Eine Fahrt an die Tankstelle wird angesichts von womöglich weiter kletternden Preisen und den seit Jahresbeginn erhobenen Zusatzsteuern im CO2-Bereich zu einer Angelegenheit, die nicht wenigen Autofahrern und Pendlern beim Öffnen des eigenen Geldbeutels an der Kasse mittlerweile Tränen in die Augen treibt.

Energy Information Administration: Angebotslücke und steigende Nachfrage

Im Februar-Bericht der U.S. Energy Information Administration (EIA) zum Ausblick an den internationalen Ölmärkten ging die Behörde von einem Weltrohölverbrauch in Höhe von 96,7 Millionen Fass pro Tag im laufenden Monat aus.

Der starke Angebotseinbruch an den amerikanischen Rohöl- und Fracking-Märkten hat jedoch einen großen Beitrag zur aktuellen Situation einer Unterversorgung mit Rohöl am Weltmarkt geführt.

Laut EIA belaufe sich das absehbare Rohölangebot zurzeit auf gerade einmal 93,6 Millionen Fass pro Tag, woraus eine Angebotslücke in Höhe von 3,1 Millionen Fass pro Tag resultiere. Historisch betrachtet hat sich eine über längere Zeiträume zu beobachtende Angebotslücke in dieser Größenordnung stets als Preistreiber an den Ölmärkten erwiesen.

Laut EIA werde sich die Erholung der weltweiten Rohölnachfrage bis Mitte dieses Jahres in einem recht hohen Tempo fortsetzen. Im Monat Juli soll die Weltrohölnachfrage dann auf bis zu 98,2 Millionen Fass pro Tag klettern, was laut EIA jedoch noch immer rund vier Millionen Fass pro Tag unterhalb der in „gewöhnlichen Zeiten“ gemessenen Werte läge.

Blick Richtung OPEC(+)

Die Weltrohölnachfrage wird momentan vor allem durch die OPEC(+)-Staaten und Brasilien bedient. Auch wenn die derzeitige Intention der OPEC-Staaten, allen voran Saudi-Arabiens, nur schwer durchschaubar sind, so wird bei der EIA damit gerechnet, dass die OPEC-Länder ihre Produktion auf passive Weise erhöhen werden, um die Weltrohölnachfrage bedienen zu können.

In einem solchen Fall würden sich die Ölpreise auf den aktuellen Niveaus stabilisieren oder gar wieder moderat sinken. Doch warum sollten die OPEC-Staaten, welche den verbündeten Nationen Russland und Kasachstan im Rahmen der jüngsten OPEC-Sitzung leicht steigende Förderkapazitäten zugestanden haben, dies tun?

Würde die OPEC ihre aktuellen Produktionsniveaus beibehalten, würde der Rest der Welt bis zur Jahresmitte auf ein Angebotsdefizit an den Weltrohölmärkten in Höhe von mindestens 3,5 Millionen Fass pro Tag blicken. Diese Angebotslücke würde sich immerhin auf 3,6 Prozent in Relation zum globalen Verbrauch an den Weltrohölmärkten pro Tag belaufen.

Insbesondere Saudi-Arabien und die die VEA lechzen nach höheren Preisen

Über die letzten Monate und Jahre aufgebaute Überschussreserven würden auf diese Weise ganz schnell zur Neige gehen, womit es auf kurze Sicht also den Rohölpreisen allein obliegen würde, einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.

Anders ausgedrückt, würden die großen Konsumländer über die nächsten Wochen und Monate untereinander an den Weltrohölmärkten wetteifern, um sich die dort verfügbaren Vorräte zu sichern. Absehen ließe sich, dass die Rohölpreise im Falle eines solchen Szenarios von den aktuellen Preisniveaus nochmals einen markanten Auftrieb erfahren würden.

In den meisten Fällen müssen sich die Ölförderländer zu einem bestimmten Versorgungsgrad an den Weltrohölmärkten entschließen, bevor sich aus deren Perspektiven in etwa berechnen lässt, in welche Richtung sich die Weltrohölpreise bewegen werden.

Daraufhin können die OPEC-Staaten Preissteigerungen an den Weltrohölmärkten zuschauen, um in der Folge in eigenem Ermessen die eigene Produktion auszuweiten und die weltweite Versorgungslage auf diese Weise auf einem höheren Preisniveau zu stabilisieren.

Aus eben jenem Aspekt resultiert die Kontrollmacht des OPEC-Kartells über die weltweiten Ölmärkte, was noch deutlicher zutage tritt, wenn Länder wie Russland und Kasachstan dem Verbund der großen Ölförderstaaten lose angeschlossen sind – wie dies im Sinne von OPEC+ zurzeit der Fall ist.

