Nein. Ich will das jetzt wirklich nicht alles noch mal von vorne aufrollen. Und natürlich ist der Zweifel berechtigt, ob das Thema heute denn überhaupt noch irgendeine Relevanz hat. Es ist doch alles analysiert, aufgeklärt und bewältigt worden. Da gibt es doch keine offenen Fragen mehr, keine blinden Flecken. Und weil dem so ist, muss man der Bevölkerung heute damit nicht auch nur eine einzige Minute lang noch auf die Nerven gehen.

Haben die Vorkommnisse während der Pandemie heute noch irgendeine Relevanz? Nein. Natürlich nicht.

Ok, es gibt Leute, die behaupten, dass sie zur Spaltung unserer Gesellschaft beigetragen haben sollten. Aber diese Spaltung ist ja inzwischen auch überwunden. Jaja. Jens Spahn, der Mann, der zu Beginn der Pandemie sagte: „Wir werden uns viel verzeihen müssen“ hat ja dann, nach der Pandemie auch explizit um Verzeihung gebeten. In dieser samstagabendlichen Sondersendung mit Barbara Schöneberger.

Wie gesagt, das Thema hat keine Relevanz mehr. Außer, falls es vielleicht tatsächlich ein bisschen zur Spaltung unserer Gesellschaft beigetragen haben sollte. Aber auch dann doch nur ein klitzekleines bisschen.

Denn während der Pandemie gab es ja zwei Gruppen in unserem Land: Die einen hatten Angst vor dem Virus, die anderen nicht. Und bei den Zweiten, da waren Politik und Medien sich einig: „Die haben einen an der Waffel. Wie kann man denn keine Angst vor dem Virus haben? Wenn wir doch immer wieder sagen, dass man gefälligst Angst vor dem Virus zu haben hat.“

Und später dann gab es nochmal zwei Gruppen: Die einen hatten keine Angst vor dem Impfstoff, die anderen dafür umso mehr. Und bei denen Zweiten waren Politik und Medien sich noch mehr einig: „Jetzt reicht’s! Wovor du als Individuum Angst haben darfst, das bestimmt nicht deine Psyche, das bestimmen Jens Spahn und Karl Lauterbach.“  Also eine Charakterschabracke und eine Kommunikationskatastrophe. Wenn Du mal sehen willst, wo offensichtlich kranke Typen Gesundheitsminister werden können, musst Du nach Deutschland kommen.

An dieser Stelle noch ein Tipp am Rande: Guckt Euch mal irgendeine Bundestagsrede von Jens Spahn an und dreht den Ton weg. Achtet mal nur auf sein Gesicht und seine Mimik. Und dann spielt dazu Geräusche von „the walking dead“ ab.

Bei Karl Lauterbach ist es umgekehrt: Da müsst Ihr das Bild abschalten und nur auf seine Sprache hören. Und dann Bilder von „the walking dead“ abspielen. 

Was Ihr dann erleben werdet… Ich will nicht zu viel verraten.

Aber am meisten begeistert hat mich dabei vor allem die ganz tolle Idee, Angst mit Druck und Drohungen therapieren zu wollen. Das waren so richtig moderne Erziehungsansätze, bekannt aus den Zeiten, als Max und Moritz oder der Struwwelpeter geschrieben wurde.

Und an dieser Strategie des Schreckens beteiligt hat sich dann auch noch die gesamte Elite aus Journalismus, Wirtschaft, Kirche, Ethikrat, Kultur, Sport, Film- und Fernsehsternchen, Pop- und Rockmusiker. Hunderte Promis, von Herbert Grönemeyer, Wolfgang Niedecken, Campino von den Toten Hosen über Dunja Hayali, Günther Jauch, Eckart von Hirschhausen, Arnold Schwarzenegger, Thilo Sarrazin, bis zum unvermeidlichen Uli Hoeneß. Alles ausgewiesene Expertinnen und Experten in Virologie, honoriert mit dem Sandra-Maischberger-Diplom auf der Markus-Lanz-Akademie.

