Unter chinesischer Mediation kam es vor gut einem halben Jahr zu einer unerwarteten Aussöhnung zwischen Riad und Teheran. Auch die offiziellen und diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wurden in diesem Zuge mittlerweile normalisiert.

In der Zwischenzeit ist auch Syrien durch die Arabische Liga rehabilitiert und wieder in den eigenen Kreis aufgenommen worden. Vor dem saudisch-iranischen Schulterschluss herrschten Stellvertreterkriege zwischen beiden Regimen vor, die sich insbesondere in Syrien und im Jemen austobten.

Ein Zwei-Fronten-Krieg ist bislang ausgeblieben

Der neue Nahostkrieg zwischen Israel und den Palästinensern hat die führende Rolle Teherans in der Region in den Fokus des öffentlichen Interesses wie auch der Neugier gerückt. Es ist die schiitische Landachse zwischen Afghanistan und dem levantinischen Mittelmeer, auf die der Iran als selbstbewusst auftretende Regionalmacht großen Einfluss ausübt.

Diesen Einfluss übt Teheran nicht nur auf andere Regierungen wie jene Syriens oder des Iraks, sondern auch auf jahrelang mit Waffen hoch gerüstete Milizen aus. Die größte und kampferprobteste dieser Milizen ist die Hisbollah im Süden des Libanons.

Auch wenn es zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah in den letzten Wochen immer wieder zu Scharmützeln samt eines gegenseitigen (Raketen)-Beschusses im israelisch-libanesischen Grenzbereich gekommen war, so lässt sich trotz allem noch immer von einer relativ kontrollierten Situation sprechen.

Bislang hat sich die Hisbollah in dem militärischen Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis im Gaza-Streifen trotz der scharfen Rhetorik ihres Chefs Scheich Hassan Nasrallah merklich zurückgehalten. Zum gefürchteten Ausbruch eines Zweifrontenkrieges ist es aus Sicht Tel Avivs bisher nicht gekommen.

Da die Waffenruhe zwischen der israelischen Regierung und der Organisation Hamas nach dem inzwischen erfolgten Geiselaustausch in den letzten Tagen heute Morgen ausgelaufen ist, dürften sich die Kampfhandlungen zwischen beiden Seiten recht zügig fortsetzen.

NYT: Israels Regierung war seit einem Jahr über möglichen Angriff im Bilde

Angemerkt sei, dass selbst die New York Times inzwischen darüber berichtet, dass die israelische Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu bereits seit gut einem Jahr über Angriffspläne der Hamas im Bilde gewesen sein soll – ohne sich auf ein solches Ereignis adäquat vorbereitet oder ein solches ernst genommen zu haben.

Dass angesichts dieser Enthüllungen immer mehr False-Flag-Spekulationen im Netz die Runde machen, ist nachvollziehbar. Zumal es Informationen zu geben scheint, dass sich ähnliche Dinge bald schon auch auf der Westbank abspielen könnten. 

Ohne hier weiter ins Detail gehen zu wollen, ist dieses Eingeständnis insofern bemerkenswert, da nach dem Ausbruch der Gewalt- und Kampfhandlungen zwischen beiden Seiten ein bereits im Oktober als authentisch bezeichneter Bericht der israelischen Regierung geleakt wurde.

In diesem Bericht, auf den unter anderem auch die Canadian Broadcasting Corporation (CBC) Bezug nahm, gingen Informationen hervor, laut denen Tel Aviv unter anderem auch Pläne zur Vertreibung der 2,3 Millionen Palästinenser des Gaza-Streifens auf die ägyptische Sinai-Halbinsel verfolgt.

Die israelische Regierung hat seit diesen Veröffentlichungen darauf verwiesen, dass ein solcher Plan, der durch die ägyptische Regierung rundheraus abgelehnt wurde, nur ein mögliches Szenario, welches zwar in Erwägung gezogen, allerdings nicht weiter verfolgt worden sein soll, gewesen sei.

Nichtsdestotrotz haben diese Dokumente Befürchtungen vor einer kompletten Vertreibung samt eines Genozids an den Palästinensern in der Region geweckt. 

Wie dem auch sei, in einer Bloomberg-Kolumne hieß es kürzlich wie folgt:  No, Palestinians can´t just leave Gaza. Wohin auch? Nachdem der Norden des Gaza-Streifens in Reaktion auf die Ereignisse am 7. Oktober in weiten Teilen durch Zahal zerstört worden ist, sind viele Palästinenser nach den offiziellen Fluchtaufrufen Israels in dessen Süden geflohen.

