Es ist ein Szenario wie bei einer Reality Show. Seit Dienstagmorgen, 6 Uhr, sind die Vertreter von acht Bietern auf die griechischen landesweiten Fernsehlizenzen in den Räumen des Generalsekretariats für Information – wie das Presseministerium in Griechenland heißt – eingeschlossen. Sie befinden sich in ausgelosten, verschlossenen Räumen mit einem Feldbett und einer chemischen Toilette.

Weiterhin verfügen sie über ein nur intern mit einem Zentralcomputer vernetztes Terminal. Mobiltelefone und sonstige Kommunikationsmittel wurden den Bietern abgenommen. In den Räumen befinden sich Feldbetten, wie sie beim Militär üblich sind. Dazu kommen einige Speisen, sowie Kaffee.

Die Räume dürfen nicht verlassen werden, nicht einmal zur Körperhygiene. Daher wurden die chemischen Toiletten installiert. Sie sind mit zahlreichen Kameras zur kompletten Überwachung ausgestattet.

Das Pokerspiel um die Lizenzen kann bis Donnerstag andauern. Erst nach Mitternacht in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde bekannt, dass die erste Lizenz vergeben ist. Wer der Gewinner ist, wird erst bekannt gegeben, wenn alle Lizenzen vergeben wurden. Mit all diesen Maßnahmen soll die Transparenz des gesamten Verfahrens garantiert werden.

Die Gebote beginnen bei drei Millionen Euro. In Schritten von 500.000 Euro werden die Gebote erhöht, bis am Ende der jeweiligen Bieterrunde nur zwei Bieter übrig sind. Diese müssen dann in einem verschlossenen Umschlag ein weiteres Gebot abgeben. Der Gewinner hat dann die Lizenz und der Verlierer kann bei der nächsten Bieterrunde erst ab dem schriftlich gegebenen Maximalgebot wieder in die Auktion für die nächste Lizenz einsteigen. Die für zehn Jahre gültigen Lizenzen sollen den in Griechenland seit 1989 bestehenden Schwebezustand beenden.

Seit 27 Jahren vorläufige Lizenzen

Im Sommer 1989 hatte der damalige Premierminister Tzannis Tzanetakis dem Privatsender Mega TV die erste, vorläufige Sendeerlaubnis für einen Privatsender erteilt. Später kamen weitere derartige Lizenzen hinzu. Es gab nie eine endgültige Lizenzierung, so dass alle Sender faktisch nur mit immer wieder verlängerten vorläufigen Lizenzen in Betrieb waren, beziehungsweise sind. Die Umstellung vom analogen auf den digitalen Sendebetrieb erfolgte mit einer Ausschreibung für eine Sendeplattform, bei der es nur einen Bieter, die DIGEA gab. Das griechische Privatfernsehen befindet sich in fester Hand von Bauunternehmern und sonstigen Lieferanten des Staats, die ihre Medienmacht für die Erlangung und Erhaltung der öffentlichen Aufträge einzusetzen wussten.

Die Sender schreiben tief rote Zahlen, Sie schulden alle zusammen zwischen 1,2 und 2 Milliarden Euro an die griechischen Banken. Mega TV, der erste Privatsender, ist beim aktuellen Bieterverfahren wegen wirtschaftlicher Probleme bereits ausgeschlossen worden. Knapp 600 Millionen Euro belasten den einst größten griechischen Privatsender. Die Regierung von Alexis Tsipras gibt vor, mit der Verquickung von Privatunternehmern, Medien und Staat – kurz Diaploki genannt – aufräumen zu wollen. Bei momentan sendenden acht landesweiten Privatfernsehsendern ist klar, dass mindestens vier der bestehenden keine Lizenz erhalten werden.

Pikantes Detail ist, dass der verstorbene Tzannetakis von der Nea Dimokratia seine kurzlebige Koalitionsregierung nur in Koalition mit dem Synaspismos tis Aristeras kai tis Proodou, der Vorläuferpartei von Tsipras SYRIZA halten konnte. Somit begann der nun zu korrigierende Zustand mit direkter Beteiligung der damaligen Linkspartei Griechenlands.

Die Bieter – ein Austausch der Oligarchen?

Ein weiterer nicht so geringer Faktor ist, dass die zugelassenen acht Bieter allesamt auf die eine oder andere Weise wieder Oligarchen sind. Die Familie Vardinogiannis ist gar mit zwei Bietern in der Runde vertreten. Neben dem bestehenden Sender Star TV bietet eine weitere, zu Vardinogiannis Firmengeflecht gehörende Firma mit Sitz auf Zypern mit. Die Fußballpräsidenten von Olympiakos Piräus und PAOK FC, Evangelos Marinakis und Ivan Savvidis sind Newcomer im Bieterwettstreit. Marinakis hat derzeit noch juristische Probleme mit einem Wettskandal um geschobene Fußballspiele. Eine Verwicklung in Griechenlands größten Drogenfall konnte ihm trotz zahlreicher Gerüchte nicht nachgewiesen werden. Savvidis spricht kein Wort Griechisch. Der Putin-Vertraute und ehemalige Duma-Abgeordnete ist sowohl russischer als auch griechischer Staatsbürger.

