Viel ist in den letzten Tagen geschrieben und geredet worden über den Sarinangriff am 4. April in Khan Sheikhun, Syrien.
Das Weiße Haus in Washington hat am Dienstag ein Papier an die Medien weitergegeben, in dem es die syrische Luftwaffe beschuldigt, diesen Giftgasangriff durchgeführt zu haben. Hier nachzulesen.
Erst Sarin, dann die Tomahawks
Fakt ist, dass dieser Giftgasangriff von den USA als Begründung für den cruise missile-Angriff diente. Von den 59 abgefeuerten Tomahawks sollen nur 23 eingeschlagen sein, obwohl die vorgewarnte russische Luftabwehr deaktiviert gewesen sein soll. Verfolgt man jedoch die amerikanischen Medien, dann war der Einsatz ein voller Erfolg. Amerika hat gesiegt. Gegen alle und jeden. Dort wird die übliche realitätsferne Show der unbesiegbaren Weltmacht durchgezogen.
Wenn dies Zahlen stimmen, dann ist es nicht weit her mit den von den Amerikanern immer wieder behaupteten „chirurgisch präzisen Angriffen“. Offensichtlich muss ein amerikanischer Kommandeur um die 60 Raketen losschießen, damit um die 20 einigermaßen das Ziel treffen. Das würde zumindest zu den akzeptierten Kollateralschäden passen. Oder hat der Raketenangriff womöglich ganz andere, innenpolitische, gegen die Geheimdienste gerichtete Gründe? Das bleibt abzuwarten. In ein paar Wochen werden wir mehr wissen.
Analyse von Professor Postol
Unabhängig von der Waffenqualität zurück zum Angriff mit Nervengas.
Dazu schwirren eine Menge gegensätzlicher Behauptungen durch die Medien.
Vollkommen ignoriert wird dabei die Analyse des US-amerikanischen Chemiewaffenexperten und MIT-Professors Theodore Postol.
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist eine Technische Hochschule und Universität in Cambridge, Massachusetts in den USA, gegründet 1861. Das MIT gilt als eine der weltweit führenden Eliteuniversitäten und erreicht in internationalen Vergleichen regelmäßig einen Spitzenplatz. Die Hochschule ist Mitglied der Association of American Universities, einem seit 1900 bestehenden Verbund führender forschungsintensiver nordamerikanischer Universitäten.
Professor Postol hat auch schon beim Aufdecken der Lügen zum False-Flag-Terror mit Chemiewaffen in Ghouta 2013 eine entscheidende Rolle gespielt.
Laut washingtonsblog.com erklärt nun Professor Postol, die von Terroristen und ihren Unterstützern selbst verbreiteten Bilder zeigten, dass die Rakete nicht von Innen heraus explodiert sei, wie das für Raketen kennzeichnend sei, sondern das Rohr der Rakete sei nach innen eingedrückt worden. Somit müsse die Explosion der Rakete von außen herbeigeführt worden sein. Zum Beispiel mittels eines weiteren Behälters mit Sprengstoff, der auf die Rakete gelegt wurde und dann zur Explosion gebracht wurde und dadurch die Öffnung und Deformierung der Rakete herbeigeführt habe.
Wäre diese „Rakete“ also wirklich, wie vom Weißen Haus behauptet, ein Behältnis, aus dem Giftgas in Khan Sheikhun freigesetzt worden ist, dann würde die Freisetzung von Giftgas nicht durch einen Luftangriff verursacht, sondern durch die Zündung eines improvisierten Giftgas-Sprengsatzes von Personen vor Ort am Boden.
Wissen, nichts zu wissen
Wie passt das nun zu der Tatsache, dass die Gegend der Explosion von sogenannten Rebellen beherrscht wird? Laut Weißem Haus kam das Giftgas genau aus jener Rakete an jener Stelle.
Die Wahrheit über den Vorfall kennen wir noch nicht. Vielleicht werden wir sie nie erfahren. So zu tun, als wäre alles klar und eindeutig, ist bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.
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Kommentare
Seit dem Giftgasangriff in Idlib Anfang April wird in den sozialen Netzwerken wieder vermehrt über die Sarin-Attacke auf Ghouta im Sommer 2013 diskutiert. Insbeson-dere ein ZDF-Interview mit Michael Lüders findet große Verbreitung. In diesem führt der Politologe aus, dass die Unschuld des Assad-Regimes so gut wie bewiesen sei. Was ist dran an dieser Behauptung?
