Was für ein Jammer, wenn man dieser Tage den Blick auf die politische Bühne Europas wagt. Die drei Staatsoberhäupter der größten Staaten unseres Kontinents - Macron, May und Merkel – wirken getrieben, agieren hektisch und wanken ziellos umher wie angeschossene Cowboys in einem Italo-Western kurz vor dem Zusammenbruch.

EIG - Europa in Gefahr

Es kommt einfach zu viel zusammen: Zunächst Trumps unberechenbare Außenpolitik und die von ihm betriebene Zerstörung der Welt des Westens in ihrer ursprünglichen Form. Dann der Brexit, der sich zu einem Fiasko für alle Beteiligten entwickelt - mit unabsehbaren Folgen. Die einst vordergründig von den USA im Rahmen der NATO betriebene Konfrontation mit Russland um die Ukraine, die sich inzwischen verselbstständig hat, der Flächenbrand im Nahen Osten und Nordafrika - ein direktes Ergebnis des „Kriegs gegen den Terror“ - flankiert von einer Globalisierung des Terrors und unendlichen Flüchtlingsströmen, der Niedergang der politischen Klasse, die fatale Auszehrung des politischen Personals, die wachsende Wut der Wähler, die Revolte an den Wahlurnen - auch getrieben von der virtuellen Revolution, als deren Folge die Demokratie zu einer reinen Kulisse verkommen könnte.

Ja, Europa steht ziemlich wehrlos da, ja ziemlich erbärmlich - ohne Perspektive und Strategie. Die entstandenen politischen Alternativen, bei aller Unterschiedlichkeit dieser Milieus in Europa, sind selten Alternativen, schon gar keine zukunftsweisenden, sondern bieten einen nostalgischen Aufguss der „goldenen“ Vergangenheiten - flankiert von der Instrumentalisierung kleinbürgerlicher Ressentiments.

Das alles hervorgerufen durch eine Politik, die der Wirtschaft den Vorrang gab, angeblich zum Wohle aller. Der Markt wird es schon richten, verkündeten die ignoranten Wirtschaftsgurus und Analysten, die den Casino- oder Turbo-Kapitalismus priesen und sich dabei zu einer größeren Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat entwickelten, als die üblichen Extremismus–Verdächtigen.

Merkel: Das Ende einer viel zu langen Ära

In Deutschland wurde durch die Machtübergabe an der CDU-Spitze von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer eine Ära zu Grabe getragen, nämlich die Merkel-Ära. Die angeblich mächtigste Frau der Welt - so wurde sie noch vor nicht allzu langer Zeit von amerikanischen Medien gelobhudelt - erfuhr in den letzten Jahren einen Ansehens- und Machtverlust, der auch nicht mit der Stabübergabe an ihre Vertraute AKK wiederhergestellt werden kann.

Dieser Niedergang basiert natürlich einerseits auf der viel zu langen Amtszeit Merkels - sowohl als Kanzlerin, wie auch als Parteivorsitzende - andererseits aber vor allem auf schicksalhaften weltpolitischen Veränderungen, von denen die Kanzlerin ebenso überrascht wurde wie andere Akteure, welchen sie jedoch nicht gewachsen war - und die ihre außenpolitische Agenda in Trümmer legte.

Allzu willfährig folgte sie den Vorgaben aus Washington, um dann zu erleben, dass man in den USA in erster Linie an sich selbst denkt - und die EU jetzt in Konfrontation zu Russland steht, nicht selten zum Nachteil der eigenen Wirtschaft, ohne von dem Bündnis mit den USA profitieren zu können.

Mrs. Planlos und der vermeintliche Sonnenkönig stehen auch nicht besser da

In London macht die britische Premierministerin May ihrem Spitznamen als Mrs. Planlos alle Ehre. Ihr Vorgehen dieser Tage demonstriert nicht nur die ganze Ohnmacht der Premierministerin, die eine Minderheitsregierung führt. Auch ihre Plan- und Hilflosigkeit im Brexit-Prozess wird dadurch entlarvt.

Nun scheint es sich zu rächen, dass May in der Vergangenheit nicht anecken wollte und so die Illusionen der Brexit-Hardliner nährte.

In Paris hingegen tritt ein angeschlagener Präsident Macron vor die Kameras, der sich vor Kurzem noch wie eine Wiedergeburt des Sonnenkönigs Ludwig XIV. aufführte - frei nach dem Motto „L´État, c´est moi“/Der Staat bin ich - und jetzt kleinlaut im Fernsehen verkündet, dass sein Vorhaben, Frankreich wie ein multinationales Unternehmen zu führen, gescheitert ist.

Ein verschwommener Traum des „Alten Europa“

Dabei hatte sich doch vor zehn Jahren eindrucksvoll erwiesen, wie handlungsfähig der solide Kern der EU agieren kann, als an der Wall Street die Banken zusammenkrachten und die Immobilienblase und deren faule Kredite platzten. Damals kam es – zumindest kurzfristig - zu einer heilsamen Neuausrichtung der bisherigen Wirtschaftskriterien.

Rückblickend kann man nur darüber staunen, mit welchem Tempo damals die Erlasse zur Kontrolle der Finanzströme durch die Parlamente gepeitscht wurden. Selbst in Großbritannien setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Politik Vorrang vor der Ökonomie einzuräumen ist.

Angesichts des damaligen Versagens der US-Wirtschaftsmodelle fand das „Alte Europa“ zu einem gewissen Selbstbewusstsein zurück, welches leider nicht von langer Dauer war.

„Will sich der europäische Erdteil in diesem neuen Konzert der Mächte behaupten, so muss die Lösung der europäischen Identitätskrise zur zentralen Aufgabe unserer nahen Zukunft werden.“ schreibt der Althistoriker und Belgier David Engels in seinem höchst lesenswerten Buch “Auf dem Weg ins Imperium“.

In diesem Werk vergleicht Engels den Zustand der EU mit dem Niedergang der römischen Republik und erkennt historische Parallelen.

Sollte sich diese Krise nicht lösen lassen, so Engels, verwandelt sich Europa in eine Art Freilichtmuseum seiner eigenen Vergangenheit - finanziert von chinesischen und japanischen Touristen…

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