Nun, da sich die Kampfhandlungen fortsetzen, rücken auch das Zentrum und der Süden des Gaza-Streifens ins Visier von Zahal, so dass sich jedermann wird ausmalen können, zu welchen Opfern es unter der Zivilbevölkerung erst noch kommen wird, wenn erst einmal die gesamte Infra- und Baustruktur des Gaza-Streifens in Schutt und Asche liegen wird.

Schon zum aktuellen Zeitpunkt mangelt es vor Ort vielerorts an Elektrizität, Wasser, Lebensmitteln und einer funktionierenden Grundversorgung.

Ziele und Interessen: Erdöl, Gas und was sonst noch?

In diesem Zusammenhang sind selbstverständlich weitere Fragen nach möglicherweise bestehenden Interessen und Zielsetzungen aufgekommen, weil kein Krieg auf dieser Welt einfach so vom Himmel fällt. Unter anderem sei auf die nachfolgenden Berichte verwiesen, ohne selbst hierauf eingehen zu wollen:

n-tv.de:Israel will mit Palästinensern Gasfeld erschließen

haaretz.com: U.S.. to push Israel to allow Gaza offshore gas reserves to revitalize Palestinian economy      

middleeasteye.net:Israel-Palestine war: Israel wants to seize Gaza´s multibillion dollar gas field
 
Wenn Benjamin Netanjahu sich im „Kampf gegen die Amalekiter“ einer biblischen Endzeitrhetorik bedient (dieser Bericht ist lesenswert), um die „barbarischen und grausamen Tiere“ des Gaza-Streifens verbal und auch in Aktion zu enthumanisieren, so deutet dies auf nichts Gutes hin.

Es deutet zumindest darauf hin, dass viel auf dem Spiel zu stehen scheint. Neben den Öl- und Gasreserven der Palästinenser drängen in den letzten Wochen auch wieder Informationen zu dem seit 1960 geplanten Ben-Gurion-Kanal an die Oberfläche.

Diese Spekulationen stehen natürlich in einem direkten Zusammenhang mit den durch die US-Regierung am Rande des letzten G20-Gipfels verkündeten Plänen zur Errichtung des India-Middle East-Europe Economic Corridor (IMEC).

In die Vision von IMEC würde sich ein zukünftiger Bau des Ben-Gurion-Kanals zumindest einordnen lassen, um nach dem bevorstehenden Beitritt Ägyptens zum BRICS-Verbund nicht nur den Suez-Kanal ökonomisch herauszufordern, sondern auch die Belt & Road Initiative Chinas auf dem Eurasischen Kontinent zu kontern.

In Großbritannien scheint man von diesem Projekt derart begeistert zu sein, dass sich London noch vor einer Konkretisierung dieser Pläne verabschiedet und an diesem ins Spiel gebrachten Mega-Projekt momentanem Stand nicht teilnehmen wird. Das sagt zumindest Einiges.

Saudi-Arabien stellt dem Iran weitläufige Wirtschaftskooperation in Aussicht

Wie dem auch sei, so berichtete Bloomberg in der laufenden Woche, dass Saudi-Arabien an die Teheraner Regierung mit dem Vorschlag heran getreten sei, weitläufig in die mit US-Sanktionen belegte Wirtschaft des Irans investieren zu wollen.

Auch die allgemeine Wirtschaftszusammenarbeit zwischen beiden Nationen könnte gestärkt und zukünftig gefördert werden. Die Regierung in Riad und das saudische Königshaus stellen natürlich auch eine Bedingung, bevor es zu solchen Schritten kommen kann.

So wird Teheran nun offiziell darum ersucht, seine regionalen Stellvertreter in der Region zu stoppen und an der kurzen Leine zu halten, um den Konflikt zwischen Israel und der Hamas nicht in eine größere militärische Auseinandersetzung ausarten zu lassen, in die auch andere Länder der Region mit hineingezogen werden könnten.

Nachdem Saudi-Arabien und der Iran ihre diplomatischen Beziehungen normalisiert haben, war es in diesem Monat auch erstmals zu einem persönlichen Treffen zwischen dem saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman (MbS) und dem iranischen Staatspräsidenten Ebrahim Raisi in Riad gekommen.