Yannis Alafouzos, der über seinen bestehenden Sender Skai TV täglich den Bieterwettstreit wahlweise als faschistoiden oder stalinistischen Versuch der Medienkontrolle anprangert, steckt in Schwierigkeiten mit der Steuerfahndung. Seine Konten und sein gesamtes Kapital wurden gepfändet, weil der Reeder und Medienmogul mit seinen Steuererklärungen die Herkunft von knapp 60 Millionen Euro nicht nachweisen kann. Ebenfalls mit in der Partie ist die Unternehmerfamilie Kontominas, die ihren Sender Alpha TV zwischenzeitlich an RTL verkauft hatte, später jedoch mit einem Gewinn von knapp 55 Millionen Euro zurückgekauft hat. Gegen Kontominas laufen ebenfalls Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Schließlich gibt es – pikanterweise ausgerechnet von Alafouzos – erhobene Vorwürfe der Steuerhinterziehung und des Betrugs gegen einen weiteren Newcomer, Christos Kalogritsas. Der Bauunternehmer hatte in den Achtzigern und Neunzigern bereits in der Medienwelt mitgemischt. Sein Wirken hatte den damaligen Synaspismos tis Aristeras kai tis Proodou ideologisch den Weg bereitet. Er ist sowohl mit dem Verteidigungsminister Panos Kammenos als auch mit dem Infrastrukturminister Christos Spirtzis über die in Griechenland hoch geschätzte Wahlverwandtschaft der Koubaria (Taufpaten und Trauzeugen) verbunden. Ausgerechtet Kammenos, der Vorsitzende der Unabhängigen Griechen, wirft Kalogritsas Geldwäsche vor.

So sorgte es für einen kleinen Skandal, als Kalogritsas Einlage von drei Millionen Euro am Montag erst um 15:40 h im Presseministerium einging. Eigentlich hätte die Annahme bereits ab Punkt 15 Uhr, dem Dienstschluss des Amts verweigert werden müssen. Der dafür zuständige Beamte wurde jedoch auf ministerielles Geheiß zu Überstunden bis 19 Uhr verdonnert.

Ein weiterer bestehender Sender, Epsilon TV, hatte weniger Glück. Hier erfolgte der Ausschluss vom Bieterverfahren am Montag, weil die drei Millionen Euro Einlage von einer Bank aus Hong-Kong nicht wie vorgeschrieben für ein Jahr, sondern nur für einen Monat garantiert wurde.

Keine erkennbare Kontinuität des Staates

„Zwischen dem Betrieb eines Fernsehkanals und dem Erhalt der Arbeitsplätze steht einzig und allein das Portmonee der Besitzer“, sagte Staatsminister Nikos Pappas im Parlament in entwaffnender Offenheit. Die gesamte Bieteraktion soll dem Staat vor allem Einnahmen bescheren. Damit dies auch ganz sicher erfolgt, werden die Gewinner der Aktion ihre zehnjährige Lizenz erst nach zwanzig Tagen erhalten. Bis dahin müssen sowohl die erste Rate der Auktionssumme bezahlt, als auch die lückenlose Herkunft des Kapitals nachgewiesen sein.

Was danach geschehen wird, könnte das gesamte Bieterverfahren für die Gewinner ad absurdum führen. Denn zusätzlich zu den landesweiten Lizenzen für Vollprogramme möchte Pappas auch landesweite Lizenzen für Spartenkanäle vergeben. Wie viele das sein werden und wann diese Lizenzen vergeben werden ist noch unbekannt. Warum es nur vier Vollprogramme geben soll, kann Pappas jedoch bereits jetzt erklären. Das läge daran, dass der gesamte Werbeetat von knapp 200 Millionen Euro nur vier Sendern eine tragfähige Existenzgrundlage bieten würde.

Dagegen haben sieben der anfangs 11 Bewerber bereits Klagen beim höchsten zuständigen Gericht, dem Staatsrat, eingereicht. Ihr Versuch, das Bieterverfahren mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen, scheiterte jedoch.

Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis verweist auf dieses laufende Verfahren und verspricht, dass er bei seiner Amtsübernahme die nun zu vergebenden vier Lizenzen respektieren würde, selbst wenn der Staatsrat das gesamte Verfahren für illegal erklärt. Mitsotakis, dessen Partei erfolgreich die Berufung neuer Mitglieder für den faktisch nicht mehr bestehenden Rundfunkrat blockierte, prangert zudem an, dass Pappas sich per Parlamentsbeschluss die Befugnisse des Rundfunkrats übertragen ließ. Er, Mitsotakis, werde nach gewonnener Wahl den Rundfunkrat wiederherstellen und dann weitere Lizenzen an jeden Interessenten vergeben, lautet das Wahlversprechen. Dass er mit dieser Aussage gleichzeitig das Bieterverfahren als auch – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – die Grundsatzentscheidung des Staatsrats missachtet, stört Mitsotakis kaum. Solche Aktionen sind in der griechischen Politik gang und gäbe. Nicht zuletzt haben sie dazu geführt, dass die Medienwelt des Landes ihren derzeitigen „ewig vorläufigen“ Zustand erhielt.

Aufgrund der tief sozial einschneidenden Sparmaßnahmen, die Tsipras wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf Druck der Kreditgebertroika durchsetzen muss, gilt momentan als sicher, dass Mitsotakis der nächste Premierminister wird.

Hinsichtlich des gesamten Verfahrens ist der gefühlte Tenor unter den Bürgern im Land so, dass „die Regierung das Richtige angehen will, aber die falschen Mittel einsetzt“.

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