Der türkische Präsident Erdogan hat den USA mit der Schließung von zwei Militärbasen auf türkischem Staatsgebiet gedroht. Die NATO- Mitgliedschaft der Türkei wird damit in Frage gestellt. Für die NATO ist die Türkei von immenser strategischer Bedeutung, aufgrund ihrer geographischen Lage, vor allem aber wegen der militärischen Schlagkraft. Mit mehr als 500.000 aktiven Soldaten bildet die türkische Armee die zweitgrößte NATO-Armee.

In einem Interview mit dem Sender A Haber, drohte Erdogan kürzlich: "Wenn erforderlich" könne man die von den USA genutzte Luftwaffenbasis Incirlik und die amerikanische Radar-Station Kürecik in der Provinz Malatya schließen.

Türkei auf dem Weg zu einer regionalen Großmacht

Schon vor einigen Jahren analysierte der Chef eines privaten US-Geheimdienst-Unternehmens, George Friedmann, dass die Türkei sich in einer politisch sehr empfindlichen Phase auf dem Weg zu einer Großmacht befinde.

Der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg - für die Türken noch immer ein Trauma - habe in Wahrheit die gefährliche Überdehnung des Landes beendet und eine strategische Neuausrichtung ermöglicht, so Friedmann. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges, sowie dem Beginn des Kalten Krieges, spielte die Türkei in den Planspielen Washingtons eine wichtige Rolle, um den sowjetischen Vormarsch in Richtung des Nahen- und Mittleren Ostens zu verhindern oder einzudämmen.

Geopolitische Umorientierung Ankaras begann nach 1991

Nach 1991, mit dem Niedergang der Sowjetunion, wurde Ankara von diesen Verpflichtungen befreit, blieb den NATO-Strukturen aber treu, obwohl eine geostrategische Umorientierung in Gange war. Die turksprachigen Republiken in Zentralasien, die gerade dabei waren ihre Unabhängigkeit von Moskau zu vollziehen, gerieten dabei ebenso in das Blickfeld Ankaras, wie die alten Provinzen des Osmanischen Reiches auf dem Balkan und in der arabischen Nachbarschaft.

Gefördert wurde diese Entwicklung dadurch, dass der türkische Wunsch nach einer raschen EU-Mitgliedschaft gescheitert ist und dadurch die Rolle einer regionalen Führungsmacht plausibel erschien.

Ankara profitiert vom sinkenden Einfluss der USA in der Region

Der sinkende Einfluss der USA im Nahen Osten, nach zwei Jahrzehnten des hausgemachten gescheiterten "Krieges gegen den Terror", verstärkt die Position der Türken. Ankara reagiert daher entschlossen auf die von Washington angedrohten Sanktionen und bringt entsprechende Gegenmaßnahmen ins Spiel.

Anders als in Berlin, wo Kanzlerin Merkel an der Treue zum transatlantischen Bündnis festhält, wie eine bibelfeste Betschwester an ihr "Vater Unser", sieht man die NATO-Mitgliedschaft nicht mehr als im "ureigensten Interesse" liegend. Das Verhältnis zu den USA ist auch wegen des Predigers Fethullah Gülen belastet.

Ankara baute den 78jährigen als Drahtzieher des Putsches vom Sommer 2016 auf und forderte seine Auslieferung. Erdogan kündigte damals die Verfolgung dieses Rivalen bis in seine Höhle an. Ferner wurde damals in AKP-nahen Medien die Meldung lanciert, die USA wären im Vorfeld von den Putschplänen informiert gewesen, was man in Washington scharf dementierte.

Die von einigen einflussreichen US-Senatoren geforderten Sanktionen gegen die Türkei, werden damit begründet, dass Ankara in diesem Sommer das russische Raketenabwehrsystem S-400 gekauft hatte. In Washington befürchtet man - wohl nicht zu Unrecht - dass Moskau über das empfindliche Radar des Waffensystems an Daten über die Fähigkeiten des US-Kampfjets F-35 gelangen könnte.

Ankara war zunächst Partner beim Bau des Kampfjets und wollte zahlreiche Flugzeuge kaufen. Wegen des Rüstungsdeals mit Moskau haben die USA die Türkei aus dem F-35-Programm ausgeschlossen. Weitere Sanktionen blieben aber bisher aus.

USA: Massaker an Armeniern „Völkermord“

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass das Repräsentantenhaus und der US-Senat plötzlich das Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern als Völkermord einstufen, was es zweifelsohne war, aber bisher nie eine Rolle spielte. Im Gegenteil: in den vergangenen Jahren konnte die Republik Armenien nur mit Hilfe des Iran und Russlands überleben, während sowohl die Türkei wie auch Aserbaidschan mit westlicher Hilfe eine anti-armenische Politik betrieben.

Was bedeutet das konkret für mich!?“

Der Bruch mit den USA, mit denen Ankara früher aufs engste verbunden war, bahnt sich an. Dann aber steht auch die Mitgliedschaft in der NATO auf dem Spiel. Für die NATO ist die Türkei von immenser strategischer Bedeutung. Ob das umgekehrt noch gültig ist, darf bezweifelt werden. Welche politische Position der Westen angesichts der geopolitischen Umbrüche in der Region einnehmen wird, ist zur Stunde höchst ungewiss.

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