Berliner Hinterher- statt Vorausplanung
Einst hatte der Berliner Senat tausende eigene Wohnungen an große Immobiliengesellschaften - nach heutigen Wertmaßstäben - zu Schnäppchenpreisen verscherbelt, um die gähnend leere Stadtkasse aufzufüllen.
Würde der Senat diese Immobilien heute zurückkaufen und anschließend Mietpreissenkungen durchführen, wäre Berlin immer noch sexy, aber noch viel ärmer. Zur Finanzierung werden 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus von Parteien und Politikern tatsächlich wieder Begriffe wie Enteignung und Vergesellschaftung vorgeschlagen.
Zur Rechtfertigung beruft man sich auf das deutsche Grundgesetz, in dem es im Art. 14 heißt: Eigentum verpflichtet. Dabei soll der Eigentümer seine Immobilien auch zu politisch korrekten Preisen - also massiv unter Marktwert - verkaufen. Ist ja auch nur sozial gerecht, oder? Immerhin - so wird unterstellt - beruhen die Wertsteigerungen nicht auf Eigenleistungen der Besitzer, höchstens auf bösartiger Spekulation. Als Druckmittel wird auch Art. 15 des Grundgesetzes missbraucht, in dem von Vergesellschaftung gesprochen wird.
Allein die Angst vor unattraktiver Enteignung ist geeignet, große Immobilieninvestoren aus Berlin zu vertreiben wie Mäuse aus der Speisekammer, wenn die Katze kommt, geschweige denn, wenn solche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden. Private Investoren werden keine Hundehütte mehr bauen. In unserer globalen Immobilienwelt ist kein Investor auf Berlin angewiesen. Bei zu erwartendem Bevölkerungszuwachs wird sich die Mietsituation in Berlin schließlich noch weiter verschlechtert haben. Da bleibt einem die soziale Gerechtigkeit im Hals stecken.
Ein neuer Artikel im Grundgesetz muss her: Politisches Amt verpflichtet
Es mag einige stören, aber der Zweck privater Unternehmen - auch von Immobiliengesellschaften - ist Gewinnerzielung. Sonst gäbe es gar keine Unternehmen und damit würden sie keine Arbeitsplätze schaffen. Wie der Name schon sagt, ist für Wirtschafts- und damit Wohnpolitik die Politik zuständig. Fehlentwicklungen beim Wohnen hat sie vorzubeugen, sozusagen gemäß Amtseid Schaden vom deutschen „Miet-Volk“ abzuwenden.
Die Wohnungsnot in Deutschland hat sich seit Jahren abgezeichnet. So haben bereits 2012 Experten vor dem Zerfall staatlicher Strukturen in den arabischen Ländern und in dessen Folge vor großen Migrationsbewegungen gewarnt. Damals hätte der Bund seine vielen Liegenschaften an kommunale Immobilienträger zu bezahlbaren Preisen unter der Bedingung des Baus von Sozialwohnungen veräußern können. Das kann er immer noch tun und gleichzeitig Baugenehmigungen aus ihrem Schneckentempo befreien.
Zugleich ist Bauen in Deutschland viel zu teuer geworden, was auf die Mieten wirkt wie Backpulver auf den Rührkuchen. Nicht jede Bauauflage ist abseits reiner Öko-Ideologie sinnvoll. So sorgt manche Dämmung für Schimmelbildung. Ist das gesund für die Atemwege? Hinzu kommen galoppierende staatliche Gebühren wie Grunderwerbssteuern und bald höhere Grundsteuern, die Eigentümer auf die Mieter umlegen. Dagegen kann auch das neue Baukindergeld nicht anstinken. Einerseits ist es nicht so hoch, dass es aus Otto Normal-Mietern massenhaft neue Immobilienbesitzer macht, andererseits sorgen die Mitnahmeeffekte derjenigen, die ohnehin gebaut oder gekauft hätten, für noch höhere Immobilienpreise.
Stattdessen wäre es ein wirklich sinnvoller Akt sozialer Wohn-Gerechtigkeit, wenn Steuerpflicht nicht bereits bei einem Jahreseinkommen von aktuell 9.168 Euro einsetzt, sondern sich dieser Grundfreibetrag verdoppeln würde. Gerade für die Bezieher geringer Einkommen wäre die Wirkung sinnvoller als jede Mietpreisbremse, die sogar private Bauinvestitionen behindern.
Natürlich trägt auch die Geldpolitik Verantwortung für den deutschen Immobilienboom. Wir haben die niedrigsten Bauzinsen seit Adam und Eva und der Anlagenotstand aufgrund der Zinsarmut treibt Unmengen an Geld in immer teurere Häuser und Wohnungen. Doch liegen darin auch große Investitionschancen für den Staat. Bis heute verdienen Bund, Länder und Kommunen an neuen Schulden, weil die Kreditzinsen unter null liegen. Daneben frisst die offizielle deutsche Inflationsrate den öffentlichen Schuldenstand jedes Jahr im Durchschnitt um zwei Prozent auf. Bei Berücksichtigung der inoffiziellen, aber wahren Inflation ist der Schuldenfraß noch größer.
Diesen freien Mittagstisch sollte Vater Staat dringend für den umfangreichen Bau von günstigen Sozialwohnungen zum Wohle der Miet-Bevölkerung nutzen. Ein größeres Immobilienangebot begünstigt geringere (Miet-)Preise und ermöglicht es schließlich auch, aus Mietern Eigentümer zu machen. Stattdessen ergötzt sich die Politik am Finanz-Fetisch „Schwarze Null“ und spart damit am völlig falschen Ende.
Wer hat, dem wird genommen?
