Die Börse wird immer bekloppter

Totgesagte leben länger, das gilt vor allem an der Börse. Letztes Jahr wurde Meta abgeschrieben, seitdem hat sich der Kurs vervielfacht. Meta ist auch kein Einzelfall, es gibt etliche Aktien, die eine komplette Kehrtwende vollzogen haben.

Der Markt macht systematische Fehler und einer der wichtigsten Faktoren, die dazu beitragen, ist der Zeithorizont von Fonds und Anlegern im Allgemeinen.

Es gab Zeiten, in denen wurden Aktien für Jahre gehalten, heute liegt die durchschnittliche Haltedauer in etwa bei fünf Monaten. Bezieht man noch all die Hebelprodukte wie Zertifikate und CFDs in die Rechnung mit ein, liegt die reale Haltedauer von allen an der Börse gehandelten Produkten vermutlich bei wenigen Tagen.

Wenn man Aktien nur noch Tage oder Monate hält, dann ist das ganz offensichtlich der Zeithorizont der meisten Anleger. Also zählt auch nur noch das, was direkt vor der eigenen Nase passiert.

Ineffizienzen am Aktienmarkt: Was steckt hinter den starken Kursausschlägen?

Das führt dazu, dass die Börse immer ineffizienter wird - und daraus ergeben sich Chancen. Wie wir anhand von Meta eindrücklich erkennen können, weichen selbst die Kurse von Großkonzernen zeitweise meilenweit von dem wahren Wert der Unternehmen ab.

Es ist schließlich nicht möglich, dass Meta vor einigen Monaten noch 232 Mrd. USD wert war und heute 857 Mrd. USD wert ist. Mindestens eine Angabe davon muss falsch sein, womöglich sogar beide.

Ist der intrinsische Wert womöglich noch höher? Machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach einer Antwort.

Unübersichtliche Lage

Im Oktober 2021 änderte Facebook seinen Unternehmensnamen in Meta Platforms Inc., um die Diversifizierung des Geschäfts in andere Bereiche abseits von Facebook widerzuspiegeln.

Unter dem Dach von Meta vereinen sich Facebook, Instagram, WhatsApp, Reels, neuerdings der Twitter-Konkurrent Threads sowie das Virtual-Reality-Geschäft, das man inzwischen als Metaverse bezeichnet.

Wir haben also einerseits mit Facebook und Instagram zwei etablierte Social-Media-Plattformen, die mit hohen Margen und Milliardengewinnen glänzen und andererseits den untermonetarisierten Messenger WhatsApp.

Hinzu kommen neue Wachstumstreiber wie der Tik-Tok-Konkurrent Reels, der bisher unbedeutende Twitter-Konkurrent Threads und das Metaverse, welches Milliarden verschlingt.

Es dürfte ziemlich klar sein, dass man bei dieser Gemengelage zahlreiche Argumente für und gegen das Unternehmen findet. Der offensichtlichste Kritikpunkt ist das Metaverse selbst. Für diesen Traum gibt Zuckerberg zehn Milliarden Dollar pro Jahr aus – Ausgang ungewiss.

Das Metaverse: Riskante Kapitalallokation

Vielleicht geht die Wette auf, vielleicht auch nicht. Aber ganz grundlegend ist das eine äußerst fragwürdige Art der Kapitalallokation. Unternehmen sollten viele kleine Wetten eingehen und erst dann große Summe an Kapital nachschieben, wenn sich ein Erfolg abzeichnet. Das ist eine altbewährte Strategie, doch Meta macht genau das Gegenteil.

In meinen Berechnungen und Überlegungen zum intrinsischen Wert von Meta setze ich das Metaverse mit einer glatten Null an und schreibe die 10 Mrd. USD, die man in diesem Bereich steckt, einfach ab.

Besser man rechnet zu konservativ als zu optimistisch. Kommt man dennoch zu einem positiven Schluss und das Metaverse geht doch auf, umso besser.

Es gibt zahllose Möglichkeiten, den Wert eines Unternehmens zu berechnen.
Der Gründervater des Value-Investing nennt in seinem Buch „The Intelligent Investor“ sogar eine konkrete Formel.

