Die richtigen Vorbilder muss man haben

Das Unternehmen wurde, wie der Name erahnen lässt, als Couponing-Anbieter nach dem Vorbild Groupon gegründet. Bei Coupang wurde man sich im Gegensatz zu dem großen Vorbild aus den USA recht schnell klar, dass das kein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ist.

Seitdem haben die Südkoreaner einen vollkommenen Wandel vollzogen und sind zu dem größten Onlinehändler des Landes aufgestiegen. Der Weg dorthin war nicht einfach, doch zum Glück hatte man ein Vorbild, welches bereits vorgemacht hatte, wie es gelingen kann: Amazon.

Coupang kopiert ganz offensichtlich das Erfolgsmodell Amazon und alle Strategien, die auch beim großen Bruder aufgegangen sind. Dazu hat man in Südkorea ein umfassendes Logistik-Netzwerk aufgebaut. Der absolut größte Teil der Bevölkerung lebt weniger als 10 Autominuten entfernt vom nächsten Logistik-Zentrum des Unternehmens.

Man muss das Rad nicht neu erfinde

Dadurch kann Coupang eine außerordentlich schnelle Lieferung garantieren, nahezu alle Bestellungen erreichen die Käufer binnen 24 Stunden. Damit kann kein Konkurrent auch nur annähernd mithalten. Auf dieser Basis bietet man inzwischen auch die Lieferung von Lebensmitteln und frischem Essen an.

Darüber hinaus hat man eine eigene Payment-Plattform entwickelt und ein Membership-Programm mit dem Namen Rocket, welches sich (sie werden es schon ahnen) an Amazon Prime orientiert.

In einer Umfrage dazu, welcher Onlinehändler die besten Preise hat, nennen 59 % Coupang. Weit abgeschlagen mit jeweils 6 % folgen Naver und 11 Street. Danach gefragt, welche Plattform die beste Nutzeroberfläche bietet, verweisen ebenfalls 59 % auf Coupang. Abermals auf Platz 2 mit 6 % liegt Naver.

In einer anderen Umfrage wurden die Nutzer zu der Häufigkeit der Einkäufe via Coupang befragt. Darauf antworteten 18 % nahezu täglich, 29 % mehrfach pro Woche und weitere 29% mehrmals im Monat dort zu bestellen.

Der Schlüssel zum Erfolg: Kundenbindung

Das spricht Bände und trägt alles zur Kundenbindung bei. Welche Ausmaße das annimmt, zeigen die Umsätze der Kunden im Zeitverlauf. Eine entsprechende Auswertung finden Sie beispielsweise im letzten Geschäftsbericht (Link) auf Seite 5.

Daraus geht hervor, dass ein Neukunde von 2018 im Folgejahr bereits das doppelte auf Coupang ausgibt. Noch ein Jahr später mehr als das Dreifache und so weiter. Bei den Neukunden von 2019, 2020 und 2021 sieht es ähnlich aus.

Hat man die Konsumenten erstmal gewonnen, bleiben sie Coupang nicht nur treu, sie nutzen die Plattform mit der Zeit immer mehr. Aus unternehmerischer Sicht ist das natürlich optimal. Dadurch gewinnt Coupang ständig Marktanteile und verzeichnet ein enormes Wachstum.

Coupang auf dem Vormarsch

In den zurückliegenden fünf Jahren konnte der Umsatz von 4,05 auf 20,58 Mrd. USD massiv gesteigert werden. Profitabel war man in dieser Zeit nicht, der Cashburn war jedoch erstaunlich niedrig. Im letzten Jahr lag er beispielsweise nur noch bei -0,15 USD je Aktie.

Das bedeutet, dass Coupang die laufenden Einnahmen vollständig reinvestiert, jedoch nicht viel mehr. Das nennt man gesundes Wachstum.

All dies Faktoren lösten einen regelrechten Hype um den Börsengang des Unternehmens aus. Statistisch gesehen ist die Erstnotiz jedoch ein schlechter Zeitpunkt für Investments und das hat sich auch in diesem Fall wieder gezeigt

Falsche Sippenhaft

Am ersten Handelstag schoss die Aktie kurzzeitig auf 69 USD, anschließend kam es jedoch zu einem Kollaps. Das hatte mehrere Gründe. Zum Beispiel, dass unprofitable Wachstumsunternehmen nicht mehr auf die Gegenliebe wie dereinst stoßen.

