die Konjunkturrisiken in der Eurozone, aber insbesondere in Deutschland sind nicht zu leugnen. Nicht zuletzt wegen (wirtschafts-)politischer Stimmungseintrübung schrumpft die deutsche Wirtschaft aktuell so stark wie zuletzt während der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020.

Trotz sich stabilisierender ifo Geschäftserwartungen ist der Weg in die Winter-Rezession vorgezeichnet.

Auch das Branchenbild zeigt allgemeine Ernüchterung. Der Handel kommt wegen einer zunehmenden Angst-Sparneigung nicht wirklich aus der Misere und auf dem Bausektor hält die Friedhofsstimmung an. Die geplanten Förderungen der Bundesregierung für die Bauwirtschaft sind nur politisches Blendwerk, das aufgrund explodierender Zins- und hoher Materialkosten nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn der Staat - der allerdings mehr als klamm ist - nicht direkt sowie massiv als Bauherr auftritt und nicht bereit ist, die überbordenden Bauvorschriften samt Bürokratie zu entrümpeln, ist kein Ende der Wohnungsnot in Sicht.

Besonders ernüchternd ist, dass das Verarbeitende Gewerbe, also die Kernkompetenz Deutschlands, wegen anhaltend hoher Energiepreise und mannigfaltigen „ideologischen Schelmereien“ die Standortfrage immer lauter stellt. Dabei sind die pessimistischen Exporterwartungen bei Maschinenbauern oder in der Metallbranche aufgrund der aktuell schwierigen weltkonjunkturellen Lage doch schon schlimm genug. Man wünscht sich eine Lotterie für Wirtschaftskompetenz und hofft, dass Berlin den Hauptgewinn zieht. Leider haben sie kein Los gekauft.

Gesamtwirtschaftlich bewegt sich die deutsche Wirtschaft laut ifo Konjunkturmatrix - Lage und Erwartungen zueinander in Beziehung gesetzt - stramm auf Rezessionskurs.

Die wachsende Konjunkturunsicherheit geht auch am DAX nicht spurlos vorüber, dessen Kursschwankungen zuletzt wieder anzogen.

Die US-Konjunktur hat Schattenseiten, verfügt aber auch über starke Lichtquellen

In den USA raubt die Kombination aus höheren Kreditkosten und geringerer -verfügbarkeit der kreditabhängigen US-Wirtschaft wichtige Wachstumsimpulse. Die Zinserhöhungen der Fed fressen sich allmählich durch die Wirtschaft.

Teure Verbraucherkredite, die Aufzehrung der Ersparnisse aus der Pandemiezeit und die ab Oktober bevorstehende Wiederaufnahme der Rückzahlung von Studentendarlehen werden insbesondere dem Haupttreiber der US-Konjunktur, dem Konsum, zusetzen.

Hinzu kommen Bremsspuren, wenn sich Demokraten und Republikaner im Kongress bis 1. Oktober nicht auf einen Budgetplan einigen können. Nach einer baldigen (Kompromiss-)Lösung sieht es nicht aus. Der bevorstehende Präsidentschaftswahlkampf lässt grüßen. Die Republikaner blockieren sogar die Einigung auf einen Übergangshaushalt. Bei Eskalation droht u.a. die Schließung von Teilen der öffentlichen Verwaltung (government shutdown), die wie Sand im amerikanischen Wirtschaftsprozess wirkt.

Heftig würde es, wenn verspätete Gehaltszahlungen oder Auftragsverzögerungen zu Zahlungsausfällen bei Krediten oder sogar Unternehmensinsolvenzen führten. Die Ausfallraten der Kreditkartenverschuldung bei kleinen Regionalbanken auf Rekordhoch unterstreichen den jetzt schon vorhandenen Finanzstress.

Immerhin, da der offensichtlich bevorstehende Regierungsstillstand negativen Einfluss auf die Wirtschaft hat, der sich im besten Fall auch inflationsbremsend auswirkt, hat die Fed noch weniger Grund für restriktive Zinspolitik. Und je länger der shutdown dauert, umso mehr drückt dies auf Renditen von US-Staatsanleihen.

Marktlage - Kann man angesichts der Krisen überhaupt von Jahresend-Rallye sprechen?

Dass mittlerweile der Großteil der Notenbanken weltweit - u.a. Fed, EZB, Bank of England, Schweizerische Nationalbank - ihren Zinserhöhungszyklus beendet oder sogar wie in Brasilien und China bereits erste Zinssenkungen vollzogen hat, begünstigt eine baldige Stabilisierung der zinssensitiven Aktienmärkte.

Angesichts latenter Konjunktur- bei gleichzeitig abnehmenden Inflationsrisiken wird die Fed genau wie die EZB vermutlich auf weitere Zinsrestriktionen verzichten. Gegen Jahresende wird sogar Zinssenkungsphantasie an den Märkten gespielt, was die Währungsschwäche des Euros gegenüber US-Dollar beendet.

Zwar wird die Fed kurzfristig ihren verbalen Kampf gegen die Preissteigerung fortsetzen, um mit Worten, aber nicht mit Taten die Inflationserwartungen kleinzuhalten. Das sorgt für zwischenzeitliche Nervosität an den Aktienmärkten. In diesem Zusammenhang sorgt der zuletzt rapide Anstieg der Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen auf ein 16-Jahres-Hoch für Sand im Aktien-Getriebe. Die positive Nachricht ist jedoch, dass steigende (Kredit-)Zinsen der Inflation Kraft nehmen, was zum Jahresende für wieder abflachende Zinsen und damit höhere Aktienkurse spricht.