Benjamin Graham's Formel

Die Formel lautet: V = (EPS x (8,5 + 2G x 4,4)) / Y

V steht für den intrinsischen Wert des Unternehmens (Value), EPS für den Gewinn je Aktie und G für die erwarteten Gewinnsteigerungen p.a. der nächsten fünf Jahre.
8,5 ist die Basisbewertung ohne Wachstum, 4,4 die durchschnittliche Rendite von AAA-Unternehmensanleihen und Y ist die aktuelle Rendite von AAA-Unternehmensanleihen.

Schaut man sich die Formel an, stellt man fest, dass kein anderer Faktor eine höhere Auswirkung auf den Wert des Unternehmens hat als das Wachstum. Daher erstaunt es mich immer wieder, dass Value immer wieder als Gegensatz zu Growth dargestellt wird. In Wirklichkeit ist das schlichtweg nicht der Fall.

Glauben Sie nicht mir, glauben Sie dem Vater des Value-Investings. Die Krux an der ganzen Sache ist allerdings das Wachstum der kommenden fünf Jahre zu schätzen.

Das sind die Ergebnisse

Je nachdem, welche Wachstumsrate man nimmt, kommt man zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen.

Gehen wir davon aus, dass der Gewinn 2023 wie erwartet um 56 % auf 13,40 USD je Aktie steigen wird und in den darauffolgenden fünf Jahren Wachstumsraten von 10 % p.a. erzielt werden. In diesem Fall läge der intrinsische Wert von Meta laut Benjamin Graham bei 361,37 USD. Geht man allerdings von einer Wachstumsrate von 14 % aus, liegt der intrinsische Wert bei 462,80 USD.

Egal, ob man die eine oder andere Wachstumsrate unterstellt, Meta wäre unterbewertet.

Eine weitere Möglichkeit der Bewertung ist ein simpler Rückblick. Kurzfristig können die Bewertungen von Aktien weit von einem sinnvollen Niveau abweichen, aber langfristig ist das so gut wie nie der Fall.

Blendet man den ganzen Irrsinn ab 2020 aus, stellt man fest, dass Meta in den fünf Jahren zuvor durchschnittlich auf eine P/E von 32,9 kam. Wie der Zufall so will, ergibt sich daraus aktuell ein fairer Wert von 440,53 USD.

Börse ist Mathematik

Selbstverständlich ist es kein Zufall, dass man mit dieser Herangehensweise auf ein ähnliches Ergebnis wie mit der Formel von Benjamin Graham kommt. Kurzfristig ist Börse Psychologie, langfristig Mathematik.

So verrückt und überzogen die Rallye auch erscheint, sie könnte vorerst noch weitergehen. Der Fehler im System ist nicht die derzeitige Rallye, sondern der vorangegangene Crash – denn der ergab sehr viel weniger Sinn als die laufende Rallye.

Meta (WKN A1JWVX) - Chart vom 29.07.2023 – Kurs 325,48 USD - Kürzel: META - Wochenkerzen

 

Das gilt umso mehr, wenn die kommenden Quartale auch so gut ausfallen wie die letzten und danach sieht es aus.

Der Gewinn von Meta lag in Q2 mit 2,98 je Aktie weit über den Erwartungen von 2,86 USD. Der Umsatz übertraf mit 32,0 Mrd. die Analystenschätzungen von 30,8 Mrd. USD ebenfalls.

Auf Jahressicht entspricht das einem Umsatzplus von 11 % und einem Gewinnsprung um 21 %.

Die Umsatzprognose für das Gesamtjahr wurde von 86 - 90 auf 88 – 91 Mrd. USD erhöht und die Capex von 30 – 33 auf 27 – 30 Mrd. USD gesenkt. Im Klartext bedeutet das: Einige Milliarden mehr Umsatz und einige Milliarden weniger Kosten als bisher angenommen.

Unter dem Strich dürfte Meta in diesem Jahr einen Gewinn von etwa 35 Mrd. USD einfahren und einen bedeutenden Teil davon in Aktienrückkäufe stecken.
Anfang Februar hat man Buybacks mit einem Volumen von 40 Mrd. USD beschlossen.

Risikohinweis
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