Seit bald vier Jahren wütet ein unerbittlicher Streit um die Wahrheit: Wer ist für den Giftgasangriff in Ost-Ghouta verantwortlich, dem am 21. August 2013 hunderte, einigen Quellen zufolge gar mehr als 1.000 Menschen zum Opfer gefallen sein könnten?
Tatsächlich liegt bis heute vieles im Nebel. Noch immer lässt sich die Schuldfrage nicht eindeutig klären. Doch das hindert Propagandisten und Apologeten des Assad-Regimes nicht daran zu behaupten, dass es eigentlich alles ganz einfach und das Assad-Regime unschuldig sei. Derzeit kursiert ein Video hunderttausendfach im Netz, in dem der Politikwissenschaftler Michael Lüders bei Markus Lanz erklärt: „Mittlerweile wissen wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass es nicht das Regime war, das für diesen Angriff verantwortlich war.“
Doch das stimmt nicht. Lüders unterlaufen ebenso wie Seymour Hersh, dessen Ausführungen er teilweise paraphrasiert, zahlreiche Fehler. Darüber hinaus bedient sich Lüders in seinem Interview Auslassungen wichtiger Sachverhalte, um dort Eindeutigkeit zu konstruieren, wo keine existiert.
Selektive und falsche Ausführungen.
Warum wir bis heute keine endgültige Klarheit darüber haben, was an diesem 21. August geschehen ist, liegt übrigens unter anderem daran, dass die russische Regierung bis heute im UN-Sicherheitsrat eine strafrechtliche Verfolgung des Einsatzes von Chemiewaffen in Syrien blockiert. Was jedoch feststeht ist, dass das Militär des Assad-Regimes nach wie vor chemische Waffen, insbesondere Chlorgas, auch gegen zivile Ziele einsetzt.
Lüders Beweisführung hinsichtlich der Angriffe auf die Damaszener Vororte strotzt hingegen nur so von selektiven und falschen Ausführungen.
So behauptet Lüders: „Die eigenen Geheimdienste der Briten und Amerikaner haben nämlich das Giftgas untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dieses Sarin, das sie da eingesetzt haben, befindet sich nicht in den Beständen der syrischen Armee.“
Diese Geschichte stammt vom US-Journalisten Seymour Hersh – Lüders aber lässt einen recht essentiellen Fakt weg, der zeigt, warum diese Untersuchungen (die nicht öffentlich zugänglich sind – Hersh beruft sich durchweg auf einige wenige anonyme Quelle) fragwürdig sind: Die Proben wurden den Briten vom russischen Geheimdienst überlassen. Eine lange Reihe von gefälschten „Beweisen“, erlogenen Geschichten und sonstigen Desinformationsversuchen des mit Assad verbündeten Kremls in Sachen Syrien aber sollten daran zweifeln lassen, dass hier alles mit rechten Dingen zuging.
Wer wie Michael Lüders behauptet, dass beim Thema Syrien die wahren Interessen im Hintergrund nicht angemessen beleuchtet würden, darf solche Informationen nicht einfach unterschlagen und sollte an dieser Stelle ebenso kritisch mit den russischen Interessen ins Gericht gehen, wie mit den amerikanischen.
UN: „Täter hatten wahrscheinlich Zugang zu den Chemiewaffenbeständen des syrischen Militärs“
Klarheit könnten in dieser Angelegenheit nur die UN-Experten schaffen, die in Ost-Ghouta Untersuchungen angestrengt haben. Doch diese haben nur das Mandat bekommen zu untersuchen, ob und welches Giftgas eingesetzt wurde, nicht von wem. Das Assad-Regime wiederum verweigerte ihnen das Betreten des betroffenen Gebiets fast fünf Tage lang, bombardierte die betroffenen Städte dafür aber exzessiv.
Der UN-Menschenrechtsrat wiederum schrieb in einem Bericht vom Februar 2014: „Die vorliegenden Beweise hinsichtlich der Eigenschaften, der Qualität und der Menge des Sarins deuten darauf hin, dass die Täter wahrscheinlich Zugang zu den Chemiewaffenbeständen des syrischen Militärs hatten.“ Solche und viele weitere seiner Darstellung widersprechende Informationen berücksichtigt Lüders nicht.
