Es gab Zeiten, da waren die Zustimmungsquoten für Europa nirgendwo höher als in Italien. Heute dagegen sind die Italiener mehrheitlich große Europa-Kritiker. Zugegebenermaßen hat Europa viele Fehler gemacht. Langatmige Entscheidungsprozesse mit Kompromisseinigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner haben oft genug nur die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursache der Probleme.
Unabhängig davon ist Italien jedoch der größte Profiteur Europas: Die einst bei der Euro-Einführung vereinbarten schmerzhaften Stabilitätskriterien haben nur noch Museumscharakter: Cremiges italienisches Stracciatella statt hartes deutsches Schwarzbrot!
„Die Hand, die gibt, ist die erste, die gebissen wird“
Immerhin, die italienischen Schockwellen für die europäischen Finanzmärkte werden nicht annähernd an die Niveaus von 2011 oder 2018 heranreichen. Damals setzten italienische Rechtspopulisten Brüssel die Pistole auf die Brust: Entweder ihr kommt uns gewaltig entgegen oder wir gehen gewaltig von der Euro-Fahne. Heute dagegen ist man schlauer. Die neue römische Regierung weiß ähnlich wie Marine Le Pen in Frankreich die Leistungen der Euro-Mitgliedschaft mit ihrer finanz- und geldpolitischen Vollkaskoversicherung zu schätzen.
Und die Gegenleistung? Gegenüber den Nehmer- fallen Italiens Geberqualitäten dramatisch ab. Das rechtspopulistische Trio Infernale aus der designierten Ministerpräsidentin Meloni, dem Polit-Raufbold Salvini und dem wiederbelebten Strahlemann Berlusconi hat durchaus Sympathie für den russischen Staatspräsidenten. So kann der an der Wand stehende Putin doch noch einmal Morgenluft wittern und hoffen, dass sich die europäischen Gesellschaften in einem hoffentlich kalten Winter bei hohen Energiepreisen erheben.
Doch statt die umfangreiche europäische Solidarität zu nutzen, um den italienischen Vorgarten vom Unkraut der krankhaften Verschuldung und maroden öffentlichen Verwaltung sowie Schwarzgeldwirtschaft zu befreien, wird die Malattia italiana, die italienische Krankheit, vermutlich noch schlimmer.
Das neue italienische „Dream Team“ wird der Bevölkerung keine nennenswerten Reformen zumuten. Heute schon an morgen - an die nächste Wahl - denken. Lieber wird man weiter die Schuldigen für die italienische Krise nicht bei sich selbst, sondern bei Europa suchen. Vor allem Deutschland eignet sich als Sündenbock bestens. Dabei haben wir immer wieder das Portemonnaie aufgemacht und den willfährigen Schuldenbürgen gespielt.
Brüssels antiautoritäre Erziehung oder wenn aus der europäischen Stabilitäts- die romanische Schuldenunion wird
Leider, um des lieben Europa-Friedens willen und um bloß keine italienische Schuldenkrise zu riskieren, die schließlich weit in die gesamte EU streut, lässt Brüssel immer wieder „alternativlos“ Gnade vor Recht ergehen. Brüssels Nachgiebigkeit gegenüber einer italienischen Innovations-, Wettbewerbs- und Reformunwilligkeit macht selbst Gummimatten in Turnhallen Konkurrenz.
Da Sanktionen nie durchgezogen werden, lassen sie Italien kalt wie eine Hundeschnauze. Grundsätzlich werden (Stabilitäts-)Regeln geschliffen, wenn es dem Zusammenhalt von EU und Eurozone dient. Europäische Politik ist zur Kunst des Möglichen geworden. Und europäische Politiker sind außerordentlich künstlerisch hochbegabt.
Mit diesem europäischen Helfersyndrom wird jedoch eine Tür geöffnet, die sich nicht mehr schließen lässt. Warum sich um etwas bemühen, wenn man es auch ohne Anstrengung erhält. Der Müßiggang zieht ein und der Reformeifer aus.
Übrigens, was man Italien gewährt, kann anderen nicht verwehrt werden. Und La Grande Nation freut sich bereits. Mit der Achse Rom - Paris wird man jetzt für Gemeinschaftsanleihen trommeln, hinter denen man die eigene schwache Bonität verstecken kann. Diese Eurobonds sind eine Vollkaskoversicherung, deren Beiträge vor allem die stärkeren Länder zahlen müssen. Die letzten Stabilitätsdämme reißen auch noch.
