In Großbritannien fehlen Millionen von Wohnungen

Der britische Immobilienmarkt leidet unter einem eklatanten Mangel an Wohnraum, es fehlen Millionen von Wohnungen.

Aufgrund regulatorischer Hindernisse und hoher Kapitalanforderungen, ist die Bauaktivität seit vielen Jahren zu niedrig und das Ungleichgewicht immer größer geworden. Durch die gestiegenen Zinsen hat sich das Problem weiter verschärft.

Daher gibt es auf politischer Seite einen breiten Konsens für die finanzielle Unterstützung potenzieller Eigenheimbesitzer und zur Steigerung des Wohnungsbaus.

Vor diesem Hintergrund hat sich der britische Hausbauer Vistry dazu entschlossen, die Unternehmensstrategie komplett umzustellen, weg vom klassischen Baugeschäft hin zu einem reinen Partnerschaftsmodell nach dem Vorbild der US-Baugesellschaft NVR.

NVR hatte ich vor einiger Zeit ebenfalls vorgestellt, seitdem ist der Kurs von 4.335 auf 7.035 USD gestiegen: NVR – Die Zinsangst geht um

Paradigmenwechsel verspricht enorme Kapitalrendite

Statt Häuser auf eigene Rechnung zu bauen und zu verkaufen, konzentriert sich Vistry nun darauf, Partnerschaften mit lokalen Behörden, Wohnungsbaugesellschaften, der Zentralregierung und Finanzinstituten einzugehen. Diese Partnerschaften ermöglichen es Vistry, gemeinsam mit anderen Partnern Kapital und Ressourcen zu bündeln, um erschwinglichen Wohnraum (affordable housing) zu schaffen.

Ein Schlüsselelement des Partnerschaftsmodells von Vistry sind Vorverkäufe („Pre-Selling“) von über 50 % der geplanten Wohnungen. Der Bau beginnt erst dann, wenn der Großteil der Wohnungen bereits veräußert ist.

Die Käufer sind hauptsächlich Institutionen, Behörden und Wohnungsbaugesellschaften. Durch diese Vorverkäufe verkürzt Vistry die Zeit bis zum Geldeingang und reduziert die Konjunkturanfälligkeit des Geschäfts. Dieses Partnerschaftsmodell hat einen deutlich niedrigeren Kapitalbedarf als das klassische Baugeschäft.

Das bessere Geschäftsmodell

Durch die strategische Neuausrichtung könnte Vistry zu einem der führenden Hersteller von erschwinglichem Wohnraum im Vereinigten Königreich werden.
Die Transformation dürfte nicht nur die Umsatzstabilität und -sichtbarkeit verbessern, sondern auch die Kapitalrendite und das Ertragspotenzial des Unternehmens steigern. Ganz nach dem Vorbild von NVR. Dafür hat man sogar Führungskräfte von NVR abgeworben.

Bisher wurde dieser Transformation an der Börse nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Mehrheit der britischen Anleger dürften das neue Geschäftsmodell sowie NVR vollkommen unbekannt sein.

Daher liegt die Bewertung von Vistry auch heute noch auf demselben Niveau wie eh und je. Derzeit kommt Vistry auf eine P/E von 11,4 – das sind jedenfalls die Konsensschätzungen.

Vistry selbst hat im September die Prognose für 2023 nochmal bestätigt und erwartet ein bereinigtes Ergebnis von mehr als 450 Mio. GBP. Unterstellt man eine Steuerquote von etwa 20 %, wie in den Jahren zuvor, läge die P/E bei 9,0.

Niedrige Bewertung und viel überschüssiges Kapital

Hinzu kommt, dass durch die Umstellung auf ein reines Partnerschaftsmodell in etwa eine Mrd. GBP an gebundenem Kapital frei wird, was etwa 30 % des Börsenwerts von Vistry entspricht.

Ein Großteil davon will man an die Aktionäre ausschütten („Targeting returning £1bn to shareholders over next three years from ordinary and special distributions, alongside the elimination of net debt“).

Derzeit liegt die Dividendenrendite bei 5,64 %. Darüber hinaus könnte man in Zukunft auch nennenswerte Aktienrückkäufe durchführen. Den ersten Vorgeschmack haben die Anleger im September erhalten, als Vistry Buybacks in Höhe von 55 Mio. GBP beschlossen hat.

Wenn Sie das alles bereits spannend finden, warten Sie ab, was das Unternehmen langfristig in Aussicht stellt. Durch die Übernahme von Countryside für 1,27 Mrd. GBP ist man zum Marktführer für bezahlbaren Wohnraum aufgestiegen und kann Projekte in einer Größenordnung umsetzen, zu denen kaum ein Konkurrent in der Lage ist.

Ein gutes Beispiel dafür ist ein Deal, den man im November an Land gezogen hat. Vistry ist ein Vorverkauf von 2.915 Einheiten an Leaf Living und Sage Homes gelungen, der Kaufpreis liegt bei 819 Mio. GBP. Die ersten Objekte sollen noch in diesem Jahr übergeben werden, der Großteil wird bis Ende 2025 fertiggestellt.

Ausblick und Bewertung

Die Immobilien entstehen auf 70 Grundstücken, die Teil des Grundstücksbestands von Vistry sind. Die Transaktion umfasst 1.522 Einheiten für den privaten Mietsektor und 1.393 für erschwingliches Wohnen.

In einem ersten Zug erhält das Unternehmen 160 Mio. GBP und dann gestaffelte Zahlungen, entsprechend dem Baufortschritt. Gleichzeitig werden die Bauvorhaben durch „Homes England“ und im Rahmen des „Affordable Homes Programme“ staatlich gefördert.

Die Vereinbarung veranschaulicht, wie das Partnerschaftsmodell funktioniert. Das Geschäftsmodell ist gut planbar, hochrentabel und nicht kapitalintensiv.

Vistry stellt für die kommenden Jahre ein Umsatzwachstum von 5-8 % in Aussicht. Die Kapitalrendite soll auf 40 % steigen und das operative Ergebnis auf 800 Mio. GBP. („In the medium term, the Group will be targeting a return on capital employed of 40 %, revenue growth of 5 to 8 per cent. p.a., operating profit of £800m with a 12 %+ operating margin“)

Können diese Ziele erreicht werden, würde das einem Nachsteuerergebnis von etwa 640 Mio. GBP entsprechen. Mit einem KGV von 10 ließe sich demnach ein Börsenwert von 6,4 Mrd. GBP rechtfertigen, aktuell liegt der Börsenwert bei 3,3 Mrd. GBP.

Vistry Group (WKN: 911164) - Chart vom 27.01.2024 - Kurs: 976 - Kürzel: VTY - Wochenkerzen

 

Die Aktie ist übergeordnet bullisch und mit dem Anstieg über die Widerstandszone bei 900 – 950 GBP wurde ein Kaufsignal mit möglichen Kurszielen bei 1.100 und 1.200 – 1.250 GBP ausgelöst.

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