Stattdessen führt er aus: „Die Türkei hat ganz offenkundig diese Nusra-Front bewaffnet mit Sarin-Gas. Es gibt erste Untersuchungen der amerikanischen Geheimdienste, die man auch nachlesen kann, schon vom 20. Juni 2013, da wir ganz klar benannt: Wir wissen, dass die Türkei die Nusra-Front und andere Bewegungen mit Sarin-Gas ausgestattet hat und sie stellen selber Sarin-Gas her. Und die ersten die darüber berichtet haben waren türkische Journalisten, darunter auch Can Dündar.“
Can Dündar hat nie über Chemiewaffenlieferungen der Türkei an syrische Milizen berichtet. Er berichtete über konventionelle Waffen. Seine Ergebnisse wegen denen er verfolgt wurde legt er etwa noch einmal in diesem Artikel für den Guardian dar. Auf Nachfrage diverser irritierter Kollegen stellte Dündar mittlerweile klar, dass Lüders Behauptungen über seine Recherchen absurd seien.
Ein angeblicher Geheimdienstbericht und ominöse Quellen
Es war Seymour Hersh der schrieb, dass entsprechende Geheimdienstberichte vom 20. Juni existieren. Nachlesen kann man diese, anders als Lüders behauptet, nicht: Die US-Geheimdienste bestreiten, dass solche Berichte existieren. Vor Hersh behauptete eine rechte verschwörungsaffine Website Zugang zu diesen Unterlagen zu haben. Einige Beobachter gehen davon aus, dass der Autor dieser Website (ein gelegentlicher Gast russischer und iranischer Fernsehsender und ehemaliger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums unter George W. Bush) eine der anonymen Quellen Hershs gewesen sein könnte.
Das heißt nicht, dass absolut nichts zu finden wäre, was für die behauptete Türkei-Connection spricht. Im Mai 2013 brachte die türkische Zeitung Zaman die Nusra-Front mit Sarin-Gas in Verbindung: Mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sollen in der Südtürkei mit zwei Kilogramm des Kampfstoffes festgenommen worden sein. Auf diesen Vorgang berufen sich auch die oben erwähnten angeblichen Geheimdienstdokumente. Hier aber ist vieles unklar: War es wirklich Sarin? Waren es Stoffe, die zu dessen Herstellung benötigt wurden? Oder aber Frostschutzmittel, das bei einigen Sarintests falschpositive Ergebnisse liefert? Die ominösen Vorgänge diesen Mais bieten viel Anlass zur Spekulation und die Informationen widersprechen sich. Zur Beweisführung taugen sie nicht, weil keine gesicherten Fakten bestehen. Teil des anschließenden Gerichtsverfahrens gegen die festgenommenen Terroristen war das Sarin jedenfalls nicht. Jedoch ist der türkischen Justiz freilich nicht zu trauen.
Was nicht in den Kram passt, wird ausgelassen
Doch auch darüber hinaus existieren viele Beweise, die die Türkeitheorie, die auf Hersh zurückzuführen ist, stark in Mitleidenschaft ziehen. Dem Journalisten sind – insbesondere bei der Entlastung des Regimes – viele Fehler unterlaufen, die bereits vielerorts zerpflückt wurden. Hersh erklärte beispielsweise dass die mit Giftgas bestückten Raketen aus einem Gebiet abgeschossen worden seien, das zu diesem Zeitpunkt unter Rebellenkontrolle gewesen sei. Das kann er jedoch nur behaupten, weil er einige Einschlagsorte unterschlägt und vor allem verschweigt, dass Regime-Truppen kurz vor dem 21. August in diesen Vorort vorgerückt waren. Die Mehrheit der Experten widerspricht seiner Darstellung. Auch kann er nicht erklären, dass diese Raketen von diesem Kaliber sich im Arsenal der syrischen Armee befinden und nur von diesem zuvor benutzt worden waren.
Die Menge des in Ghouta eingesetzten Giftgases von einer halben Tonne spricht wiederum für staatliche Produktion, was die Angaben des UN-Menschenrechtsrats weiter stützt. Der einzige nicht-staatliche Akteur, dem es bislang gelang große Mengen Sarin herzustellen, war die Sekte Aum Shinrikyo in Japan. Ihre millionenteure Fabrik ermöglichte es ihnen gerade einmal einzelne Sarin-Einheiten von acht Litern herzustellen.