Aber damit noch nicht genug. Denn auch Leute aus dem deutschen Kabarett haben sich an dieser schwarzen Pädagogik beteiligt. Denn auf einmal gab es Satire, die plötzlich regierungsfreundlich geworden ist. Ich mein´, man kann ja durchaus als kritischer Geist auch mal Entscheidungen der Regierung gut finden. Passiert mir doch auch. Aber wenn man als Kabarettist eine politische Entscheidung mal gut findet, dann behält man das doch für sich. Das posaunt man doch nicht hinaus. Kabarett ist doch immer APO. Und APO ist in dem Fall nicht bayerisch für „ein Hintern“, also „a Po“. APO heißt: „Außerparlamentarische Opposition“.

Aber in der Pandemie haben einige Kabarettistinnen und Kabarettisten tatsächlich ihren Oppositionsauftrag vergessen und sind stattdessen regierungsfreundlich geworden. Kabarettisten, die lange Zeit superkritisch waren, haben mit Beginn der Pandemie plötzlich nicht mehr die Angriffsflächen der Regierung bearbeitet, sondern die Regierungskritik eingestellt und stattdessen Kritik gegen Regierungskritiker gemacht, gegen Oppositionelle, oder noch heftiger: Gegen Nena.

Und vor allem immer wieder gegen die, die Angst vor dem Impfstoff hatten. Und der Höhepunkt in dem Zusammenhang war dann erreicht, als es plötzlich im deutschen Kabarett hieß, die Spaltung der Gesellschaft sei doch kein Problem, weil das doch nicht so wäre, als ginge der Spalt durch die Mitte der Gesellschaft, sondern die, die sich abspalten wollen, sitzen doch ziemlich weit rechts und ziemlich weit unten, also im Blinddarm. Und Blinddarm klar, alle Frauen kennen das: Das ist wie der Ehemann. Wenn er nervt, muss er raus.

Wobei ich mir dann aber dachte: Das Problem ist doch nicht, dass die Spalter im Blinddarm sitzen. Das Problem ist, dass das Gehirn Teile des eigenen Körpers zum Blinddarm zugehörig erklärte, obwohl die sich selber da gar nicht zugehörig fühlten. Wobei Gehirn jetzt für die Regierung steht. Klar, unsere Regierung als Metapher fürs Gehirn… schlechter Vergleich.

Aber das Problem dabei war doch, dass plötzlich Leute, die sich selber gar nicht abspalten wollten, und die sich selber gar nicht im Blinddarm verortet sahen, von anderen einfach mal in einem Abwasch mitabgespalten wurden.

Und zwar von denselben Leuten, die bei Geflüchteten das Motto haben: „leave no one behind”, also eine Solidarität einfordern für Menschen, die in unsere Gesellschaft wollen, und die dieselbe Solidarität für Menschen, die sich bereits in unserer Gesellschaft befinden, glatt behind geleaved haben.

Und die Taktik, jeden, der Regierungskritik äußert, in die rechte Ecke zu stellen, geht natürlich nur so lange gut, bis die Menge derer, die da sich da plötzlich in der rechten Ecke wiederfinden so groß wird, dass da keine Ecke mehr ist, sondern die Quadratur des Kreises.

Während die linke Ecke sich wundert, warum sie eigentlich so klein geworden ist, dass sie für Leute mit Regierungskritik noch weniger Platz bietet als ein Beichtstuhl für eine Swingerparty mit dem Knabenchor.

Und wenn alle Ungeimpften im Blinddarm Platz finden sollen, dann muss das ein ganz schön großer Blinddarm sein. Denn laut statistischem Bundesamt haben wir unter den 18- bis 60-jährigen Erwachsenen in Deutschland ca .12 Millionen Menschen, die bis heute noch nicht einmal geimpft sind.

