Bis dato ging die EZB für 2023 noch von einer 6,9 %-igen Preissteigerung aus. Dies wurde nun revidiert auf 8,1 %. Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich. Das soll uns nun ernsthaft als große Erkenntnis verkauft werden. Waren es nicht dieselben Damen und Herren, die die seit Monaten und sogar seit Jahren fast schon verzweifelt ertönenden Warnrufe und Warnsignale seitens der Wirtschaft gekonnt ignorierten?

 

Diese Ignoranz führte nun dazu, dass in mittlerweile neun Staaten des europäischen Währungsraumes die Inflation über zehn Prozent beträgt. Bei drei Staaten sind es sogar sage und schreibe über zwanzig Prozent (!!!). Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen... Nun will die EZB mit dem Holzhammer korrigieren was sie durch den Dornröschenschlaf der letzten Jahre angerichtet hat. Die nächsten Zinssitzungen könnten bis 2023 auf einen Leitzins bis zu 3,00 % hinführen. Laut Christine Lagarde ist die EZB ja zinsmäßig „noch nicht im neutralen Bereich“. Da geht noch was. Aber mit welchen Konsequenzen?

  • Die Kreditzinsen werden nun für viele schnell zur massiven Belastung werden. Verbraucherkredite und Immobilienfinanzierungen werden teurer und teilweise nicht mehr bezahlbar. Anschlussfinanzierungen bei Immobilien nach einer beispielsweise zehnjährigen Zinsfestschreibung können in vielen Fällen zur finanziellen Zerreißprobe werden. Familien, die bereits seit zehn Jahren in einer kreditfinanzierten Immobilie wohnen, leben und dort ihren Lebensmittelpunkt aufgebaut haben, könnten vor dem unausweichlichen Auszug stehen. Es wird schlichtweg nicht mehr bezahlbar sein. Die Zinsen am langen Ende haben sich zuletzt bereits verdreifacht. Lebensträume und -planungen werden zerplatzen.

  • Sparer und Altersvorsorgende haben mit einer nach wie vor negativen Real“rendite“ zu kämpfen. Bei einem Zinssatz von 1,25% und einer Inflation von aktuell 9,8% bleibt immer noch eine Negativrendite von 8,55%. Einhergehend mit einem enormen Kaufkraftverlust. Rein rechnerisch ist von 100 €uro nach knapp neun Jahren keine Kaufkraft mehr übrig. Der Nominalwert verkümmert zu einem fast nicht mehr existenten „Real“wert.

  • Leidtragende Sektoren sind auch weiterhin vor allem der Einzelhandel und die Konsumgüterbranche. In der Immobilienbranche spüren schon zahlreiche Bauträger einen empfindlichen Nachfrage- und Auftragsrückgang.

  • Die historisch höchste Zinserhöhung seit Einführung des Euro wird diesen auch nachhaltig nicht zu „alter Stärke“ führen. Der Zins- und Rendite-Spread zum US-Dollar wird weiterhin spürbar bleiben. Und die „Mär“, dass ein schwacher Euro gut für den deutschen und europäischen Export ist, stimmt auch nur vage. Eine schwache europäische Gemeinschaftswährung kann zwar den Absatz anfachen, aber der Umsatz (Umsatz = Absatz x Preis) bleibt aufgrund der Euroschwäche trotzdem niedrig. Mehr noch: Die importierte Inflation wird durch die latent anhaltende Euroschwäche sogar noch unterstützt. Euroland wird zum Billigland.

  • Vorhandene Probleme der deutschen und europäischen Wirtschaft werden durch die gestrige „Hauruck-Aktion“ der EZB in keiner Weise gelindert. Sie werden sogar noch teilweise massiv verstärkt. Dazu zählen die bereits explodierten Energiekosten, Materialengpässe durch chinesische Lockdowns, Verknappung in Vorprodukten, Nachwirkungen der Coronamaßnahmen, der schlechte Start der europäischen Wirtschaft ins dritte Quartal 2022 und nicht zuletzt das mangelhafte Entlastungspaket seitens der Ampel zur Bekämpfung der aktuellen Situation.

→ Die EZB steckt mitten im hausgemachten Dilemma: Sie muss nun zwangsweise (nach jahrelangem Tiefschlaf) die hohen Inflationserwartungen bekämpfen. Dies hemmt die eh schon schwache wirtschaftliche Entwicklung, wodurch wiederum eine Rezession droht.

→ Was bedeutet das nun für die einzelnen Assetklassen und den Kapitalmarkt? Steigende Zinsen drücken aus zwei Gründen auf die Aktienkurse. Zum einen werden Zinsanlagen mit geringeren Risiken wieder etwas attraktiver. Zum anderen dämpfen höhere Zinsen die Konjunktur und damit die Gewinnaussichten der börsennotierten Unternehmen. Die mittelfristige Prognose entnehmen Sie der beigefügten Tabelle.

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