Erst wenn der letzte Industriebetrieb geschlossen hat, der letzte Arbeitsplatz vernichtet wurde, der letzte Wohlstand vergangen ist, werdet ihr merken, dass man Ideologie nicht essen kann
Ehrlicherweise ist aber auch von der deutschen Stabilitätskultur der Lack ab und die Reformfähigkeit vom Rost zerfressen. Politiker des stärksten Industrielands in Europa mit darauf basierendem Massenwohlstand scheinen mitunter keine Hemmungen zu haben, auch mit Unterstützung regierungstreuer Experten Deindustrialisierung zumindest zuzulassen. Die eigne Wählerklientel ist wichtiger als das Land. Und was ist mit dem Amtseid?
Daneben erinnert die Infrastruktur immer mehr an ein Entwicklungsland. Mittlerweile haben wir uns an baufällige Brücken, fehlende Netzqualitäten oder ausfallende Züge gewöhnt. Kommen bald auch noch Blackouts dazu? Und jetzt mal ehrlich: Warum sollten Industrieunternehmen angesichts dieser grandiosen Verunsicherung in Deutschland investieren oder hierbleiben und für Beschäftigung sorgen? Wie wollen wir eigentlich unseren Wohlstand sichern?
Gleichzeitig werden die staatlichen Leistungen erhöht, die oft der Aufnahme einer Beschäftigung im Weg stehen. Warum mussten in der Hauptreisezeit ausländische Arbeitskräfte für die Gepäckabwicklung an Flughäfen angeworben werden, wenn zwei Millionen in Deutschland arbeitslos sind? Und wer soll diese immer höheren staatlichen Fixkosten bei gleichzeitiger Wirtschaftsschrumpfung bezahlen?
Im Status quo wird an der EZB kein Weg vorbeigehen können.
Die Schwäche der Gemeinschaftswährung ist Ausdruck der Eurosklerose
Der Verfall des Euros liegt sicher auch an der Stärke des US-Dollars, der in den aktuell schwierigen Zeiten als sicherer Hafen gilt. Aber der stabilitätspolitische, wirtschaftliche, technologische und damit ebenso geopolitische Abstieg Europas werden weiter am Euro nagen, wenn sich nicht radikal was ändert. Er wird zur Inflationsschleuder.
Einst war geplant, dass der Euro in die Fußstapfen der Deutschen Mark als eine der härtesten Währung der Welt tritt. Tatsächlich entwickelt er sich immer mehr zur italienischen Lira 2.0.
„Was heißt das konkret für mich!?“
Kurzfristig mag sich Europa mit dem Finden schmutziger und sogar dreckiger Kompromisse durchmogeln und über Wasser halten. Längerfristig befinden wir uns damit aber auf dem Highway to Hell.
Doch kann Europa auch langsam sterben. Und dann wird die Büchse der Pandora erst richtig aufgemacht. Das muss unbedingt verhindert werden.
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Kommentare
"Heute dagegen sind die Italiener mehrheitlich große Europa-Kritiker."
--Nicht nur die Italiener. Alle echten Europäer, die den Geist der römischen Verträge noch kennen.
"Zugegebenermaßen hat Europa viele Fehler gemacht. Langatmige Entscheidungsprozesse mit Kompromisseinigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner haben oft genug nur die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursache der Probleme."
--Es war nicht "Europa", sondern die EU, die die Fehler gemacht hat. Aber von "Fehlern" zu sprechen, ist die Untertreibung des Jahrhunderts: Die EU macht seit Bestehen Politik gegen die Interessen der Europäer. Man nenne mir ein einziges Gegenbeispiel. Die EU ist die Wurzel und der Ursprung fast aller heutigen europäischen Probleme. Als ob "langatmige Entscheidungsprozesse" auch nur ansatzweise Grund für das fundamentale Versagen der EU wären.
"Unabhängig davon ist Italien jedoch der größte Profiteur Europas"
--Gemeint: die EU!!! Ach ja? Warum mögen die Italiener dannn die EU nicht, wenn sie doch ach so profitiert haben? Alle dumm? War nicht Deutschland bislang immer der größte "Profiteur"? Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Man sollte "profitieren" mal genauer definieren. Der einfache Bürger hatte von all den Krediten jedenfalls nichts bis wenig. Abgesahnt haben wie immer andere.
"Doch statt die umfangreiche europäische Solidarität zu nutzen..."
--Ich kann es nicht mehr hören, dieses meistmissbrauchte Wort der Dekade. Fragen Sie doch mal einen Italiener auf der Straße, wo er EU-Solidariät gespürt hat.
