Was tut Politik, wenn die Ära der Globalisierung ihren Zenit überschritten hat?
Mit der weiten Welt Handel zu treiben, hat speziell Deutschland großen Wohlstand beschert. Das Geschäftsmodell - Rohstoffe weltweit günstig zu beschaffen, zu attraktiven Produkten zu veredeln und dann zu exportieren - war geradezu Nobelpreis-verdächtig.
Doch haben Corona, der Ukraine-Krieg und Chinas Null-Covid-Strategie die Anfälligkeit dieses Traumszenarios schonungslos aufgedeckt. Was nutzen beste Ingenieure und bestes Industrie-Know-how, wenn die einzukaufende Energie teuer ist und im Extremfall sogar fehlt?
Wenn jetzt ehemalige deutsche Politiker und Politikerinnen sagen, sie hätten die russische Gefahr bereits 2007 erkannt, muss man sich fragen, warum dann noch zig Jahre ein unverantwortlicher Dornröschenschlaf stattgefunden hat und keine Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, um der zunehmenden Energieabhängigkeit zu entkommen.
Ein Unternehmen, das solche Klumpenrisiken einginge, hätte an der Börse längst das Zeitliche gesegnet. Jetzt muss unser Wirtschaftsminister die Suppe auslöffeln, die zweite Stufe des Gas-Notfallplans ausrufen und in Ländern um Rohstoffe betteln, die von Demokratie und Menschenrechten so wenig halten wie Hunde von leeren Fressnäpfen.
Bei einer De-Globalisierung hätte Deutschland im Status quo schlechte Karten
So abhängig wie bei Gas von Russland ist Europa übrigens auch bei industriellen Vorprodukten und seltenen Erden von China. Und es könnte noch heftiger kommen. Bei einem Zusammenschluss Russlands und Chinas gegen den Westen würde die Welt in zwei Blöcke aufgeteilt. Da dann China automatisch mit westlichen Sanktionen belegt würde, käme die Lieferung von Vorprodukten aus dem Land der Mitte nach Europa noch mehr zum Erliegen.
Nicht zuletzt versucht Putin auch andere Länder wie Indien, Südafrika und Brasilien mit verlockenden Energierabatten zu ködern. So kommen diese Länder in den Genuss eines satten Wettbewerbsvorteils gegenüber etablierten Industriegesellschaften. Das wertet nicht zuletzt deren Standorte für europäische Unternehmen auf.
Aber da gibt es ja noch unseren Freund und Beschützer Amerika, oder? Doch auch die USA spielen nicht den Energie-Sankt Martin für europäische Verbündete. Es gibt weder bei Liefermengen, noch beim Preis Bevorzugungen. Diese America First-Haltung lässt sich nicht zuletzt an der Behandlung europäischer Unternehmen ablesen. Man frage einfach einmal in Leverkusen bei Bayer nach.
Zwar hat China zumindest vorerst kein großes Interesse an Schikanen gegen den Westen. Die Null-Covid-Strategie setzt dem Land massiv zu: Millionen von Uni-Absolventen finden keine Jobs, die Immobilienkrise wuchert wie Unkraut auf Streuobstwiesen und die Laune der Chinesen ist weniger süß als sauer. Eine Stagflation ist durchaus möglich.
Daher braucht China seinen gewaltigen Außenhandel, um über die Runden zu kommen. Und so gerne China vom Gesinnungsfreund Öl und Gas zu Billigpreisen abnimmt, ist Russland mit einer kombinierten Wirtschaftsleistung der Niederlande und Belgien kein Ersatz für den gesamten kaufkräftigen Westen.
Doch ist das Risiko, dass China seinen Abhängigkeits-Hammer auf den europäischen Amboss schlägt, nicht von der Hand zu weisen. Derzeit ist Europa ja noch nicht einmal in der Lage, selbst Paracetamol zu produzieren. Gegen all diese neuen Wirtschafts-Schmerzen ist selbst im Zaubergarten der EZB kein Heilkraut gewachsen.
„Der Westen ist verweichlicht“
Leider ist an diesem Zitat von Putin etwas dran. In Europa hält man Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand für selbstverständlich. Diese Segnungen fallen allerdings nicht vom Himmel wie Sterntaler im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Wenn angesichts der Strukturkrisen der Bundesfinanzminister die Bevölkerung mit für Politiker ungewöhnlich klaren Worten auf drei bis fünf Jahre der Entbehrung einschwört, wird klar, dass wirtschaftlich nichts selbstverständlich ist. Man muss etwas dafür tun, damit die lieb gewonnene Komfortzone nicht in Gefahr gerät.
Und das hohe Lied der Staatswirtschaft zu singen, heilt die ökonomischen Wunden wenig. Zuviel Staatseinfluss zeigte schon in Schweden, dass die Wirtschaft an die Wand gefahren wird. Man darf den Bürgern nicht vorgaukeln, dass Vater Staat es besser und alles finanzieren kann. Wir sind bereits an der Belastungsgrenze.
