Das Unmögliche wird möglich: „Nur alle zwei bis drei Generationen sehen wir eine solch epochale Krise“

Im Rahmen eines Interviews gegenüber Project Syndicate zeigte sich George Soros wenig optimistisch mit Blick auf die unmittelbare Zukunft. Es handele sich um eine epochale Krise, die in einem solchen Ausmaß häufig nur alle zwei bis drei Generationen in Erscheinung trete.

Schon vor dem Ausbruch des neuen Coronavirus habe sich die Welt in einem revolutionären Moment befunden, so dass alles, was vormals noch undenkbar oder unmöglich erschien, nun zu einer Art neuer Norm geworden sei.

Überleben der menschlichen Zivilisation in Gefahr – Regierungen völlig unvorbereitet

Die globale Pandemie, gepaart mit einem in einer solchen Intensität niemals zuvor gesehenen Wirtschaftseinbruch, so Soros, bedrohe das Überleben der menschlichen Zivilisation in ihren Grundfesten.

Im Angesicht zahlreicher Epidemien im 19. Jahrhundert, getoppt durch die in insgesamt drei Wellen ablaufende Spanische Grippe zwischen 1918 und 1920 mit Millionen von Toten, zeigt sich Soros überrascht, auf welch sträfliche Weise Regierungen rund um den Globus trotz existierender Pandemiepläne in keiner Weise auf eine solche Gefahr vorbereitet gewesen sind.

Schnelle Mutationen: Soros gibt sich besorgt ob langsamer Impfstoffentwicklung

Soros warnt darüber hinaus davor, dass es einen langen Zeitraum benötigen werde, um einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus zu entwickeln, allein schon deshalb, weil das Virus in erschreckender Geschwindigkeit mutiere. Hiervor warnten zuletzt auch eine Reihe namhafter Forscher, während davon ausgegangen wird, dass mittlerweile etwa sechzig verschiedene Virus-Stämme auf der Welt umgehen.

Ähnlich wie im Fall von gewöhnlichen Grippeviren, die sich jedes Jahr veränderten, werde es in Bezug auf die Impfstoffforschung in jedem einzelnen Jahr zu Anpassungen an potenzielle Mutationen des neuen Coronavirus kommen müssen, um über wirksame Mittel zu verfügen.

Wirtschaftssystem: Alles wird anders – Richtung nicht absehbare

Ob der Kapitalismus die jetzige Krise überleben wird, wollte Soros offenlassen, zeigte sich jedoch davon überzeugt, dass in der Zukunft nichts mehr so sein werde wie zuvor und nichts mehr in Stein gemeißelt sei. In welche Richtung sich die Dinge letztendlich entwickelten bleibe abzuwarten, weil sich Vieles noch in keiner Weise absehen ließe.

USA vs. China: Soros beschwört „Einige Welt“ zum Kampf gegen den Klimawandel & zur Impfstoffsuche

Den sich abzeichnenden Clash zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China bezeichnete Soros als tragisch. Einerseits müsse die Welt in der aktuellen Situation enger zusammenrücken, um gemeinsam nach funktionierenden Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 zu forschen, andererseits ebbten die Diskussionen hinsichtlich einer Adressierung des Klimawandels ebenfalls nicht ab.

Auch in diesem Bereich ließen sich Erfolge nur auf internationaler Ebene erzielen. Erschwert werde Zusammenarbeit und Kooperation nicht nur auf Basis einer massiven Verschlechterung in den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und China.

Zum „Schutz der Demokratie und offenen Gesellschaften“: Soros lehnt andererseits Zusammenarbeit mit China ab

Vielmehr habe zudem auch ein Wettrennen zwischen verschiedenen Wirtschaftsräumen in der Impfstoffforschung eingesetzt, das Soros in unterschiedlichen Systemstrukturen – nämlich auf der einen Seite demokratischen und auf der anderen Seite autoritären Systemen – bedingt sieht.

Wer in diesem Bereich schneller als der andere sei, werde unter aller Voraussicht die Früchte des Erfolges nicht mit der jeweils anderen Seite teilen, sondern den Versuch unternehmen, sich hierauf basierend Vorteile gegenüber der jeweils anderen Seite zu verschaffen.