Die Italiener für die Aufweichung des Euro verantwortlich zu machen, kann nur ein schlechter Witz sein - es sei denn, man gibt die Schuld Mario Draghi alleine als italienischem Staatsbürger. Wenn eine ganze EU sich nicht an die eigenen, ohnehin undemokratisch zustandegekommenen Regeln hält - sprich Maastricht-Kriterien oder EZB-Mandat- dann möge man sich nicht wundern, daß die Währung nicht funktioniert und letztlich zusammenbricht. Nicht wenige sahen das schon bei Einführung kommen. Mathematik ist eben unbestechlich.
Italien hat es nun in der Hand, ein Ende mit Schrecken zu provozieren anstelle eines Schreckens ohne Ende. Der Crash kommt ohnehin, er hat ja schon begonnen. Einzig offen ist die Frage, wie -und vor allem ob- wir danach wieder aufbauen. Wer uns wirklich schadet, wissen wir seit zwei Tagen ganz genau.
Das wird aber so einfach nicht sein, denn wer sich gegen die WEF/US Marionetten stellt, wird mit jedem nur denkbaren Mitteln so hart bestraft, dass es jede Regierung, die nicht vorbereitet ist, aus dem Sattel hebt.
Wird Italiens neue Regierung also weiterhin an die EU-Zitze krabbeln (oder besser kriechen), um Uschis Muttermilch zu saugen, dann kann sie ihre evtl. Aufmüpfigkeit gleich wieder in die Schublade stecken.
Sollte die kleine Terrierin aus Italien es aber wirklich ernst meinen, dann würde ich erst mal alle wirklich schlauen Köpfe (Berlusconi kann da sicher helfen) zusammentrommeln und meinen Banken alternative Zahlungsprotokolle (außerhalb vom SWIFT System) verordnen. Danach sollte sie sich -genau wie einst Putin- erstmal sehr gut darauf vorbereiten, einen Frontalangriff auf ihr Wirtschafts- und Finanzsystem durch die EU und den USA nur halbwegs zu überstehen. Auch ein Italexit muß drin sein können.
Schafft sie das nicht, dann wird sie wie Griechenland und Zypern enden und am Ende nur ein Wimpernschlag in der italienischen, politischen Geschichte sein.
PS: Ob Putin (richtiger gesagt, Russland) oder die EU näher an der Wand steht, muß sich ja wohl erst noch herausstellen. Ich würde da aber im Moment nicht gegen Russland wetten. Aber die Zeit wird es sicher zeigen.
Diese EU, deren Vertreter nicht mal demokratisch legitimiert sind und dessen EU-Kommissare eher an
die Duma der Sowjets erinnern, als an parlamentarisch gewählte Regierungen, darf ruhig sterben.
Der Fisch stinkt ja bekanntlich vom Kopf her und die EU ranzelt schon förmlich seit längerer Zeit.
Das bedeutet aber final gar nichts, denn das muß ja nicht das Ende Europas und der europäischen Idee sein. Nur das Konstrukt EU ist wohl erst mal Geschichte und besser schnell als langsam zu begraben.
Die EU ist tot, es lebe Europa!
Hallo Herr Halver, diesen Satz sollten wir unseren oliv-GRÜNEN ins Stammbuch schreiben.
»Da Sanktionen nie durchgezogen werden, lassen sie Italien kalt wie eine Hundeschnauze.«
In puncto Sanktionen habe ich Anderes in Erinnerung …
»Wie wollen wir eigentlich unseren Wohlstand sichern?«
Der Rest unseres Wohlstands wird wohl drauf gehen, wenn wir die wieder eroberten Ostgebiete wieder aufbauen müssen, dagegen sind die »Blühenden Landschaften« ein Hühnerfurz.
Der Plan: Deutschland strebt kurzfristig mindestens das Schuldenniveau von Frankreich an. Das Geld geben wir für ein gigantisches Klima und - Infrastrukturprogramm in Deutschland aus.
Klar der Euro geht zeitgleich den Bach runter, aber wir sind zumindest alle auf Augenhöhe in Europa und das schweißt mehr zusammen als dieses permanente beobachten und kritisieren wofür der andere sein Geld ausgibt.
Wir können aber so weitermachen wie bisher und weiter in Deutschland verarmen lassen und am Ende ist der Euro auch nichts mehr wert.
Also dann lasst und doch auch mal feiern. Was meint ihr wie blöd die anderen Gucken.
Spirit
So kann der an der Wand stehende Putin doch noch einmal Morgenluft wittern.