So wird unter anderem davon ausgegangen, dass die Organisation Hamas weitläufig durch den Iran finanziert wird. Vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien habe die Hamas auch ein offizielles Büro in Damaskus unterhalten. Nach Kriegsausbruch sei die Hamas dann auf Seiten der Dschihadisten aktiv gewesen, die Staatspräsident al-Assad stürzen wollten.

Sonderbar mutet angesichts dieser Dinge an, dass es der Iran, und nicht Saudi-Arabien, ist, der den größten Einfluss auf die Organisation Hamas ausüben soll. Irgendwie scheinen die Dinge ein wenig auf dem Kopf zu stehen, doch wer will angesichts der Entwicklungen und mitunter auch schnell wechselnden Allianzen im Orient noch den Überblick über einzelne Fraktionen behalten?

Relativ ruhige Lage an der südlibanesischen Front – nicht so am Bab-el-Mandeb

Um auf die Hisbollah zurück zu kommen, so lässt sich nun schon seit Wochen beobachten, dass die schiitische Miliz trotz kleinerer Scharmützel mit Zahal im israelisch-libanesischen Grenzbereich die Disziplin wahrt.

Zumindest hat sich der Ausbruch eines regionalen Krieges, auch aufgrund der Zurückhaltung der Hisbollah, bislang vermeiden lassen. Auch die zwischen Zahal und Hamas vereinbarte Waffenruhe wurde gewahrt und eingehalten.  

Anders die Huthis im Jemen. Neben abgefangenen Raketen- und Drohnenangriffen ist in der Zwischenzeit die Warnung an Israel durch die Huthis ergangen, jedes israelische Schiff oder jedes in Verbindung mit Israel stehende Schiff rund um das strategisch wichtige Nadelöhr des Bab-el-Mandeb zu kidnappen oder auf den Grund zu schicken.

Die amerikanische Marine wird nach den jüngsten Vorfällen in der Region wahrscheinlich mehr eigene Schiffe ins Rote Meer und den Indischen Ozean entsenden müssen, um die internationalen Schifffahrtsrouten angesichts dieser Bedrohung zu sichern. Genau dies könnte auch eines der Ziele dieser Angriffe der Huthis sein.

Andererseits erfolgte die Nachricht über das saudische Angebot über eine potenzielle Ausweitung der wirtschaftlichen Kooperation mit dem Iran überraschend. Denn auf diese Weise könnten sich wiederum die politischen Spannungen zwischen Riad und Washington vergrößern.

Schließlich hatte Präsident Donald Trump nicht nur das Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) in seiner Amtszeit einseitig für beendet erklärt, sondern auch wieder Sanktionen gegen den Iran revitalisiert.

Zieht Washington im Hintergrund vielleicht einige Fäden?

Hieran hat sich in der Amtszeit von Joe Biden nichts geändert, obwohl einige Dinge darauf hinweisen, dass die diplomatischen Kanäle zwischen den Regierungen in Washington und in Teheran zum gegenseitigen Austausch offen stehen.

Es ändert nichts daran, dass die gegen den Iran verhängten US-Sanktionen auch eine Bestrafung von beziehungsweise einer Verhängung von möglichen Zweitsanktionen gegenüber Drittländern vorsehen, die mit dem Iran Geschäfte tätigen.  

Andernfalls könnte sich aus Sicht Washingtons unter Berücksichtigung des anhaltenden Krieges zwischen Israel und der Hamas auch ein Türchen der Möglichkeiten öffnen, um mit der iranischen Führung zu einer Vereinbarung zu gelangen.

Saudi-Arabien könnte also auch durch Washington darum ersucht worden sein, mit dem Iran über den Ausblick einer wirtschaftlichen Kooperation zu sprechen, um die eigenen Sanktionen – solange Donald Trump im nächsten Jahr nicht wieder an die politische Macht gelangen sollte – gegenüber dem Iran sukzessive abzubauen.

Gegenleistung wäre, die schiitischen Stellvertreter Teherans an der kurzen Leine zu halten, um den Gaza-Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Wie zuvor schon einmal ausgeführt, drohen die Palästinenser im globalen Mächteringen aufgerieben und durch die islamische Umma höheren Zielen geopfert zu werden. Für was genau, wird sich letztendlich irgendwann zeigen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite bloomberg.com.


Die heutigen Ausführungen bleiben unkommentiert. Allen Lesern sei ein erholsames Wochenende gewünscht!

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