Gerüchte kursieren, wonach über 200 russische Staatsbürger, die unter anderem als Söldner auf der Seite der syrischen Regierung kämpften, dem US-Angriff zum Opfer fielen.

Sollten sich diese hohen Opferzahlen bestätigen, dann handelt es sich um den tödlichsten Zusammenstoß zwischen Staatsangehörigen Russlands und der USA seit dem Ende des  Kalten Krieges. Die offiziellen Reaktionen in Moskau und Washington, nämlich den Vorfall weder zu bestätigen noch als Falschmeldung zu entlarven, lassen darauf schließen, wie explosiv die Ausgangslage ist, beziehungsweise welche Geheimhaltungsstufe hier angewandt wird. Einig im Schweigen, waren Russen und Amerikaner darum bemüht, jede öffentliche Diskussion darüber zu unterdrücken, was man sich unter dem Begriff “Pro-Regime-Kräfte”, vorzustellen hatte, die laut den Angaben des US-Militärs Ziel des Angriffs vom 7. Februar in Ost-Syrien waren.

Durch Facebook-Posts betroffener Angehöriger in Russland, die den Tod ihrer Söhne, Ehemänner oder Brüder beklagten, flankiert von Meldungen syrischer Rebellen-Kommandeure und Lokalreportern, lässt sich ein Bild erstellen, wonach sich an den Ufern des Euphrats, in der Nähe der Stadt Deir ez-Zor, etwas dramatisches zugetragen haben muss.

Augenzeugen vor Ort bestätigen den Zwischenfall

Der Kommandeur einer syrischen Rebellengruppe bestätigte gegenüber amerikanischen Medien, dass russische Bürger bei dem Angriff starben, wobei er sich wiederum auf die Berichte von Auenzeugen berief. Der Kommandeur, der darum bat nicht namentlich erwähnt zu werden, berichtete, dass das Gebiet unter der Herrschaft der Rebellen war, bevor von den Amerikanern unterstütze kurdische Verbände dort im September letzten Jahres die Kontrolle übernahmen. Nach seinen Aussagen galt die Eroberung des Conoco-Gasfeldes dort als Ursache für die militärischen Zusammenstöße. Andere Quellen bestätigten diese Aussagen insofern, als dass die Sicherheitsfirma Wagner, ein russisches Pendant zum weltweit in Verruf geratenen Konzern Blackwater (heute Academi) in den USA, dort Söldner zur Eroberung des Gasfeldes gestellt haben soll, wobei eine ganze Einheit durch den Angriff der USA vernichtet wurde.

Der Tagesspiegel meldete diesbezüglich: “Bisher galt das Gefecht in Deir ez-Zor vor allem als Ausdruck wachsender Interessenkonflikt internationaler Mächte, die in den vergangenen Jahren gemeinsam gegen den Islamischen Staat (IS) kämpften, nach dem militärischen Sieg über die Dschihadisten nun aber eigene Ziele verfolgen. Die Ölvorräte in der Gegend um Deir ez-Zor werden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach einem Ende des Krieges wichtig sein – die USA wollen das Gebiet unter Kontrolle behalten, um sich eine Mitsprache zu sichern.

Die Verwicklung des Wagner-Unternehmens in den Vorfall wurde auch von dem “Conflict Intelligence Team”, CIT, einem russischen Militärportal mit Sitz in Moskau, welches Bilder und Texte aus sozialen Netzwerken sammelt, um russische Gefallene in Syrien zu identifizieren, vermeldet.

Was sagt das US-Militär?

In den USA wurde nach einer längeren Schweigephase damit begonnen, spärliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, bezüglich des blutigen Zwischenfalls. In allen Stellungnahmen wurde aber nahezu krampfhaft darauf wert gelegt, dass eigentlich gar nichts passiert sei, wenn doch, dann aber nur aus Notwehr. Immerhin wurde eingestanden, dass etwa 100 gegnerische Kämpfer getötet wurden, die in Washington nebulös als sogenannte Pro-Regime-Kräfte tituliert wurden. Gerüchte, wonach zahlreiche russische Bürger unter den Gefallenen sind, werden so allgemein wie möglich abgetan, wenn auch nicht gänzlich geleugnet.

US-Verteidigungsminister James Mattis ließ verlautbaren, dass was immer geschehen sei, nichts als Notwehr war und dass die Russen gewarnt waren, bevor der Angriff begann. “They were notified when the firing began. That's when we heard there were no Russians there” (“Sie wurden benachrichtigt, als das Feuer begann. Das war, als wir hörten, dass es dort keine Russen gibt”.), berichtete Mattis gegenüber Journalisten in Moskau. “And we go out of our way to ensure that we do not endanger the Russians, as you know.” (“Und wir tun unser Bestes, um sicherzustellen, dass wir die Russen nicht gefährden, wie Sie wissen.”)

Wie reagiert Russland?

In Moskau gibt man sich ähnlich wortkarg wie in Washington. Dmitry Peskov, der Pressesprecher von Präsident Putin, sagte am Dienstag, dass der Kreml nichts von russischen Staatsbürgern wisse, die sich an Kampfhandlungen in Syrien beteiligen, außer den Angehörigen der Roten Armee vor Ort. Die Komsomolskaja Prawda hingegen, eine Zeitung mit engen Beziehungen zur militärischen Spitze, berichtete darüber, dass es einen intensiven Austausch zwischen den Regierungen der USA und Russland gäbe, angesichts des Vorfalls in Syrien.

Die Privatisierung des Krieges

Unabhängig davon, was in der nahen Zukunft noch ans Licht kommen wird, der blutige Vorfall wirft ein grelles Licht auf ein Phänomen, welches nicht nur auf den Schlachtfeldern Syriens zu beobachten ist, sondern in den Krisenherden der Welt, das Phänomen der Privatisierung von Kriegen, des steigenden Einflusses von Söldnerbanden, die das schmutzige Handwerk betreiben. Dieses Phänomen betrifft wahrlich nicht nur russische Bürger, auch andere Mächte lassen privat morden, bomben, schießen und foltern, wofür multinationale Unternehmen wie Wagner oder eben Academi zuständig sind. Für den Konflikt in Syrien bedeutet das, dass dieser in ein anderes Stadium getreten ist, in das Stadium des Kampfes um Rohstoffe. Das ist auch der Grund dafür, weshalb sich sowohl Moskau wie auch Washington in Schweigen hüllen.

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