Woher Wissen Sie das Putin mit dem Rücken zur Wand steht? Also ich habe was ganz anderes gelesen, aber natürlich nicht von unseren Lügen und Verblödungsmedien.
Die einzigen die mit dem Rücken zur Wand stehen ist die EU und ins besondere die BRD auch GERMANY genannt.
Das die EU "habe fertig" kann doch jeder sehen, der es will.
Die EU ist genauso wie unsere Politiker ein kourrupter und nicht von den Bürgern gewählter Haufen.
Aber, "was heißt das für mich konkret" ?
Lese ich leider gar nicht raus, weiß der Autor wohl selbst nicht.
Raus aus dem Euro in Aktien (US Aktien) Fremdwährungen (Franken), Gold, Immobilien sonstige Sachwerte oder Auswandern ?
Das es früher oder später kracht ist schon lange klar und hier seit 10 Jahren Thema, aber wie rette ich mein Erspartes, das ist die Frage...und die Arche Dirk Müller Fonds hat schon lange ein Leck....!
Wohlstand spring nicht aus Materialismus!
Hunger ist kein "Idealismus" !
KILL MATERIALISMUS
KILL MATERIALISMUS
GELD = Nur ein IDÉ !! (Heist also Idealismus!)
Materialismus wollen notstand, Hunger, kein Geld, wennDubeine Karotte aus eigener Garten ist, wirst Du mit entweder 10 Jahre Gefängnis oder zum TODE bestraft! (Bitte beachten, das hier ist wirklich keine Übertreibung!)
GELD = IDEALISMUS !!
Ihr Vorschlag ist klasse!
Genau so sollten wir es tun, zu retten ist eh nichts mehr.
"Wursteln" funktioniert halt nicht auf Dauer.
Möglicherweise wäre es klüger aus dem Euro auszusteigen (vielleicht ist der Schaden heute geringer als z.B. in 10 Jahren) - früher oder später fliegt er uns sowieso um die Ohren, wenn nicht etwas Fundamentales verändert wird.
Aber, wenn Deutschland so weiter macht wie im Moment, dann passen wir doch prima dazu.
Für Die, die noch zwei oder drei Groschen haben wird es ungemütlich - Vater Staat wird sie sich holen wollen - damit wir Alle gleich (arm) sind.
glauben Sie ernsthaft,
daß Putin an der Wand steht,
daß Frau Meloni eine Befürworterin Putins ist,
daß Putins Erfolg abhängig ist von Protesten der europäischen Gesellschaften?
Ich hoffe nicht, denn Fehleinschätzungen wie diese, führen schnell auf dünnes Eis.
In der Tierwelt beseitig man das Aas, in der Menschenwelt hypt und bewundert man es und läßt zu, dass der eigenen Lebensraum vergiftet wird. Irgendwie scheint der Verstand doch verkehrt gepoolt zu sein, sich nur entwickeln aber nicht lernen zu können. Der Mesnsch, er schaut wieder einmal gebannt, ängstlich und ungläubig auf seine eigene Zerstörung, er kann und will es nicht glauben! Wahnsinn nur das Gute glauben zu wollen und vor dem Bösen die Augen zu verschließen, egal in welchem Bereich des Daseins, nur weil man es sicht nicht vorstellen/glauben kann und möchte, denn es trifft ja immer nur den Anderen, oder?
Ihr olfaktorisches Bild gefällt mir sehr gut.
Im weiteren Text sollte es aber "geistige Untätigkeit" heißen. Der menschliche Geist ist unfehlbar, man könnte "Werkseinstellung" dazu sagen. Er funktioniert wie ein Filter vor dem ungeschützten Verstand. Wehe, wenn dieser Filter beschädigt oder gar gänzlich unterdrückt wird. Genau das ist es, was geschehen ist und was mit Nachdruck weiter betrieben wird. Es ist die Begründung für die von Ihnen angesprochenen "verkehrte Poolung" des Verstandes. Das Vorliegen einer geistigen Dysfunktion läßt sich deshalb besonders deutlich bei vielen Menschen mit einem hohem IQ beobachten.
Die Lösung aller Probleme liegt also in der Kenntnis der einzelnen geistigen Funktionen und deren Regeneration.
Den Artikel muss ich leider als ziemlich gut zutreffend bezeichnen .
Die Kommentare auch
Das wiederum finde ich beruhigend
Ich bin also nicht der einzige der eine relative Ahnung hat von dem was da so gerade abgeht !
P. S.
Gestern begegnete ich einem netten , mir bis
dato unbekannten Mem :
E U = Europas Untergang
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