Dann drohen entweder unendliche Steuererhöhungen, die Gift für die Wirtschaft sind. Oder - viel wahrscheinlicher - spielt die EZB weiter den fröhlichen Mundschenk für gewaltige staatliche Schuldenaufnahmen. Und wenn Christine Lagarde dann anhaltend nur mit Wattebällchen gegen das gefährliche Inflations-Monster ankämpft, geht der Kaufkraftverlust munter weiter, was den Staat zur weiteren Kompensation auf den Plan ruft und damit die EZB als Big Spender wieder eingreifen muss. Ein Teufelskreis.
Wir brauchen einen Plan B
Noch kümmert sich die Politik lieber um Nebenkriegsschauplätze. So macht die Gender-Gerechtigkeit mittlerweile vor nichts mehr Halt. In der Politik werden tatsächlich Stimmen laut, der Hirsch auf dem Verkehrsschild „Wildwechsel“ solle sein markantes Geweih verlieren. Denn auch Hirschkühe verdienten die Rücksicht der „Autofahrenden“.
Ach, wie glücklich kann sich ein Land schätzen, das offensichtlich keine anderen Probleme hat. Wie würden die politisch Korrekten wohl den Begriff „Herrenloses Damenfahrrad“ gendern?
Das Problem ist nur, dass wir von Deutschland reden, einem Land, das Probleme hat. Ich bin kein Nestbeschmutzer. Ich weiß, dass es uns im Vergleich immer noch gutgeht. Aber müsste die Politik nicht alles dafür tun, dass es auch so bleibt bzw. das schleichende Siechtum umgekehrt wird?
Ja, die Politik muss die Mistgabel in die Hand nehmen und die Probleme ausmisten. Neue nachhaltige Wachstumspotenziale müssen her, die den Kamin auch bei einem weniger üppigen Freihandel rauchen lassen. Jetzt war ich schon wieder politisch unkorrekt. Der Klimaschutz darf nicht nur ideologisch betrachtet werden, sondern muss auch eine ökonomische Dimension haben. Und wenn wir uns aus Kostengründen in puncto Produktion keine komplette Entkopplung von China leisten können, so müssen Europa und Deutschland alternativ zu Dienstleistungstempeln werden.
Vor allem aber müssen die europäischen Volkswirtschaften wieder zurück zur sozialen Marktwirtschaft. Das Fell des Bären kann erst dann verteilt werden, wenn der Bär erlegt ist. Bitte wieder mehr Leistungsprinzip wagen! Der ideologische Ballast und die finanzielle Repression, die dem Wohlstand im Weg stehen, müssen entrümpelt werden. Die Energieversorgung sollte vorübergehend auch intensiv mit Old Energy gewährleistet sein. Ansonsten werden kalte Hintern im Winter die Akzeptanz der Energiewende gefährden.
Und das beste in puncto Digitalisierung ist gerade gut genug, um unsere Standortqualitäten auf Weltklasse-Niveau zu heben. Nicht zuletzt muss ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt her, der so viel Schmackes hat, dass andere Wirtschaftsregionen gerne mit uns Handel auf Augenhöhe treiben.
Das wird aber dauern. All das ist bei der Vielzahl von europäischen Ländern nicht einfach. Aber haben wir eine andere Wahl? Im geopolitischen Haifischbecken ist der Rückschritt zu schwachen, ja regelrecht impotenten Nationalstaaten eine Sackgasse. Europa muss an Regierungsfähigkeit gewinnen. Das Einstimmigkeitsprinzip gehört auf den Müll und muss durch qualifizierte Mehrheiten ersetzt werden. Gleichzeitig muss das Parlament mehr zu sagen haben. Das zähe Ringen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ohne wirklich etwas zu bewegen, kann die überwältigenden Probleme schon längst nicht mehr lösen.
„Was heißt das für mich konkret!?“
Wenn konjunkturell zurzeit keine süßen Zuckerplätzchen verteilt werden, muss man sich vorübergehend mit hartem Schwarzbrot zufriedengeben. In dieser Zwischenzeit jedoch muss man (wirtschafts-) politisch hart ackern, damit zukünftig die Süße zurückkommt. Das sind schwierige Aufgaben. Aber einfach kann jeder. Wenn Politiker das nicht können, sollten sie umsatteln. In der Pflege werden dringend Leute gesucht.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Warum lässt er dann seine Grüne Komplizin im Außenministerium nach noch mehr Sanktionen und Embargos plärren?
»Wenn Politiker das nicht können, sollten sie umsatteln.«
Bester Vorschlag ever!!!
"Ich weiß, dass es uns im Vergleich immer noch gut geht".
Man muß es den Menschen nur lange genug in die Betonköpfe hämmern, dann glauben Sie es auch.
Die Wirklichkeit sieht aber größtenteils ganz anders aus.
Ganz Ihrer Meinung! Der deutsche Michel malocht für fremde Kapitaleigner und ein paar verbliebene reiche deutsche Familien.
Ans europäische Ausland wird die Ware großteils verschenkt (siehe Target 2).