Selbstverständlich lechzen Nationen wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate angesichts des letztjährigen Preiseinbruchs an den Weltrohölmärkten nach höheren Preisen.

OPEC kann Preisüberhitzung jederzeit entgegen wirken

Während beispielsweise Dubai Probleme durch das partielle Platzen seiner Baublase bereitet wird, ist das Haushaltsdefizit in Saudi-Arabien völlig aus dem Ruder gelaufen. Mittlerweile bedient sich das Königshaus einer Streichung von Subventionen und anderen Maßnahmen der Austerität, um die enorme Lücke im eigenen Regierungsbudget zu schließen.

Aus diesem Grund werden die Führungen dieser Länder weitere Preissteigerungen an den Weltrohölmärkten begrüßen, während es den OPEC-Staaten möglich sein wird, zusätzliches Ölangebot innerhalb kürzester Zeit an den Markt zu bringen, um einer Überhitzung entgegen zu wirken.

Geopolitik: Nach jüngsten Luftschlägen steht alleiniges Mandat des Präsidenten zur Diskussion

Ein weiterer Aspekt, der sich auf die Angebotslage an den Weltrohölmärkten auswirkt, ist die geopolitische Entwicklung in der Region des Mittleren Ostens. Die Biden-Administration scheint, wie ehedem in der Ära von Barack Obama, eine aktivere Rolle im Mittleren Osten spielen zu wollen als dies zuletzt unter der Ägide von Donald Trump der Fall gewesen ist.

Doch Vorsicht! Der jüngst durch das Weiße Haus angeordnete Luftschlag der Amerikaner in Syrien hat inzwischen dazu geführt, dass es im Washingtoner Kongress, man höre und staune, zu einer parteiübergreifenden Initiative unter Abgeordneten und Senatoren gekommen ist.

Danach intensivieren sich die Bestrebungen unter den Abgeordneten und Senatoren auf Capitol Hill mit dem Ziel, dem Präsidenten und dem Weißen Haus nach Jahren der Kritik das alleinige Mandat zur Anordnung und Durchführung von Militärschlägen – ohne vorherige Konsultation des Washingtoner Kongresses – in aller Welt zu entziehen.

Dieser Ermessensspielraum soll in der Zukunft wieder an die Mitglieder des Washingtoner Kongresses übertragen werden und in deren Aufgabengebiet fallen. Diese Entwicklungen lassen sich gewiss als positiv bezeichnen!

Spannungen im Mittleren Osten intensivieren sich

Nichtsdestotrotz wird sich die Intensivierung der aktuellen Spannungen im Mittleren auf die Entwicklung der Weltrohölpreise auswirken. Das immer undurchsichtigere Dickicht in Bezug auf die Lagesituation zwischen Saudi-Arabien, den VAE, Israel und den Vereinigten Staaten auf der einen Seite sowie dem Iran und dessen Stellvertretern im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen lassen grüßen.

Auch wenn sich die USA unter der neuen Biden-Administration jetzt vom Kriegsschauplatz im Jemen unter Berücksichtigung der bis dato zugunsten der Saudis geleisteten Unterstützung offiziell verabschieden und die schiitischen Huthis von der Terrorliste streichen, so wird sich zeigen müssen, wie lange diese Bestrebungen Bestand haben werden.

Erst am vergangenen Wochenende ist es wieder zu einem Beschuss einer amerikanischen Militärbasis im Irak gekommen, für den wie immer mit dem Iran verbündete Kataeb-Milizen verantwortlich gemacht wurden. Die Führung des Irans möchte hiervon nichts wissen, um alle Schuld an diesen Vorkommnissen von sich zu weisen.

Entzückt zeigten sich Händler an den Weltrohölmärkten zu Wochenbeginn auch keineswegs von den am vergangenen Wochenende erfolgten Beschuss von Ölspeichertanks des Konzerns Saudi Aramco an der Ostküste der arabischen Halbinsel. Laut offizieller Aussagen sollen die jemenitischen Huthis für diesen Drohnen- und Raketenangriff verantwortlich sein.

Revitalisierung des Nuklearabkommens brächte schlagartige Situationsänderung

Würde sich die iranische Führung verstärkt darauf konzentrieren, die neue Administration in Washington wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, um das einst im Rahmen der Sechser-Gruppe vereinbarte Nuklearabkommen (JCPOA) zu revitalisieren, würde sich die Lage an den Weltrohölmärkten im Fall eines Erfolgs voraussichtlich schlagartig ändern.

