Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1741 (07:18 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1733 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 111.18. In der Folge notiert EUR-JPY bei 130.55. EUR-CHF oszilliert bei 1.1656.
Was sich in Westminster abspielt, erinnert an klassische Tragödien:
Nach dem Treffen auf dem Landsitz Chequers unweit Londons fällt die britische Regierung auseinander. Nach dem Hardliner Davies hat auch Außenminister Johnson die Regierungsbank verlassen. Jeremy Hunt wird Johnson als Außenminister ersetzen.
Diese Entwicklung war im Hinblick auf den Schwenk Mays zu einem etwas weicheren Ansatz des Brexit auch nicht anders zu erwarten, da die Fronten innerhalb der konservativen Fraktion der britischen Regierung verhärtet waren. Diese Verhärtungen haben es verhindert, dass es in den zurückliegenden Monaten zu Ziel führenden Gesprächen mit der EU kam.
Es stellt sich die Frage, ob die aktuelle UK-Regierung wieder Stabilität gewinnen kann? Dafür müsste sie Erfolge der neuen Strategie Mays zügig vorweisen können. Wie wahrscheinlich ist das?
Die Neuausrichtung in der EU-Politik seitens des UK liefert keine Kongruenz mit der Position der EU. May bezeichnete das EU-Angebot als nicht akzeptabel. Damit ist klar, dass das Konfliktpotential trotz des Schwenks hoch bleibt.
Fakt ist, dass May eine Sonderbehandlung fordert. Sie ist nicht bereit, einen regelbasierten Brexit zu akzeptieren. Nach laufenden Sonderbehandlungen seit 1984 insistiert London auch beim Exit auf einen Deal zu Lasten des Rests der EU.
Das kann für die EU nicht konsensfähig sein. Es würde die Eskapade Londons förmlich belohnen und damit Anreize setzen, dass auch andere Länder der EU dieses selbstbezogene britische Verhalten imitierten.
May setzt weiter auf das mit roten Linien, obwohl diese Taktik bisher versagte. Wo ist denn die Lernkurve aus dem falschen Taktieren? Das "Spiel" ist seitens May sportlich, denn das Chaos herrscht in London, nicht in Brüssel!
Zu den Fakten:
May: Die Übergangsperiode würde nicht verlängert.
Unsere Einlassung: May versucht Brüssel unter zeitlichen Druck zu setzen. Das wird nicht funktionieren. London und das UK bezahlen maßgeblich die Rechnung des Brexit - viel Spaß!
May: Ein 2. Referendumwerde nicht stattfinden.
Unsere Einlassung: Hier haben wir zwei rote Linien. Eine Linie wird gegenüber der eigenen Bevölkerung gezogen. Der eigenen Bevölkerung verweigert man eine Neuausrichtung, nachdem die Brexitfraktion seinerzeit mit falschen Versprechungen und billigen Narrativen Propaganda betrieb und die Bevölkerung faktisch narrte. Die prekären wirtschaftlichen und strukturellen Folgen eines Brexit, die sich jetzt abzeichnen und für das Treffen in Chequers verantwortlich zeichnen, sind am Ende von der Bevölkerung zu bezahlen.
Es liegt an London, nicht an Brüssel, der Weisheit eine Chance zu geben. Gegenüber der EU dient dieses Manöver dazu, die Determiniertheit Londons deutlich zumachen, um Verhandlungsmasse zu organisieren.
May warnte die EU, dass es im Zweifelsfall zu keinem Brexit-Deal kommen würde.
Unsere Einlassung: Dann wird Kontinentaleuropa weniger in das UK exportieren, aber der Transfer von Produktionsstätten nach Kontinentaleuropa würde das mehr als ausgleichen. Das kann die EU gut vertragen, kann es auch das UK?
Man werde im UK die Vorbereitungen auf einen Brexit ohne Einigung intensivieren.
Unsere Einlassung: das wird man wohl müssen vor dem Hintergrund der Staatsverschuldung und der absehbaren Kosten des Brexit. Wo sind die Spielräume? "Food for throught!"
Fazit zum Chaos, aber mehr noch zur Tragödie des UK:
Die EU ist gut beraten, das Thema des regelbasierten Brexit weiter zu verfolgen. Das Verhalten Londons mit roten Linien und Warnungen an die EU verdeutlicht einmal mehr, dass das UK wohl nie wirklich politisch in der EU verankert war (menschlich sehr wohl, es schmerzt einen anglophilen Hamburger/Bremer!). Naivität und Wunschdenken sind seitens der politischen Klasse Kontinentaleuropas unangebracht.
Wir freuen uns sehr, dass sich Deutschland und die EU verstärkt mit China auseinandersetzen. Das ist bezüglich des Megaprojekts "One Belt - One Road" mehr als überfällig. Es ist auch zwingend hinsichtlich der aktuellen US-Positionierung. China und Deutschland planen, die wirtschaftlichen Beziehungen zu intensivieren. Auch vor dem Hintergrund der US-Anfechtungen hätten sich Art und Qualität der Zusammenarbeit positiv verändert.
Aus der Eurozone erreichte uns gestern die Veröffentlichung des Sentix-Index per Juli. Der Index legte unerwartet von zuvor 9,3 auf 12,1 Punkte zu. Die Prognose war bei 8,2 Zählern angesiedelt.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert, sofern das Unterstützungsniveau bei 1.1490 - 1.1520 nicht unterschritten wird.
Viel Erfolg!