Solange in den MSM Artikel erscheinen wie heute bei der "Welt": "Wie andere europäische Länder die Inflationskrise bekämpfen" - also ihre Bürger mit immer mehr Geldgeschenken entlasten.
Dass diese Geldgeschenke "auf Pump" - also durch noch mehr EUR drucken finanziert werden und dadurch zu noch mehr Inflation führen, fällt kaum jemandem auf.
weniger muss immer mehr bezahlt werden) freuen sich zwar kurzfristig Produzenten und Finanzminister. Ohne Wettbewerbsfähigkeit gehen in Deutschland und dann in der EU bald die Lichter aus. Die Krisen wurden durch die sogenannten Eliten selbstverschuldet.
Wenn man solche Freunde hat braucht man keine Feinde mehr...
"..Jetzt muss unser Wirtschaftsminister die Suppe auslöffeln, die zweite Stufe des Gas-Notfallplans ausrufen und in Ländern um Rohstoffe betteln, die von Demokratie und Menschenrechten so wenig halten wie Hunde von leeren Fressnäpfen."
ist nicht verstanden worden, daß das aus Dummheit oder Bosheit so gekommen ist.
Ich jedenfalls freue mich, daß die Realität DIESE Figuren trifft. Die Folgen leider auch die diesen Parteien in den letzten Jahrzehnten vertraut haben.
Das wäre definitiv Europas Untergang.Die Schweiz macht es vor: Der National Staat ist nicht nur überlebensfähig, sondern in möglichst kleinen Einheiten gerade zu unschlagbar.
Das Märchen von „nur gemeinsam können wir es schaffen“ ist als Mythos und gescheitertes Wunschdenken entlarvt.
werden Sie öfter "politisch unkorrekt", bitte ;)
Ich habe nicht gedacht, dass jemand Franki Meyer übertreffen könnte. Heute haben Sie meinen Glauben widerlegt. Danke für Ihre brillanten Beitrag.
Die Frage ist, kann die Politik es wirklich verhindern? Was genau? Muss die Talfahrt wirklich sein? Und Sie haben vollkommen recht, wir haben das Tal der Tränen noch nicht erreicht. Wir müssen aber „fallen“ um wieder gehen zu lernen, egal wie bitter es klingt.
Die Globalisierung hat mehrere erste Geigen hervorgebracht, die den Ton angeben wollen, nur dann passiert genau das: Kakophonie. Synchronie in der Wirtschaft und Handel bedarf Übung.
Sind wir mehr auf einem Weg zu einem eurasischen als zu einem transpazifischen Jahrhundert? Ist Sinozentrismus gesund? Ja und Nein… Die Sache ist so wie Sie es schreiben, man muss sich künftig genau überlegen welche Wirtschaftszweige man bedient / bedienen muss / bedienen will.
Hilft eine bewusste Inflationierung dabei? Vielleicht.
Was mir den Kopfschmerzen bereitet:
Dass die Vernetzung der Welt kaputt gemacht wird. Denn je stärker man untereinander vernetzt ist, desto schwieriger ist es einen Krieg anzufangen.
Herzliche Grüße
Lisa
Hier gehe ich leider nicht konform, denn es würde genau jenen "Mächtigen" noch mehr in die Hände spielen, die Verträge noch weniger einzuhalten und die EU noch schneller und effizienter in den Abgrund zu stützen. Und doch - aber ja, ein schnelles Ende, statt lange andauerndem Sichtum hat auch was.
Wahnsinn war und ist, der gewaltsame Zusammenschluss unterschiedlich wirtschaftlicher Stärken, Nationen und Kulturen. Das konnte nicht gelingen, denn ein Blick in die Vergangenheit hätte gezeigt, dass dies nicht gelingen wird. Dass zu viele Schwache die Starken immer mit in den Abgrund ziehen, erst recht, wenn die vermeintlich Starken tatsächlich schwach, aber größenwahnsinnig sind.
Für die Stärke eines Landes ist das Politikpersonal ein ausschlaggebender Faktor und hier zeigte sich schon sehr lange, dass diese Stärke auch in D nur SCHEIN war. Ein abgehalftertes, unfähiges aber willfähriges Personal in der EU hat diese zu einem lächerlichem, zerstörerischem und diktatorischem Projekt verkommen lassen. Oder war dies eher geplant und vom großen Bruder gewünscht? Nun die Antwort möge jeder in der Literatur, z.B. "Die einzige Weltmacht", in den täglichen Geschehnissen und Informationen jenseits der MSM`s für sich suchen. Wer für Alles und jede Unfähigkeit Entschuldigungen, Erklärungen, Verständnis, Gleichgültigkeit und Desinteresse entgegenbringt, statt endlich einmal STOPP zu sagen, der darf sich hinterher nicht wundern und so werden die Völker Europas leider noch viel mehr als ein blaues Wunder erleben.
ich kann verstehen, dass Sie es Ihnen auf der Märchenwiese gefällt. Vielleicht kommen der Christian und Robert noch vorbei demnächst. Dann können Sie zusammen Blumenkränze flechten.
Viel Spaß dabei!
Die Macht hat das Kapital.
Deswegen bewegt sich nichts