12 Millionen Menschen, die von ihrem „Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“ Gebrauch gemacht haben, und die wissenschaftlich nachgewiesen nicht mehr und nicht weniger zum Infektionsgeschehen beitrugen als Geimpfte, weil die Impfung wissenschaftlich nachgewiesen die Weitergabe des Virus gar nicht verhindert, sondern nur für den Geimpften selber womöglich einen schweren Verlauf. Ungeimpfte sind also Leute, die eigenverantwortlich lediglich auf einen Selbstschutz verzichten wollten.

Auf den Intensivstationen sahen wir in der Tat eine scheiß Situation. Aber wenn eine Politik über 20 Jahre lang unser Gesundheitssystem kontinuierlich in Grund und Boden spart und dann während der Pandemie trotz eines offensichtlichen Überbedarfs weiterhin Intensivkapazitäten runterfuhr und Kliniken geschlossen hatte, war es ebenfalls eine scheiß Situation, vom eigenen Versagen abzulenken, und die einen Kranken gegen die anderen auszuspielen.

Denn 12 Millionen Menschen haben am eigenen Leib die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn eine Regierung sie plötzlich und über Nacht zu Blitzableitern und Sündenböcken macht, und eine „Pandemie der Ungeimpften“ verkündet, gar eine „Tyrannei der Ungeimpften“, und die Bevölkerungsmehrheit gegen eine Minderheit aufhetzt, und sie ausgrenzt, diffamiert, diskriminiert und denunziert.

Und diese 12 Millionen Menschen haben das bis heute natürlich nicht vergessen. Während die anderen 68 Millionen Deutschen zur Tagesordnung übergegangen sind, nach vorne blicken, und ansonsten „Schwamm-drüber“ sagen, warten die anderen 12 Millionen darauf, dass mal irgendeiner auf die Idee kommt, öffentlich um Verzeihung zu bitten. Am besten in einer samstagabendlichen Sondersendung mit Barbara Schöneberger.

Und genau das ist die Relevanz, die das Thema heute immer noch hat. Und leider nicht nur ein klitzekleines bisschen.

Ich habe sie alle bewundert.

Alle Konformen, die sich so sicher waren, dass alle Kritiker Nazis sind. Und alle Kritiker, die sich so sicher waren, dass alle Konformen Schlafschafe sind.

Das Problem war nicht SarsCov2. 
Das Problem war auch nicht unser Umgang mit SarsCov2.
Das Problem war unser Umgang miteinander angesichts von SarsCov2.
Das war das viel zerstörerische Virus.

Anmerkung der CK*Red: Ja, öffentliche Entschuldigungen der damaligen Entscheidungsträger wären ein sehr guter Anfang. Aber wie wäre es mit echten politischen Konsequenzen, beispielsweise dem in längst vergangenen Zeiten noch praktizierten Rücktritt der Verantwortlichen? Und ebenso einer ernsthaften Aufarbeitung der Vorgänge sowie einer - soweit überhaupt möglichen - Entschädigung der Opfer und bestmöglicher Wiedergutmachung?

Festzuhalten bleibt jedoch, dass viele der angerichteten Schäden kaum wiedergutzumachen erscheinen, da sie immaterieller Natur sind. Aber genau an dieser Stelle könnten wir tatsächlich alle versuchen, unseren Teil beizutragen und selbst auch einmal das Wort „Entschuldigung“ in den Mund nehmen. Denn eine ernstgemeinte Entschuldigung kann unheimlich wertvoll sein, insbesondere dann, wenn sie wirklich von Herzen kommt. Bestenfalls wird diese sogar angenommen. Hierzu gehört die - zugegebenermaßen nicht leichte – Aufgabe, dem Gegenüber auch wirklich verzeihen zu wollen und zu können – damit schließt sich der Kreis…und eine Wiederholung der gesellschaftlichen Spaltung bis in die Familie hinein wird unwahrscheinlicher. Wenn uns das gelingt, können „die da oben“ fast machen, was sie wollen…

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