Bis heute sind nur zwei Fraktionen in Syrien durch die UN eindeutig der Nutzung von Giftgas überführt worden. Das Assad-Regime und ISIS. Diese benutzten Chlor- und Senfgas. Die Nutzung von Sarin konnte niemandem eindeutig nachgewiesen werden. Nur vom Regime aber ist es eindeutig gesichert, dass es Sarin besitzt.
Cui bono – wem nützt es?
Der Einsatz von Giftgas ist besonders perfide. Chlorgas etwa – dessen Einsatz die UN dem Regime nachgewiesen hat – ist schwerer als Luft und sinkt dementsprechend. Das führt dazu, dass etwa jene Keller in denen sich Menschen vor Bombenangriffen zu schützen versuchen, zu Todesfallen werden, wie Human Rights Watch bemerkt. Sie zitieren einen Aleppiner Journalisten der sagt: „Wir haben uns an die Bomben und den Beschuss gewöhnt. Aber vor Chlorgas kannst du dich nicht schützen.“
Doch die Debatte um das Giftgas verengt auch den Blick auf die im syrischen Konflikt begangenen Verbrechen. Hungerblockaden, zigtausendfache Folter, Massenhinrichtungen, der systematische Krieg gegen die zivile Infrastruktur in dessen Rahmen bislang fast 800 Ärzten und Krankenhausangestellte getötet wurden, geächtete Streu-, Fass- und Brandbomben – brutaler und rücksichtsloser als das syrische Regime kann man einen Krieg kaum führen.
Selbst losgelöst von chemischen Waffen hat sich das Regime derartiger Gewalt bedient, dass sich Rehabilitierungsversuche verbieten. Darauf aber zielen es jene ab, die versuchen das Assad-Regime von der Verantwortung für den Angriff auf Ost-Ghouta freizusprechen. Das wiederum ist nicht so einfach möglich.
Wer behauptet mit absoluter Sicherheit sagen zu können, wer verantwortlich ist, der übertreibt. Wer behauptet, dass Assad entlastet sei, der lügt.
https://informnapalm.org/de/sarin-chan-schaichun/
vielen Dank für die Einschätzungen und vor allem Ihre Recherchen. Leider wird mit der nun immer offenkundigeren Lüge der amerikanischen Behörden und der unreflektierten Übernahme selbiger durch unserer Medien die Welt in ein falsches Licht gesetzt, und Feinbilder bedient. Dass sich das in unserer Bevölkerung zu einem verzerrten Gesamtbild der syrischen Lage verdichtet, kann man nur als volle Absicht bezeichnen. Die Bevölkerungen der Länder werden mit einer gefärbten Wahrheit auf kriegerische Auseinandersetzungen mental vorbereitet. Ich habe erst heute wieder mit meinen Eltern darüber gesprochen, und an ihren Reaktionen gemerkt, dass hier ganze Arbeit geleistet wird. Diese Generation ist in weiten Teilen noch nicht im Internet angekommen, also ahnungslos bzw. auf die Medien komplett angewiesen.
Warum sagt denn kein Politiker mal öffentlich, dass es mehr als unseriös ist, wenn man nach weniger als 24 Stunden eine eindeutig bewiesene Erklärung auf solche Anschläge hat.
Ich bin in der DDR erwachsen geworden, und so manches von heute erinnert mich doch sehr an diese Zeiten. Wir hatten damals auch einen großen Bruder der für uns gedacht hat. Wir sollten anfangen selber nachzudenken, und aufhören uns was vorzumachen. Wir haben eine kapitalistische Welt, und sowas kommt von sowas.....
Ich wünsche Ihnen alles Gute, JT
Die Untersuchungen des Prof. Postol (die es auch zu dem Angriff von 2013 gibt) werden nämlich auch dort nicht erwähnt.
Schade.
Die Ausführungen ändern aber nichts an der Tatsache, dass man nun immer noch genau so schlau ist wie vorher. Aber Fakt ist, dass lt. unseren Medien die Schuld als "erwiesen" gilt.
Und keiner fragt nach, wo denn Amerika überhaupt seine Legitimation zu einem sofortigen Luftschlag hernimmt.
"Es ist kaum zu begreifen, warum ein Land, das nachweislich in den letzten Jahren so viele Verbrechen begangen hat, noch immer ein Veto-Recht bei der UNO besitzt [...]"
--> Ja das denke ich über die USA auch.
Fakt ist:
Unsere Medien berichten seit Jahren sehr einseitig.
Jeder, der was anderes fragt, denkt oder sagt ist ein Putinversteher oder Verschwörungstheoretiker.
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