Ab diesem Zeitpunkt würden iranische Rohöllieferungen den Rest der Welt überschwemmen, was wohl zu einem deutlichen Sinken der Weltrohölpreise führen würde. Doch auch in Saudi-Arabien könnte sich die Sichtweise bald schon wieder ändern, um der neuen Washingtoner Administration einem Handschuh des Friedens zu winken.

Die aktuellen Entwicklungen auf der arabischen Halbinsel führen dem saudischen Königshaus vor Augen, auf die militärische Unterstützung und das Wohlwollen der Amerikaner vor der eigenen Haustür angewiesen zu sein.

Um den „Koloss auf tönernen Füßen“ zu besänftigen, könnten sich die Saudis demnächst – entgegen aller Erwartungen – zu einer Ausweitung der eigenen Rohölproduktion entschließen, was die Preise an den Weltrohölmärkten ebenfalls unter Abgabedruck bringen würde.

OPEC nutzt ihre Chance - Biden folgt Trump in der Außenpolitik

Wie dem auch sei, feststellen lässt sich, dass Saudi-Arabien und die OPEC-Staaten die aktuelle Gunst der Stunde zu nutzen wissen werden, um kurzfristig so viel Geld wie möglich an den globalen Rohölmärkten zu verdienen.

Die Führungen der OPEC-Staaten wären auch ausgesprochene Narren, wenn dies nicht so wäre, da die aktuelle Situation eine Chance dazu bietet, über die vergangenen Jahre erlittene Einnahmeausfälle und Verluste zumindest teilweise zu kompensieren.

Es wird den großen Ölförderstaaten also kaum etwas ausmachen, den Rest der Welt für den Moment bezahlen und tief in die Tasche greifen zu lassen. Als interessant erweist es sich aus meinem persönlichen Blickwinkel auch, dass die Biden-Administration – abgesehen von einer kleinen Anzahl an ideologischen Abweichungen – sich nahezu derselben Außenpolitik wie die Vorgängerregierung von Donald Trump zu bedienen scheint.

Ich hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass Joe Biden im Rahmen seiner Wahlkampagne, wenn man diese überhaupt als eine solche bezeichnen wollte, kaum welche oder überhaupt keine Ausblicke auf die außenpolitischen Ziele einer Biden-Administration geliefert hatte.

Kissinger mischt sich ein

Und nun betritt plötzlich der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger die Bühne, um die Biden-Administration zu einer Aufrechterhaltung und Weiterführung der „brillanten“ außenpolitischen Strategien der Trump-Administration im Mittleren Osten zu drängen.

Kissinger tätigte diese Aussage am 3. März im Rahmen einer Rede vor einer Zuhörerschaft der Richard Nixon Foundation. In seiner Rede widmete sich Kissinger den außenpolitischen Herausforderungen und der Lage um die National Sicherheit in der Heimat.

Kissinger verglich die diplomatischen Errungenschaften der Administration von Donald Trump in der Region des Nahen und Mittleren Ostens gar mit der durch Präsident Nixon herbeigeführten Westöffnung Chinas im Jahr 1972.

Kissinger rief Präsident Biden und das Weiße Haus explizit dazu auf, die harte Haltung der Trump-Administration gegenüber dem Iran in jedem Fall beizubehalten. Die sogenannten Abraham Accords, die durch die Trump-Administration erzielt wurden, bezeichnete Henry Kissinger als einen „Durchbruch“ in den arabisch-israelischen Beziehungen.

Aufgrund der atomaren Ambitionen des Irans sei es laut Kissinger eine große Errungenschaft der Trump-Administration, die sunnitisch geprägten Nationen im Nahen und Mittleren Osten nicht nur an einen Tisch zu bringen, sondern deren Führungen und Völker in einer Allianz zu vereinen.

Diese Allianz richte sich gegen die schiitisch geprägten Staaten in der Region, allen voran gegen den Iran, um den Druck auf die Teheraner Führung maximal zu verstärken. Ziel sei es, den Iran vom Bau einer eigenen Atombombe mit allen erdenklichen Mitteln abzubringen.

Was wäre, wen Teheran eine Atombombe zur Verfügung stünde?

Wundern braucht sich über diese Aussagen angesichts der Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten gewiss niemand. Würde der Iran sich irgendwann tatsächlich im Besitz einer eigenen Atombombe befinden, würde sich das geopolitische Schachbrett im Nahen und Mittleren Osten wahrscheinlich ganz schnell und nachhaltig ändern.

Israel befände sich ab diesem Zeitpunkt in einer permanenten und akuten Gefahr, atomar ausgelöscht zu werden, was noch lang nicht bedeutet, dass dem Iran keine eigenen Atom- und Nuklearwaffen zustehen würden.