Für ein Aufflammen der Inflationsängste sorgt der Ölpreisanstieg von in der Spitze rund 30 Prozent seit Ende Juni.
 
Triebfeder sind bis Jahresende verlängerte Förderkürzungen von Saudi-Arabien und Russland. Doch haben sie ihr Pulver weitestgehend verschossen. Zwar würden weitere Kürzungen die Preise anschieben, aufgrund der die Konjunktur schädigenden Wirkung jedoch schließlich zu einer überkompensierenden Mengenabschwächung führen. Sinkende Einnahmen stünden dem Auffüllen der Kriegskasse Russlands bzw. Riad zur Finanzierung seiner Wirtschaftsreformen massiv entgegen. Insofern ist das Aufwärtspotenzial beim Ölpreis und damit bei der Inflation weitestgehend ausgereizt.

Auf der fundamentalen Ebene bleibt eine harte Konjunkturlandung der USA aus. Denn im Wettstreit mit China betreibt Amerika eine durchgreifende Industriepolitik zur Sicherung strategisch wichtiger Lieferketten, zum Beispiel bei Halbleitern und Speichertechnologien. Die hierzu aufgelegten massiven Konjunkturprogramme, die zu Haushaltsdefiziten von gut sechs bzw. knapp sieben Prozent in 2023 bzw. 2024 führen, federn die geldpolitischen Bremseffekte ab.

Im Rahmen der US-Berichtssaison für das dritte. Quartal 2023 sind stabile Ergebnisse zu erwarten.  Hauptverantwortlich für eine leichte Gewinnschrumpfung ist vor allem der Energiesektor wegen negativen Basiseffekten zum Vorjahresquartal. Im Gegensatz dazu stützen Tech und Finanzen. Ohnehin kommt es auf die Ausblicke an und hier dürften sich die Gewinne bis Jahresende wieder in den Wachstumsbereich vorarbeiten. Denn Amerika erlebt keine Rezession, sondern ein soft landing.

Im Rahmen der deutschen Berichtssaison werden Anleger die Ergebnisse auf Hinweise abklopfen, inwieweit sich die Unternehmen von sich verschlechternden Bedingungen im Industriestandort Deutschland abkoppeln können.

Denn die im DAX bzw. MDAX gelisteten Unternehmen erwirtschaften rund 80 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Das macht sie gegenüber der deutschen Konjunkturmisere unempfindlicher. Tatsächlich, dass die Konjunktur in China aufgrund umfangreicher fiskal- und geldpolitischer Maßnahmen allmählich wieder Puls bekommen wird, spricht ebenso für eine weltkonjunkturelle Stabilisierung und Stärkung von deutschen Exportaktien wie die weiche US-Landung.

Die augenblicklich schlechte Konjunkturlage kann man beschreiben als: „Vor dem Morgen ist die Nacht am dunkelsten“. Der Sonnenaufgang wird kommen.

Ohnehin sind deutsche Aktien aus der ersten und zweiten Börsenreihe sowohl gegenüber US-Aktien als auch gegenüber den eigenen historischen Durchschnitten mit deutlichen Bewertungsabschlägen günstig zu haben.

Das gilt vor allem für europäische und deutsche Industriewerte, die echten Value-Charakter haben. Das Abebben der Krisenlage wirkt auf ihre Kurse wie die Flut auf Schiffe.

Insgesamt ist die Vision von einer Jahresend-Rallye intakt.

Sentiment und Charttechnik DAX - Wir sind noch nicht ganz durch, aber auf dem richtigen Weg

Aus Sentimentsicht trauen sich Anleger gegenwärtig noch nicht aus der Deckung. Der von CNN Business veröffentlichte Fear & Greed Index ist in den Bereich extremer Angst abgerutscht. Zittrige Hände werfen ihre Positionen ab, was aber einer Bodenbildung Vorschub leistet. Zudem läuft die saisonale Schwäche mit Oktoberbeginn aus.

Ohnehin halten institutionelle Investoren vergleichsweise viel Kasse. Diese Finanzmittel stehen bereit und strömen bei nachhaltig verbesserten Perspektiven zurück an die Aktienmärkte. Daher sollten Anleger Kursrücksetzer für Zukäufe nutzen. Hierbei ist man auch mit regelmäßigen Aktiensparplänen gut bedient. So erhalten Anleger bei schwächeren Kursen mehr Aktienanteile für das gleiche Geld. Und bei wieder steigenden Kursen kommen sie in den Genuss eines spürbaren Hebels.

Charttechnisch liegen die nächsten Unterstützungen im DAX bei 15.125, 15.010 und 14.983 Punkten. Darunter sichern weitere Haltelinien bei 14.962, 14.900, 14.820 und 14.675 ab. Im Falle einer Gegenbewegung liegen erste Widerstände bei 15.295, 15.325 und 15.450. Darüber liegen weitere Barrieren bei 15.465, 15.475, 15.488 und 15.550 Punkten.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

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