All diese Wohnlösungen der Marke „Soziale Marktwirtschaft“ scheitern bislang an den dicken, auch weltanschaulichen Brettern vor den Politiker-Köpfen. Gibt es etwa auch einen Facharbeitermangel im Berliner Regierungsviertel?
In einem Land, in dem Altersarmut - auch aufgrund fehlender politischer Anlagekonzepte abseits des Zinsvermögens - sprießt wie Spargel im Frühjahr, bleiben als Ausweg irgendwann nur noch staatliche Umverteilung über planwirtschaftliche Eingriffe in den deutschen Immobilienmarkt.
Noch soll diese sozial gerechte Überführung von Eigentum in „Gemeintum“ nur für die ganz großen Immobilienbesitzer gelten. Aber wo setzt die Politik da die Grenze? Bei 1.000, 200, 20 oder fünf Wohneinheiten? Zwei Drittel aller vermieteten Immobilien in Deutschland sind im Besitz von Bürgern. Warum sollte die wohlmeinende Politik nicht auch dem Otto-Normal-Vermieter den Moraltotalitarismus „zugutekommen“ zu lassen? Berlin fände bald Nachahmungstäter.
So werden nach Ostern in Tübingen Grundstückseigentümer, die nicht bauen wollen, angeschrieben. Sollte immobilientechnisch dann nichts passieren, wird den Besitzern ein Bußgeld angedroht. Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt: Zwangsverkauf an die Stadt zum Verkehrswert. Und dann ist es nicht mehr weit bis zu einem sozial gerechten Verkaufspreis unter Marktwert. Irgendwie ist doch jeder Vermieter ein kleiner Miethai, oder?
Sie glauben, so weit kommt es nicht? Aber hat es nicht auch bei Dieselautos eine Art Enteignung gegeben? Überhaupt, man braucht kein Mathematiker zu sein, um zu wissen, dass es viel mehr Wähler als Eigentümer gibt. Und Politiker machen zum Zwecke ihrer Wiederwahl immer Politik für die Mehrheit. Muss man sich also angesichts drohender Eigentumsverwässerung über den Immobilienerwerb als Altersvorsorge Gedanken machen?
Das wäre Sozialismus. Und dieser hat unter dem Vorwand staatlicher Gerechtigkeit leider immer und überall nur zu Pleiten, Pech und Pannen geführt. Die jüngere deutsche Geschichte ist ein mahnendes Beispiel gegen jeden Versuch, den Sozialismus auch nur im Entferntesten wieder durch die Hintertür hoffähig zu machen.
Deutschland braucht wieder Soziale Marktwirtschaft, keinen aufgewärmten Sozialismus.
Marx ist die Theorie, Murx die Umsetzung - und Mist schließlich die Praxis.
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Kommentare
dass du 99% nicht brauchst.
Du nimmst all den Ballast
und schmeisst ihn weg,
Denn es reist sich besser,
mit leichtem Gepäck.
Ein bisschen Sozialismus wäre da doch angebracht. Denn der Teufel scheißt bekanntlich immer auf den größten Haufen.
Ob Enteignung nun das Mittel der Wahl ist oder ob nicht schon eine konsequente Neuregelung des Erbrechts viele Dinge klären könnte, die sozial aus dem Ruder laufen, wäre ein schönes Thema für einen gepflegten Disput unter Demokraten.
Wenn wir jedenfalls so weiter machen, wie wir es gerade tun, dann kann das nur auf einen großen Knall hinauslaufen. Das haben wir in der Menschheitsgeschichte immer wieder gesehen, denn irgendwann will dann das Volk auch Kuchen essen und kommt vorbei um ihn sich zu holen.
http://www.taz.de/!5213563/
Mietpreisbremse und großes Geschrei, aber gleichzeitig "zu billige" Vermieter zur Gewinnmaximierung treiben...
Schon das Eigeninteresse wird den Vermieter davon abhalten, Verluste zu erwirtschaften.
Wie und wie viel er erwirtschaftet, sollte dann getrost ihm überlassen werden.
Irgendwo zwischen Leerstand und hoher Mieterfluktuation und den roten Zahlen wird jeder halbwegs vernünftige Vermieter seinen Bereich finden können.
Ja, die Mieten sind teilweise nicht mehr "bezahlbar", wobei bezahlbar heisst, dass Normal- oder Durchschnittsverdiener nicht mehr als 30% ihres Einkommens für die Miete investieren sollten.
Auch die Frage
Aber wo setzt die Politik da die Grenze? Bei 1.000, 200, 20 oder fünf Wohneinheiten?
zeigt, dass der Autor sich nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Es ist von 3000 WE die Rede, was auch nicht pauschal gelten soll, denn es gibt neben den Genossenschaften mit mehr als 3000 Wohnungen auch soziale Träger, die Wohnraum zur Miete anbieten. Einzig die gern zitierten "Heuschrecken", für die Mietwohnungen lediglich Spekulationsobjekte sind, soll es treffen - sofern es tatsächlich juristisch machbar ist.
Und NEIN, ich stimme nicht zu, dass Wohnimmobilien zur "Gewinnerzeugung" geeignet sind. Wohnen ist nicht nur ein Grundrecht, sondern eine Notwendigkeit, deshalb dürfte es keine privaten Immobilienkonzerne geben, Wohnraum gehört in staatliche Hand oder in die Hand von Genossenschaften oder Anstalten öffentlichen Rechts.
Und dass die Spekulation mit Bauland unterbunden wird, indem die Pflicht zum Bauen innerhalb kurzer Zeiträume nach dem Erwerb gesetzlich festgeschrieben wird, ist ebenso vernünftig.
Spekulation und Profitmaximierung zur Altersvorsorge?
Bitteschön, aber nicht mit Wohnraum bzw. Bauland, das ist Raubtier-Kapitalismus.