Warum verfügen Amerikaner, Russen, Chinesen, Briten, Franzosen und wahrscheinlich auch die Israelis über Atomwaffen? Das Recht des einen ist auch das Recht des anderen. Alternativ ließe sich vorschlagen, dass alle Nationen, die über Nuklearwaffen verfügen, diese Waffen vernichten, womit allerdings wiederum auch die Gefahr eines großen Kriegsausbruchs in der Welt bedeutsam wachsen würde.

Atomwaffen erweisen sich nun einmal als eine Defensivwaffe, die Feindstaaten aufgrund von deren abschreckender und verheerender Wirkung vor militärischen Aggressionen abhält, obwohl sich diese Sichtweise zurzeit ebenfalls verändert, wenn man jenen in den Vereinigten Staaten zuletzt veröffentlichten Strategiepapieren Glauben schenken mag.

Great Game: Iran ist enorm wichtig für Russland und China

Es wird interessant sein zu beobachten, welche Rolle Russland und China in der weiteren Entwicklung dieses „Great Games“ im Nahen und Mittleren Osten in der Zukunft einnehmen werden.

Der Iran erweist sich aus Sicht der zukünftigen Inbetriebnahme der Neuen Seidenstraße nicht nur als einer der wichtigsten Landbausteine, sondern – neben Pakistan – auch als potenzielles Drehkreuz der mit diesen Infrastrukturentwicklungen in Verbindung stehenden Seehäfen und maritimen Routen.

De facto erweist sich die schiitische Führung des Irans als politischer und wirtschaftlicher Verbündeter der Russischen Föderation und der Volksrepublik China, der insbesondere für Peking eine tragende Rolle im Hinblick auf eine erfolgreiche Inbetriebnahme der Belt & Road Initiative einnimmt.

Auch wenn die Trump-Administration die sunnitisch geprägten Nationen an einen Tisch und zum Abschluss eines Ausgleichs bekommen hat, so muss dies noch lange nicht heißen, dass ein solches Konstrukt aus dem Rückspiegel der arabischen Geschichte heraus betrachtet auch Bestand haben und von durchschlagendem Erfolg geprägt sein muss.

Es erweckt vielmehr den Eindruck, als ob sich die religiös gespaltenen Muslim-Nationen im Nahen und Mittleren Osten mit ihren Bannern hinter jeweils zwei sich gegenüberstehenden Lagern versammeln.

Ob sich unsere Welt politisch und ideologisch betrachtet in eine multipolare Richtung oder doch eher in eine bipolare Richtung entwickeln wird, überlasse ich jedermann selbst für sich zu entscheiden und einzuschätzen.

Fragen über Fragen

Wird sich die Weltwirtschaft unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen einen Preis von 100 US-Dollar pro Fass Rohöl leisten können? Klettern die Rohölpreise in verstärktem Ausmaß, so lässt sich auch damit rechnen, dass sich diese Preissteigerungen auf eine Vielzahl von anderen Industriebranchen (Fahrzeugbau, Chemieindustrie, Agrarwirtschaft, etc.) negativ auswirken werden, die ihrerseits ihre Preise werden erhöhen müssen.

Auf welche Weise würde sich eine solche Situation mit der aktuell zu beobachtenden Einkommens- und Vermögensungleichheit in den westlichen Gesellschaften – und weiten Teilen des Rests der Welt –, die eine voranschreitende Finanzialisierung der Ökonomien mit sich gebracht hat, vertragen?

Wie lange sind die Menschen generell noch bereit dazu, die Macht- und Ränkespiele auf top-politischer Ebene zu ertragen, bevor durch breite Mehrheiten nachhaltige Änderungen und eine größere Verantwortlichkeit der politisch Handelnden in aller Welt eingefordert werden?

Heißt, wann rücken nicht nur Wirtschaften und Konzerne in einem „globalen Dorf“ immer enger zusammen, sondern wann wird dieses Zusammenrücken endlich auch unter den hiervon getragenen Menschen stattfinden?

„Was heißt das für mich konkret!?“

Es stellen sich aktuell eine ganze Menge Fragen, die unsere Zukunft beeinflussen werden. Unter anderem auch danach, ob Menschen und Bevölkerungen nicht wieder mehr in eine Art Eigenverantwortung gehen sollten, anstatt die politischen Geschäfte lediglich einer Clique von Berufspolitikern zu überlassen und die damit verbundenen Aufgaben – und Gestaltungsmöglichkeiten – an eine höhere Ebene zu delegieren.

Diese Fragen werden angesichts einer Spirale, die sich immer schneller zu drehen droht, auch immer drängender.

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