Obwohl wir uns hauptamtlich nicht mit der Physik beschäftigen, finden wir die Parallelen zwischen Energie und Finanzmarktrisiken doch recht interessant. Denn trotz häufig zu lesender Berichte über eine vermeintliche „Risikoreduzierung im Finanzsystem“ kann man festhalten, dass Risiken im Finanzsektor nicht verschwinden sondern im Großen und Ganzen nur den Besitzer wechseln.

In der Physik gibt es den Energieerhaltungssatz der Mechanik, der ungefähr wie folgt lautet:

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In einem reibungsfreien, mechanischen System ist die Gesamtenergie zu jeder Zeit gleich, wenn es von außen nicht beeinflusst wird. Dabei kann die Gesamtenergie auf unterschiedliche mechanische Energieformen verteilt sein. Dieses Prinzip nennt man Energieerhaltung.
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Schaut man sich die bisher von den Regierungen und Zentralbanken initiierten Aktionen zur „Rettung“, Stützung oder Aufrechterhaltung des Finanzmarktes an, profitierten vor allem die Banken, selbst wenn es sich oft nur um einen temporären Aufschub handeln wird.

Unter anderem waren und sind an diesbezüglichen Programmen zu beobachten:

- Aufkäufe toxischer Assets durch Zentralbanken
- Einlieferung verbriefter prime-Papiere gegen Liquidität
- Andere Liquiditätsinjektionen
- Aussprechen von staatlichen Garantien, ohne eine Deckung zu verlangen
- Staatsbeteiligungen zu äußerst fragwürdigen Konditionen (z.B. Commerzbank)
- Aufkäufe und Betreiben gesamter Märkte (US Hypothekenverbriefungen, Anleihen der Government Sponsored Entities)
- Absenkung des Zinsniveaus am kurzen Ende
- Aufweichung von Bilanzierungsrichlinien (Stichwort „fair value“, Behandlung der Neubewertungsrücklagen, etc.)


Und einiges mehr. Ohne alle Maßnahmen hier detailliert analysieren zu müssen, wird die Tendenz rasch augenscheinlich. Risiken werden von der Privatwirtschaft auf die Staaten, sprich deren Bürger, übertragen. Freuen Sie sich, Sie sind in den vergangenen Jahren zum verantwortungsvollen Risikoträger geworden, die Rechung wird nachgereicht. Die Erleichterung ob der Marktbewegung seit März dieses Jahres ist nicht zu übersehen, leider kommt es im allgemeinen Freudentaumel auch zu einigen seltsamen Einschätzungen und Sichtweisen. Eine davon betrifft die Risiken der Staaten selbst. Man nimmt alle Rettungsversuche zur Kennnis und sieht gleichzeitig davon ab, sich die immer noch drastisch höheren Risiken der Staaten anzuschauen. Dabei zeigt sich hier nur die alte Wahrheit: Risiken verschwinden nicht.

Die folgende Grafik zeigt die CDS Spreads (Credit Default Swap) einiger ausgewählter Länder. Diese Spreads geben die aktuelle Marktbewertung des Ausfallrisikos, also der Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite des entsprechenden Landes, wieder. Ausgewählt haben wir bewusst ein breites Spektrum von Staaten auf unterschiedlichen Niveaus finanzieller Angeschlagenheit.

 

 

Die semi-logarithmisch skalierten Grafiken zeigen dem Betrachter schnell, um was es sich bei der bisherigen Erholung handelt, um eine Korrektur. Hier seien zur Verdeutlichung einmal die Veränderungen der im Chart dargestellten Risikoprämien der gezeigten Länder ausgehend vom 1.1.2007 bis heute genannt.

 

 

Trotz der erfolgten und durchaus eindrucksvollen Korrektur liegen auch die Risikoprämien für Staaten nach wie vor auf einem deutlich höheren Niveau als das vor der Krise der Fall war. Interessant ist die prozentual deutlich stärkere Verwerfung bei Ländern, denen vor der Krise im Grunde eine Ausfallwahrscheinlichkeit von Null nachgesagt wurde. Seit Spanien in einem leerstehenden Häusermeer versinkt und die Schweden sich die Tentakeln im angeschlagenen Baltikum (Immobilienpreise teils minus 50%) und im osteuropäischen Raum verbrannt haben, hat sich die Sichtweise ein wenig verändert.

Ein Blick auf die Konjunkturpakete weltweit zeigt, wie stark sich einige Länder in zusätzliche, nicht bankspezifische Ausgaben gestürzt haben.

 

 

Von Interesse ist hier etwa Spanien mit Ausgaben für Konjunkturpakete, die über 6% des BIP ausmachten, und das allein in den abgebildeten Quartalen. Ungarn ist mit 4% dabei, Island mit über 5%, woher das Geld dort auch immer kommen mag. Dies alles geschah nicht, um einen Aufschwung herbeizuführen, sondern um dem trotz aller Maßnahmen drastischen Einbruch der weltweiten Produktion und des Welthandels bremsend entgegenzuwirken. Der Preis sind neue Schulden, neue Abhängigkeiten und die Fortführung der Politik der falschen Anreize, in denen geschäftliches Scheitern abhängig ist von der politischen Vernetzung und nicht von der Leistung der Menschen und Unternehmen. Der logische Folgeschritt dieses „too big to fail“ Paradigmas ist die „too big to be bailed out“ Welt. Einigen Banken wird diese Größenordnung bereits zugeschrieben, der anhaltende Zentralismus im US Bankensystem scheint diese Welt gar als Zielbild ausgegeben zu haben. Ein Blick auf die Zwangsverschmelzungen, wie etwa die Merrill Lynch/Bank of America Transaktion, die vor dem Hintergrund gleichzeitig ungehindert zunehmender Ausfallraten bei Regionalbanken stattfinden, deutet eindeutig auf einen staatlichen Willen zur Zentralisierung des Bankensektors in den USA hin. Eine Konzentration der Bankenassets ist natürlich gleichzeitig eine Konzentration der Bankenrisiken. Diese werden, wie wir in den vergangenen Jahren gelernt haben, schlussendlich vom Staat getragen. Die Entwicklung wachsender Risiken für die Staatsbonitäten wird somit anhalten.

Alle genannten Ausgaben sind schuldenfinanziert, für die ausgesprochenen Garantien exisitiert keinerlei Deckung. Die Programme, die mit den Ausgaben finanziert werden, tragen keine nachhaltigen Früchte, sondern dienen dem Festhalten am status quo. Eine Rückzahlung von Schulden ist weder möglich noch geplant, verliert doch derzeit derjenige, der nicht schnell genug neue Schulden auftürmt, und so beim globalen Stimuluswettlauf den Anschluss zu verpassen droht. Bei allen Unsicherheiten, bleibt uns so wohl eine Tendenz erhalten, und das ist die große Wanderung der privaten Risiken in die öffentlichen Taschen, wo sie leider wieder zu privaten Risiken werden. Ärgerlich, dass wir diese Risiken nie bestellt haben.

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