Kommentare
Abtretende Minister werden hier als Hardliner bezeichnet.
Ist dann May ein Softliner? Und was ist z.B. Merkel? Vielleicht die alternativloseste und extremistischste Hardlinerin?
"Fakt ist, dass May eine Sonderbehandlung fordert. Sie ist nicht bereit, einen regelbasierten Brexit zu akzeptieren. Nach laufenden Sonderbehandlungen seit 1984 insistiert London auch beim Exit auf einen Deal zu Lasten des Rests der EU. "
Nun ja, die EU ist ein Verein. Und wer initiierte den Verein?
Haben die Leute hinter zwei Konstrukten nicht das Recht das Verhältnis zwischen den beiden unkompliziert zu regeln?
Wir sehen einfach ein Theater welches dann in paar Jahrzehnten als profane Erklärung in den Geschichtsbüchern für das abermalige Abkapseln von Kontinentaleuropa dient.
Die Entscheidung dazu wurde auf anderer Ebene und vor langer Zeit schon gefällt.
"Der eigenen Bevölkerung verweigert man eine Neuausrichtung"
Entschuldigung aber da musste ich laut lachen! Als ob die Bevölkerung - übrigens Subject to her Majesty - im Königreich jemals etwas zu sagen hatte.
Was ist denn das für eine flache Aussage ? Die undemokratische Bürokratiekrake EU ist die Mutter des Brexit, dazu kam 2015 noch Merkels Bevölkerungsaustausch, wohl schon vergessen ???
Aber klar doch, wir stimmen so lange ab bis das Ergebnis stimmig ist Herr Hellmeyer.
ich denke diese Artikelreihe richtet sich eher an neue Leser auf Cashkurs.
Sie vertreten die Mainstream Meinung und mischen etwas Finanznews dazu.
Die benutzte Terminologie wie "regelbasiert", für seine Unabhängigkeit einstehen = Eskapade, "rote Linien" etc. zeigt die Sprache der alten Weltordnung.
Diese vertritt (indirekt und wohl unbewusst) wohl der Autor.
Lustigerweise wird (unbeabsichtigt?) auf eine Sui generis hingedeutet:
"London und das UK bezahlen maßgeblich die Rechnung des Brexit"
Dabei eine Quizfrage an Herrn Hellmeyer und die Leser: war die City of London jemals Teil der EU?
Die Leser können sich durchaus mal mit Temple Bar, B.A.R., Inner Temple, Middle Temple, den Drachen am Stadteingang, Gog und Magog befassen.
Der Standort der British East India Company war selbstverständlich auch in der City. Nun ist Lloyds dort.
Auch interessant und relativ neu in London: the London Mastaba!:
https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/art/features/christo-art-sculpture-serpentine-600-tons-painted-barrels-hyde-park-a8406736.html
66 Fuss Hoch, ca. 600 Tonnen schwer und eine Anlehnung an die vor rund 6000 Jahre (so sagt man) aufgetauchten Mastabas aus Mesopotamien (kommen die Baal-Tempel nicht auch aus dieser Region..)
zu sehen bis 23. September, haha ein weiterer Insider!
Und so wenige verstehen es...
Ich habe schon länger das Gefühl, dass bei den Kommentatoren nur Artikel ankommen, die eine Verschwörung herbeireden, und einem schwarz weiss denken folgen. Alles was nicht nach Verschwörung klingt ist „Mainstream“ und wird abgelehnt. Ich bin beruflich international tätig und höre von meinen britischen Kollegen grosse Sorgen. Die grösste ist die absolute Unsicherheit was kommen wird. Egal wie meinen sie, man könnte sich dann darauf einstellen, wenn man nur wüsste wie die neuen Spielregeln sein werden. Unsichetrheit ist für die wirtschaftliche Entwicklung der grösste Bremsklotz. Diese Situation haben die britischen „Hardliner“ bewirkt und nicht die EU. Es sind nicht nur die grossen Firmen, die ankündigen die Insel zu verlassen, auch kleine Agenturen mit gerade mal ein Dutzend Leuten sind dabei Filialen auf dem Kontinent zu eröffnen. Ja Brüssel ist bürokratisch ja auch ich habe mich über so manche Dinge aus Brüssel geärgert, aber wer glaubt wir könnten in einer Welt zwischen China, Russland, den USA und Indien alleine national agieren der täuscht sich. Mir kommt es bildlich so vor: Wir sitzen in Europa auf einem Schiff und ärgern uns über die Zimmernachbarn und den Kapitän und die Führungsetage, aber ist es eine Lösung wenn wir den Kahn in Brand setzen oder absaufen lassen?
Wunderbar, dass sich jemand aus dem Zielpublikum von Herrn Hellmeyer meldet.
Welche Verschwörung meinen Sie denn konkret?
Klar machen sich viele Briten Sorgen. Sie durchlaufen eine Zeit des Umbruches welcher sich aus unserer Sicht unnötig lange hinzieht. Dazu ist die Hirnwäsche ja auch in England existent. Trotzdem bin ich bei weitem nicht der einzige welcher für UK durchaus mehr positive Seiten eines Brexits sieht. Zumal man doch mal genau hinschauen und sich fragen sollte wie stark denn Großbritannien den wirklich in der EU war (nicht nur politisch wie von Herr Hellmeyer erwähnt sondern viel wichtiger aus praktischer Sicht)...
Danke für Ihre Einschätzung
@Konfliktspitzen
Danke für die Stimme der Vernunft