Doch auch der Handelsstreit mit China und das Delisting einiger Aktien in den USA belastete. Für einige US-Anleger scheint es keinen Unterschied zwischen Südkorea und China geben. Darauf deuten jedenfalls die Kursentwicklungen hin. Jedes Mal, wenn chinesische Aktien unter Druck kamen, kam es Coupang auch.

Das ergibt wenig Sinn, als Investor sollte man sich darüber freuen. Coupang wurde zu Unrecht abverkauft und könnte daher unterbewertet sein, denn während der Kurs gesunken ist, hat das Unternehmen enorme Fortschritte erzielt.

Eine Sache ist dabei besonders bemerkenswert. Als die Zinsen im vergangenen Jahr erhöht wurden und unprofitable Unternehmen nicht mehr gefragt waren, entschied sich der Vorstand von Coupang zu einer Richtungsänderung.

Als hätte man einen Schalter umgelegt

Statt Wachstum als oberstes Ziel auszurufen, wollte man neben Wachstum auch möglichst schnell den Sprung in die Profitabilität erreichen. Dann geschah etwas Erstaunliches. Bereits ein Quartal später hatte man die Gewinnschwelle erreicht. Es war, als hätte man bei Coupang einen Schalter umgelegt.

Im laufenden Geschäftsjahr hat sich dieser Trend fortgesetzt. Der Umsatz konnte um 13 % auf 5,8 Mrd. USD gesteigert werden, in lokaler Währung lag das Plus bei 20 %.
Das Bruttoergebnis legte um 36 % auf 1,4 Mrd. USD zu, das Nettoergebnis verbesserte sich von -209 auf +91 Mio. USD.

Aufgrund der Saisonalität ist das erste Quartal jedoch nicht sonderlich aussagekräftig. Ein besseres Bild liefern die Zahlen der zurückliegenden 12 Monate.

In dieser Zeit konnte ein freier Cashflow von 451 Mio. USD erzielt werden, obwohl man Anfang vergangenen Jahres noch tief in den roten Zahlen steckte. Um genau zu sein, lag der FCF im vierten Quartal bei 462 Mio. USD und im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres bei 407 Mio. USD.

Sind die Schätzungen viel zu niedrig?

Coupang hat also in zwei Quartalen einen FCF von 867 Mio. USD erzielt. Trotzdem liegen die Konsensschätzungen für den freien Cashflow in diesem Jahr lediglich bei 800 Mio. USD. Ich halte diese Schätzungen aus offensichtlichen Gründen für viel zu niedrig.

Die Prognosen würden selbst dann übertroffen, wenn Coupang im zweiten und dritten Quartal keinen positiven FCF mehr erzielen und in Q4 wieder das Vorjahresniveau erreichen würde. Wahrscheinlicher ist eher, dass der FCF bei 1,6 Mrd. USD liegen wird. Das würde bedeuten, dass Coupang mit einem forward P/FCF von 18,5 bewertet wird.

In Anbetracht des hohen Wachstums und der Tatsache, dass man gerade erst den Sprung in die Profitabilität vollzogen hat, ist das wenig. Darüber hinaus dürfte Coupang perspektivisch deutlich höhere Margen als Amazon oder ähnliche Plattformen in anderen Ländern erzielen. Das liegt vor allem an der enormen Bevölkerungsdichte des Landes.

Um das zu verdeutlichen: Südkorea kommt auf 529 Einwohner pro Quadratkilometer. Selbst Japan kommt nur auf einen Wert von 335, die USA auf 37. Darüber hinaus lebt der absolute Großteil der knapp 52 Millionen Einwohner Südkoreas in wenigen Ballungszentren – die Hälfte im Großraum Seoul.

Coupang (WKN: A2QQZ2) - Chart vom 08.07.2023 – Kurs 16,78 Euro - Kürzel: CPNG - Wochenkerzen

 

Bei Coupang läuft seit Monaten der Versuch einer Bodenbildung. Gelingt jetzt ein Ausbruch über 17,70 USD, kommt es zu einem Kaufsignal mit möglichen Kurszielen bei 18,50 und 20 USD. Darüber würde sich das Chartbild nachhaltig aufhellen.

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