In den USA gäbe es eine ganze Menge Leute, die der Ansicht seien, dass die Vereinigten Staaten weitaus enger mit China zusammenarbeiten sollten. Er (Soros) teile diese Ansicht nicht. Denn der Schutz von demokratischen und offenen Gesellschaften habe stets Vorfahrt vor wirtschaftlicher Kooperation.

Angriff auf Xi - Sehnt sich die chinesische Bevölkerung tatsächlich nach Transformation?

Er empfinde Sympathie für die chinesische Bevölkerung, was allein schon daran liege, dass China unter einem diktatorischen System und der Herrschaft von Staatspräsident Xi Jinping zu leiden habe. Große Teile der chinesischen Bevölkerung zeigten sich stark verärgert ob der Vertuschung des Coronavirus-Ausbruchs der CCP bis nach dem Ende des Neujahrsfestes.

Staatschef Xi Jinping sei in China einerseits alles umfassender Herrscher, der sich kürzlich ein Mandat auf Lebenszeit habe einräumen lassen, - andererseits sei Xi im Angesicht des Coronavirus-Ausbruchs und einer einbrechenden Wirtschaft jedoch auch geschwächt wie nie zuvor – und deshalb wahrscheinlich auch anfällig.

Die innenpolitischen Kämpfe in China verfolge Soros bereits über einen langen Zeitraum, weil es Tendenzen unter Teilen der chinesischen Bevölkerung hin zu einer stärkeren Öffnung des Landes und dem Wunsch einer Transformation hin zu demokratischeren Strukturen gäbe. Auch US-Präsident Donald Trump würde sich gerne zu einem Diktator in den Vereinigten Staaten aufschwingen, so Soros weiter.

Möchtegern-Diktator: Orakelartiger Angriff gegen Erzfeind Trump

Doch anders als im Falle Xi seien Trump durch die amerikanische Landesverfassung die Hände gebunden. Nicht, dass Trump nicht alles versuchen werde, um einzelne Bestimmungen und Vorgaben zu umschiffen und auszumanövrieren. Doch Soros geht davon aus, dass Trump dazu auf dem Weg sei, sich selbst zu zerstören. Auf diesem Weg könne aus Sicht der USA jedoch noch eine ganze Menge geschehen. Soros ließ offen, was er hiermit explizit meint.

Europa nicht überlebensfähig – Deutschland Schuld an möglichem Verfallsprozess?

Da es sich aus Sicht der Europäischen Union um ein nicht komplettes Gebilde handele, zeigt sich Soros stark davon überzeugt, dass dieses Gebilde nicht überlebensfähig sein wird. Die EU sei aus diesem Grunde noch anfälliger als die Vereinigten Staaten, und fuße zudem auf einem engmaschig definierten Rechtssystem. Das Coronavirus bewege sich schneller als die Rechtsprechung, wodurch die EU als solche in eine prekäre Lage zu geraten drohe.

Gefragt nach dem in der letzten Woche gesprochenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Staatsanleihekäufen durch die EZB erklärte Soros, dass auch dieses gerichtliche Urteil zu einer sich beschleunigenden Desintegration der EU als solcher führen könnte. Dass es nun einen ernsthaften Konflikt zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Sachen Kompetenzgerangel gäbe, erweise sich in Zeiten einer solchen Krise wie der jetzigen als absolut kontraproduktiv.

Denn nach dem in Deutschland durch das höchste Gericht gesprochenen Urteil werde es wohl nicht allzu lange dauern, bis auch andere Mitgliedsländer der EU wie Polen oder Ungarn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anzweifeln oder vielleicht gar torpedieren werden.

Das seitens des deutschen Bundesverfassungsgerichts gesprochene Urteil habe die EZB just in einer Phase geschwächt, in der es eigentlich mehr oder weniger nur noch auf diese Institution in Europa ankäme, weil es sich im Fall der EZB um die einzig noch verbliebene und funktionierende Institution in der Region handele, die ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen könne, um gegen die Auswirkungen aus der Covid-19-Pandemie anzukämpfen.

Nur gemeinsam emittierte Rentenanleihen können Europa laut Soros retten

Soros rät der EU zur Einrichtung eines Erholungsfonds, der sich seine finanziellen Mittel durch eine Emission von (sehr langläufigen) Rentenanleihen beschaffen sollte. Diese Art der Anleihen möchte Soros jedoch nicht mit „Corona-“ oder „Euro-Bonds“ verwechselt wissen.

Zu einer Emission von Eurobonds werde es unter aller Voraussicht auch niemals kommen, und dies, so Soros, auch aus gutem Grund. Die trotz allem anhaltenden Diskussionen um eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden unter den Ländern der Eurozone hätten die Debatten um eine potenzielle Emission von langläufigen Rentenanleihen nun stark vergiftet.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen benötige eine Billion Euro zum Kampf gegen die Auswirkungen aus der Covid-19-Pandemie – und eine weitere Billion Euro für den Kampf gegen den Klimawandel. Diese finanziellen Mittel, so Soros, ließen sich aus Sicht der EU einzig und allein durch gemeinsam emittierte Rentenanleihen, für welche die einzelnen Mitgliedsländer jeweils anteilig haften würden, aufbringen – oder gar nicht.

Möglicher Italienaustritt eine weitere existentielle Gefahr

Nach wie vor verweigerten sich die Nordländer der EU wie beispielsweise Deutschland oder die Niederlande jedoch ebenfalls einer solchen Option. Des Weiteren ließen sich in Italien, einem Land, dessen Bürger einst bei Weitem mehr Vertrauen in die Europäische Union als in deren eigene Regierungen setzten, Absatztendenzen feststellen.

Italien könne im Falle einer Machtergreifung durch Matteo Salvinis Lega tatsächlich an den Punkt gelangen, aus der EU auszutreten. Alles in allem gibt Soros zu, wenig optimistisch, ja gar pessimistisch, zu sein. Denn die EU blicke einer ganzen Reihe von existentiellen Gefahren ins Auge.

*** Trump: „Was, wenn wir unsere Beziehungen zu China komplett abbrechen?“ ***

Augenmerk soll abschließend auch noch gestrigen Aussagen von US-Präsident Donald Trump geschenkt werden. In einem Interview mit Maria Bartiromo von FoxBusiness stellte Trump offen die Frage, was geschehen würde, wenn die Vereinigten Staaten ihre Beziehungen zu China in Gänze abbrechen würden.

Momentan wolle er (Trump) nicht mit Chinas Staatspräsident Xi sprechen. Aus Sicht der USA könnten wir unsere Beziehungen zu China komplett auf Eis legen, so Trump. Wir würden als Land in diesem Fall 500 Milliarden US-Dollar einsparen, so Trump weiter, dann nämlich, wenn das US-Finanzministerium die Entscheidung fällen sollte, die gegenüber der Volksrepublik China ausstehenden US-Schulden einseitig zu streichen.

Plötzlich will Trump einen starken Dollar…

Als vollkommen überraschend erwies sich Trumps Aussage, dass er einen starken US-Dollar favorisiere, was in einem absoluten Gegensatz zu vormals getroffenen Aussagen zu einem zu starken US-Dollar und zu den aus Trumps Sicht zu hohen Zinssätzen in den USA stand. Doch so überraschend ist das alles nicht, wenn Sie bitte berücksichtigen, wie die Situation an den Eurodollar-Märkten aussieht, auf die in diesem Bericht ausführlich eingegangen wurde.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts basiert auf einem Bericht auf der Seite des Finanzblogs Zerohedge, der inhaltlich durch Roman Baudzus ergänzt wurde.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Konkret heißt das, dass man sich George Soros zumindest im Hinblick auf dessen Aussage einer vor unseren Augen scheiternden Globalisierung eigentlich nur anschließen kann – ganz abgesehen davon, ob man seine sonstigen Ansichten teilt. Nicht nur einzelne Länder und Wirtschaftsräume beginnen von innen heraus zu desintegrieren, sondern dieselben Beobachtungen lassen sich zurzeit auch mit Blick auf die globale Wirtschaft anstellen.

Welche Konsequenzen ein Clash zwischen den USA und China nach sich ziehen würde, möchte ich zum aktuellen Zeitpunkt offenlassen. Die Sogwirkungen und Gefahren, die aus einer solchen Entwicklung resultieren würden, möchte man sich zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich auch nicht annähernd vorstellen. Warten wir deshalb einfach mal ab - und widmen uns den Dingen, falls es irgendwann vielleicht so weit sein sollte.

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